# taz.de -- Freispruch trotz Umweltsauerei: Nicht giftig genug | |
> Fast 800 ChilenInnen verlieren in der ersten Runde in einem Musterprozess | |
> gegen den schwedischen Bergbaukonzern Boliden. | |
Bild: Der Hafen von Arica | |
Stockholm taz | Eine Giftmüllhalde am Rande der nordchilenischen Stadt | |
Arica. Es dürfte dies einer der ungewöhnlichsten Tatorte sein, mit denen es | |
ein Gericht in Schwedisch-Lappland bislang zu tun hatte. Doch das | |
Amtsgericht in Skellefteå war für den Fall zuständig, weil in der | |
nordschwedischen Stadt der Bergbaukonzern Boliden seinen Unternehmenssitz | |
hat. | |
Boliden durfte Mitte der 1980er Jahre im Chile der Pinochet-Militärdiktatur | |
20.000 Tonnen schwermetallhaltige Abfälle mit hohen Gehalten an Arsen, | |
Quecksilber, Blei und Kadmium bei Arica abkippen. Schweden war damit eines | |
seiner grössten Umweltprobleme los und in einem chilenischen Slumviertel | |
häuften sich bald Atemwegs- und Skeletterkrankungen und Schäden am | |
zentralen Nervensystem. Fälle von Krebskrankheiten und Fehlgeburten | |
[1][nahmen auffallend zu]. | |
Am Donnerstag verkündete das Gericht in Skellefteå das Urteil zu einer | |
Klage, die 796 gesundheitlich geschädigte ChilenInnen gegen Boliden erhoben | |
hatten. Der geforderte Schadensersatz von umgerechnet jeweils 12.500 Euro | |
wurde versagt: Die Arsen- und Schwermetallwerte in den von ihnen | |
präsentierten Blut- und Urinproben seien nicht hoch genug, um zweifelsfrei | |
einen Rückschluss auf die Gesundheitsschädigungen ziehen zu können. | |
Es fehle deshalb an einem Beweis für einen Ursachenzusammenhang mit dem | |
Boliden-Giftberg. Eine Niederlage in der Sache, die auch vor Ort in Arica | |
mit Enttäuschung aufgenommen wurde. Aber juristisch keine schlechte | |
Grundlage für ein mögliches Berufungsverfahren oder künftige | |
Umweltprozesse. | |
## Recht, am schwedischen Konzernsitz zu klagen | |
Zum einen bejahte das Gericht nämlich grundsätzlich das Recht ausländischer | |
Geschädigter, am schwedischen Konzernsitz zu klagen. Während der mehr als | |
fünfjährigen Prozessdauer hatte Boliden gerade eine solche Zuständigkeit | |
eines schwedischen Gerichts bestritten – und versucht, die KlägerInnen an | |
die chilenische Justiz zu verweisen. | |
Zum anderen betonte die Gerichtsvorsitzende, Boliden könne sich nicht | |
allein deshalb von der Verantwortung freisprechen, weil der Giftmüllexport | |
seinerzeit legal war und von schwedischen wie chilenischen Behörden | |
abgesegnet worden war. Spätestens als dem Unternehmen klar werden musste, | |
dass das eigentlich vereinbarte Recycling nicht stattfand, weil der | |
Vertragspartner pleite war, hätte man Sicherungsmassnahmen veranlassen und | |
beispielsweise den Abfallberg ordnungsgemäß sichern müssen. | |
Johan Öberg, einer der drei Anwälte der KlägerInnen, teilte mit, er rechne | |
mit einem Berufungsverfahren. Stellungnahmen von Boliden könnten aber | |
darauf hindeuten, dass der Konzern bereit ist, den für den Ruf des | |
Unternehmens äußerst belastenden Fall nun womöglich außergerichtlich mit | |
einem Vergleich abzuschließen. Es gebe „keine Gewinner“. sagte | |
Kommunikationschef Klas Nilsson: Auch nehme er die vom Gericht geäußerte | |
Kritik sehr ernst, es sei eine „andere Zeit mit anderem Kenntnisstand und | |
anderer Gesetzgebung“ gewesen. | |
9 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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