# taz.de -- Zustellen und kümmern: Multitalent Postbote | |
> Beim Bremer Pilotprojekt „Post persönlich“ sollen die ZustellerInnen ein | |
> Auge auf SeniorInnen haben. | |
Bild: Alles wohlauf? Ein Briefträger der Deutschen Post bei der Zustell-Arbeit | |
Wenn der Postmann zweimal klingelt, winken künftig keine Schäferstündchen | |
mit einem vagabundierenden Tankstellenmitarbeiter, sondern – die | |
Johanniter. In einem neuen Pilotprojekt sollen sich Bremer Postboten ab | |
Mitte Mai auch um Senioren kümmern. | |
Registrierte KundInnen des Johanniter-Hausnotrufes können dann den „Post | |
persönlich“ genannten Service dazu buchen. Das bedeutet: Der Postbote | |
schaut persönlich nach den KundInnen, vergewissert sich, ob alles in | |
Ordnung ist. Trifft er die Person nicht an oder hat er den Eindruck, die | |
Person benötige Hilfe, verständigt er die Johanniter. Das neue Projekt soll | |
zunächst im Bremer Stadtteil Schwachhausen erprobt werden, das Ziel sind | |
rund 50 teilnehmende KundInnen. | |
## Ein ganzes Bündel von Ideen | |
Eingebettet ist das Projekt in ein ganzes Bündel an neuen | |
Service-Angeboten, das die Bremer Stadtverwaltung gemeinsam mit der Post, | |
den Johannitern und weiteren Kooperationspartnern auf den Weg gebracht hat. | |
„Die Herbsthelfer“, so der Name des neuen Verbunds, umfassen dabei auch | |
Serviceleistungen wie einen Ummeldeservice vor Ort, bei dem | |
MitarbeiterInnen des Stadtamtes in Einrichtungen der Bremer Heimstiftung | |
kommen. | |
Auch einen telefonischen Formularservice soll es ab Juli geben: Die | |
Stadtverwaltung schickt auf Anforderung die benötigten Formulare zu. | |
Insgesamt 460.000 Euro investiert die Stadt in die analogen | |
Seniorendienste, das Geld dafür kommt aber aus den sogenannten | |
„Verstärkungsmitteln für Digitalisierung und Bürgerservice“. | |
## Evaluation Ende des Jahres | |
Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet und Ende des Jahres | |
evaluiert. Die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) rechnet | |
damit, „einen langen Atem“ zu brauchen, bis sich der neue Service etabliert | |
hat. Wiederum in Kooperation mit der Post soll es außerdem auch einen | |
Bargeld-Service der Sparkasse geben: KundInnen können telefonisch Geld | |
anfordern, das der Postbote dann vorbeibringt. | |
Was wie ein Paradies für Trickdiebe in Postboten-Montur klingt, sieht die | |
Polizei Bremen jedoch gelassen: Sie stehe den von der Stadtverwaltung | |
initiierten Projekten „ergebnisoffen gegenüber“, sagt Polizei-Sprecher | |
Horst Göbel – und rät: Niemanden in die Wohnung lassen, keine Verträge an | |
der Haustür unterschreiben, im Zweifel 110 wählen. | |
Neben „Post persönlich“ und dem Bargeld-Service sollen die Postboten ab | |
kommender Woche auch noch ehrenamtliche MitarbeiterInnen für die | |
Dienstleistungszentren werben: Sie sind angehalten, im Auftrag der | |
Stadtverwaltung einen Informationsflyer zu verteilen und gezielt KundInnen | |
anzusprechen, um sich dort ehrenamtlich zu engagieren. | |
## „Keine Werbung an der Haustüt“ | |
Postboten als Drückerkolonnen im Dienste des Ehrenamtes? Diesem Eindruck | |
treten sowohl Ver.di als auch der Betriebsrat entgegen. „Die sollen da | |
keine Werbegespräche an der Haustür führen“, sagt der für den Briefverkehr | |
zuständige Betriebsrat Hermann Warnken. Gewerkschaft und Betriebsrat | |
unterstützen das Pilotprojekt schon deshalb, weil das Briefaufkommen immer | |
geringer wird und die Arbeitsplätze der ZustellerInnen dennoch erhalten | |
werden sollen. Und da es zwar immer weniger Briefe, aber dafür immer mehr | |
Senioren gibt, liege es nahe, das Aufgabenspektrum der ZustellerInnen zu | |
erweitern. | |
„Wir halten das durchaus für machbar,“ sagt Warnken. Allerdings könne man | |
schwer einschätzen, welchen zeitlichen Umfang der Service „Post persönlich�… | |
und das Werben fürs Ehrenamt schließlich erreichen werden. „Jedes Klingeln | |
kostet natürlich Zeit“, sagt Warnken. | |
Feedback zu den Post-Plänen hat er von seinen KollegInnen noch nicht | |
erhalten: Die entsprechende Informationsveranstaltung findet nämlich erst | |
heute statt. „Bisher gibt es nur einen Din-A4-Zettel als Aushang.“ Weigern | |
können sich die Postboten ohnehin kaum, denn die Briefzustellung ist in | |
Bezirke eingeteilt, jeweils mit einem Stammzusteller. | |
„Entweder macht der Zusteller mit, oder er muss von seinem Bezirk runter“, | |
sagt Warnken. „Das werden die wenigsten machen, insofern wird man sich da | |
nicht total verweigern können.“ Er ist dennoch optimistisch, dass alle | |
mitziehen: „Unsere Zusteller sind ja weltoffene Leute.“ | |
17 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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