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# taz.de -- Die Wahrheit: Liedgut auf der Hippieinsel
> Die letzte Nische der Althippies auf Gomera scheint bedroht. Doch die
> Zausel feiern unentwegt weiter beim Sonnenuntergang mit lässiger Musik.
Bild: Sehen die sonst so abgeklärten Finnen ein schillerndes Nordlicht wie in …
Wir wippen im Takt, geschützt von Lichtschutzfaktor 50, und trinken Dorada
aus der Flasche, für 1,40 Euro. Wir stehen unter einer zerzausten Palme in
Valle Gran Rey auf Gomera, am Rand der hiesigen „Szene“, für die der
sonntägliche Markt eines ihrer letzten Ereignisse ist. Kleinhandwerk,
Schmuck, Kunst, Lederbänder, Räucherstäbchen. Eine kleine, sympathische
Zeitreise von zehn bis vierzehn Uhr.
Wir sind fast aus Versehen auf dem Platz, aber Freund Christof aus Hannover
hatte uns gebeten, ihm von hier das legendäre „Palo Santo Öl“ mitzubringe…
Und was tut man nicht alles für die bedauernswerten Daheimgebliebenen, die
gerade bei Minusgraden zu Hause bibbern.
Und dann baut die Band auf, und wir sind plötzlich schon beim fünften Bier.
Tony, eine wunderbare Mischung aus Tom Waits und John Lurie, zupft extrem
gut gelaunt an seinem E-Kontrabass. Tom begleitet ihn genauso euphorisch
auf der Geige. Dazu Heiner am Schlagzeug und zwei Gäste an Bodhrán und
E-Gitarre. Poisoned Folk aus dem Valle Gran Rey auf Gomera.
## Busy doing nothing
Tony singt über die philosophische Grundhaltung der hiesigen Residenten,
die aus ganz Europa stammen: „I’m busy doing nothing at all.“ Tony ist Pu…
aus London, seit fast zwanzig Jahren auf der Insel, aber sein Status hier
auf der spanischen Bananeninsel wackelt, wenn erst einmal der Brexit
vollzogen ist. Immer wieder bricht Europa störend in die Hippie-Idylle ein,
mittlerweile aber auch der neue örtliche Bürgermeister vom Valle Gran Rey,
denn sein erklärtes Ziel lautet: Hippies und Alt-Punks raus,
Qualitätstouristen rein. Zitat Tom: „Die wollen reiche Alte!“
Poisoned Folk sind hier im Tal eine der letzten Bastionen des Andersseins.
Sie hatten mit Freunden das Festival Valle Luna organisiert. Aber Europa
fordert inzwischen für Festivals zertifizierte Security, ausgearbeitete
Fluchtpläne und dergleichen mehr. Sie mussten aufgeben!
## Don’t jump off a cliff
Es ändert sich einiges, die allabendliche Sonnenuntergangszeremonie vor der
Bar Maria aber gibt es noch immer, nur die Bar selbst musste den
Erbstreitigkeiten um dieses legendäre Insellokal weichen. Die Feuershows
von Monika werden inzwischen sogar angekündigt, sie ist hier die Helene
Fischer der Abendtrommeln.
Tom und Tony singen: „Please don’t jump off a cliff or let somebody find
you hanging from a rope …“ Es gibt einige Bands hier auf der Insel, die auf
eine lange Geschichte blicken können, am schönsten, eigenwilligsten, vor
allem aber am witzigsten sind Poisoned Folk, mit denen wir jetzt den ganzen
Nachmittag „busy doing nothing at all“ verbringen.
Während Tony und Tom eine Hymne an die „Weekendhippies“ vortragen, die hier
gleichzeitig ihr Publikum sind, hole ich uns noch zwei Bier, und der Berg,
auf den ich morgen früh steigen wollte, kann mich mal kreuzweise! Ich
bleibe „busy doing nothing at all …“
23 Mar 2018
## AUTOREN
Bernd Gieseking
## TAGS
Folk
Umzug
Ostwestfalen
Zahnarzt
Provinz
Eltern
Finnland
Elke Twesten
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