# taz.de -- Kolumne Berliner Galerien: Im Zerfall begriffen | |
> Kolumnistin Jana Janika Bach empfiehlt Skulpturen bei Esther Schipper, | |
> Filme bei Wentrup und Aquarelle bei Nagel Draxler. | |
Bild: Francesco Gennari, „Greetings from the Moon“ (Installationsansicht), … | |
Die Welt geht in Stücke. Zum Beispiel vor der Antarktisküste, wo Abbrüche | |
riesiger Eismassive zu verzeichnen sind. In ähnlichem Zustand befindet sich | |
das Werk „The Degeneration of Parsifal“ in der Galerie [1][Esther | |
Schipper]. Allerdings fertigte Francesco Gennari es nicht aus gefrorenem | |
Wasser. Der weiße Brocken entstand aus 80 Kilogramm Mehl, gepresst zwischen | |
acht Stahlklemmen in der Form eines Oktagons. | |
Einmal aus der Halterung gelöst, beginnt durch Einwirken von Zeit und | |
Gravitation im Raum sein Zerfall. „Always me“ hingegen ist zweigeteilt, | |
eine Metallstange, die in Zitronen- und Goldgelb glänzt. Auch der Ring aus | |
grünem Muranoglas, „I Almost Feel Like …,“ und der Bronzeabguss des | |
Lieblingshemds Gennaris verweisen auf die physische oder psychische | |
Verfassung des Künstlers – der, längst als demiurgisches Wesen entfleucht, | |
das eigens erschaffene Reich sich selbst überlassen hat. | |
Gerüste und Grenzzäune | |
Wie Zurückgelassene wirken auch die Protagonistinnen in Jesper Justs | |
Videos. Zu sehen sind sie auf Screens in unwirtlichen Landschaften, | |
eingefasst in ein Aluminium-Gerüst bei [2][Wentrup]. Letzteres ist eine | |
Hommage an das Architekten-Kollektiv „Superstudio“, das einst die Stahl- | |
und Betonbauten verspottete und vorschlug, den ganzen Globus mit einer | |
„Megastruktur“ zu überziehen. | |
Just konzipiert und demontiert, ob er ein Mädchen an der Fassade des One | |
World Trade Centers mitten in Manhattan filmt oder Kim Gordon im Tutu, die | |
einen Stock über die rostbraunen Balken des Zauns am | |
amerikanisch-mexikanischen Grenzstreifen gleiten lässt. | |
Dann schaut Dree Hemingway noch in Lolita-Manier in die Kamera, während | |
sie, ihre Arme in Gestellen, einen Maiskolben isst. Rührend-komisch und | |
traurig ist es, wie sie in dieser Pose an die Food-Selfie-Videos der | |
„Insta-Girls“ erinnert. | |
Staub für Europa | |
Ein anderer Trend spaltet ebenso, die König-Hoodies werden verlacht oder | |
geliebt. Nur, entscheidender als der Träger scheint die Botschaft zu sein. | |
In „Europa“, der aktuellen Schau Luca Vitones in der [3][Galerie Nagel | |
Draxler] sind keine Sterne zu sehen, nicht einmal das signifikante Blau. | |
Für seine monochromen Aquarelle löste Vitone Staub aus Räumen von | |
Institutionen wie der Europäischen Zentralbank in Frankfurt oder dem | |
Europäischen Gerichtshof in Luxemburg in Wasser, um damit auf Papier zu | |
malen. Quintessenz: Auch große Ideen brauchen Fürsprecher, damit etwas von | |
ihnen bleibt, und so unbedeutend ein Korn sein mag, selbst Staub besteht | |
aus einer Vielzahl feinster, fester Partikel. | |
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer donnerstags in der Printausgabe der taz | |
26 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.estherschipper.com/ | |
[2] http://www.wentrupgallery.com/ | |
[3] http://nagel-draxler.de/ | |
## AUTOREN | |
Jana Janika Bach | |
## TAGS | |
Berliner Galerien | |
Kunst Berlin | |
Videokunst | |
Skulptur | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |