| # taz.de -- Streit um Politiker-Reise: Oh, wie schön ist Kanada | |
| > Der niedersächsische Umweltausschuss will nach Kanada reisen. Die Grüne | |
| > Imke Byl sieht keine inhaltlichen Gründe dafür und moniert den | |
| > klimaschädlichen Langstreckenflug. | |
| Bild: Nicht nur wegen der Wölfe und der Ölförderung ein attraktives Ziel: Ka… | |
| HAMBURG taz | Die grüne Abgeordnete Imke Byl hat sich auf Facebook Luft | |
| gemacht. Die große Koalition in Niedersachsen zwinge sie zum „völligen | |
| Verriss“ ihrer Klimabilanz. Denn der Umweltausschuss, in dem Byl als | |
| einzige Abgeordnete die Grünen vertritt, hat am Montag beschlossen, dass | |
| die Mitglieder eine Reise nach Kanada unternehmen. „Ein bestimmtes Thema, | |
| das diese Legislatur akut wichtig ist und *nur* in Kanada bearbeitet werden | |
| kann, konnte mir nicht genannt werden“, schreibt Byl, die als einzige gegen | |
| das Reiseziel stimmte. | |
| Es ist üblich, dass die Abgeordneten in Ausschüssen auch Reisen ins Ausland | |
| unternehmen, um sich über Unternehmen oder politische Projekte zu | |
| informieren und mit Akteuren ins Gespräch zu kommen. Für die Reisekosten | |
| der Abgeordneten kommt in Niedersachsen der Landtag auf. | |
| Der Umweltausschuss hat am Montag mehrheitlich dafür gestimmt, die Reise | |
| nach Kanada zu planen. Mehrheiten zu finden, ist für die große Koalition | |
| nicht schwierig. Im Umweltausschuss sitzen je sechs Abgeordnete von SPD und | |
| CDU, je einer von FDP, Grünen und AfD. Beschließen muss die Reise | |
| allerdings noch der Ältestenrat. | |
| Marcus Bosse, der für die SPD im Ausschuss sitzt, verteidigt die Reise nach | |
| Kanada. Es gebe gute inhaltliche Gründe, um nach Kanada zu fahren, da es | |
| viele Parallelen zu Niedersachsen gebe. „Die haben da das Thema Wolf und | |
| wir Abgeordneten außerdem die Möglichkeit uns über Erdgas- und | |
| Erdölförderung zu informieren.“ | |
| Zudem sei das Land im Klima- und Umweltschutz vorbildlich. Der | |
| ausschlaggebende Grund sei aber gewesen, dass es ein Programm des | |
| kanadischen Außenministeriums gebe, das solche Reisen für ausländische | |
| Politiker organisiere, sagt Bosse. „So bekommen wir Kontakt zu | |
| Bürgerinitiativen, an die die Landtagsverwaltung so nie herangekommen | |
| wäre.“ | |
| Die aufgezählten Gründe hält Byl, die selbst noch nie außerhalb Europas | |
| Urlaub gemacht hat, jedoch nicht für ausreichend, um mit dem Ausschuss eine | |
| klimaschädliche Fernreise zu unternehmen. Wenn sich die Abgeordneten über | |
| Wölfe informieren wollten, könne man das auch in Polen. „Da sind | |
| vergleichbare Bedingungen.“ | |
| Von den Niederlanden könne man in Sachen Küsten- und Hochwasserschutz etwas | |
| lernen und die Dänen seien nicht nur Vorreiter in der Wärmewende, sondern | |
| hätten auch viele Erfahrungen mit Offshore-Windparks. „Es ist absurd, wenn | |
| der Umweltausschuss“, Byl betont den ersten Wortteil besonders deutlich, | |
| „ohne einen wirklich guten Grund eine Fernreise macht“. Ihre Vorschläge | |
| seien im Ausschuss jedoch gar nicht mehr inhaltlich diskutiert worden. | |
| Das bestätigt auch Bosse. „Ich habe in den Gesichtern gesehen, dass keiner | |
| der Abgeordneten sehr motiviert war, in einer Woche mit dem Zug durch halb | |
| Europa zu fahren.“ Die Aufregung der Grünen kann er nicht verstehen. In der | |
| vergangenen Legislaturperiode habe der Umweltausschuss unter Umweltminister | |
| Stefan Wenzel (Grüne) im Jahr 2015 auch eine Reise in die USA gemacht. | |
| „Die Grünen haben in ihrer eigenen Regierungszeit gerne an solchen Reisen | |
| teilgenommen“, sagt auch der Pressesprecher der CDU-Fraktion Marco | |
| Zacharias. „Da war die Klimaneutralität kein Thema.“ Zudem könne man in | |
| Kanada über alle genannten Themen etwas an einem Ort erfahren. „Es müssen | |
| nicht 30 Teilnehmer mit Dieseln durchs Land fahren.“ | |
| ## Vertretbares Reiseziel: die USA | |
| Autofahrten hatte Byl allerdings auch nicht im Sinn. Auch Fernreisen lehnt | |
| sie nicht in jedem Fall ab: „Fliegen ist nicht immer schlecht“, sagt sie. | |
| Aber es müsse eben einen guten Grund geben. Deshalb sei auch die USA-Reise | |
| vertretbar gewesen. „Damals war die Fracking-Gesetzesnovelle dran“, sagt | |
| Byl. Die USA haben als technologische Vorreiter des Fracking auch | |
| Erfahrungen mit Folgeschäden. Zudem sei es bei dem Besuch auch um das Thema | |
| Endlagerung von Atommüll gegangen. | |
| SPD-Mann Bosse sieht zwischen den Reisen keinen Unterschied. „Außerdem kann | |
| ich den Ball auch zurückspielen“, sagt er und macht in puncto Fernreisen | |
| ein neues Fass auf. Die Grünen hätten im Landwirtschaftsausschuss nämlich | |
| selbst eine Reise nach Südamerika vorgeschlagen, sagt er. | |
| ## Einer zeigt auf den anderen | |
| Miriam Staudte sitzt für die Grünen in besagtem Ausschuss. Sie hat | |
| tatsächlich eine Reise nach Argentinien oder Brasilien vorgeschlagen. „Das | |
| sind Länder, mit denen wir landwirtschaftlich eng verknüpft sind“, sagt die | |
| Abgeordnete. „Für uns wird da der Regenwald abgeholzt und Soja angebaut.“ | |
| Es sei das eine, von den Umweltschäden zu wissen, an denen auch die | |
| niedersächsische Landwirtschaft ihren Anteil habe, das andere, sie wirklich | |
| zu sehen. „Da könnte es bei dem einen oder anderen Abgeordneten Klick | |
| machen.“ | |
| Dass Bosse von der SPD ihren Vorschlag anführe, empfindet Staudte jedoch | |
| als ungerecht. Denn offiziell im Ausschuss besprochen wurde der noch nicht. | |
| „Und wieso das jetzt eine Ausschussreise nach Kanada begründet, kann ich | |
| mir nicht erklären“, ergänzt Byl. Für die gebe es schließlich gute | |
| Alternativen. „Die Politik muss auch Vorbild sein.“ | |
| 11 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Scharpen | |
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