| # taz.de -- Debatte um Schriftsteller Uwe Tellkamp: Die Kunst differenzieren | |
| > Der Schriftsteller Uwe Tellkamp redet sich um Kopf und Kragen, aber | |
| > Empörung reicht nicht aus. Ein subjektiver Zwischenruf. | |
| Bild: Immerhin weiß man spätestens jetzt, wie der Buchpreisträger die Welt s… | |
| Auch ich war gleich sehr empört über die Äußerungen, die der Schriftsteller | |
| Uwe Tellkamp auf einer Podiumsdiskussion am Donnerstag in Dresden machte. | |
| Dass die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung schlecht ist, ist eine | |
| Meinung, die man haben kann oder nicht und über die man dann politisch | |
| streiten kann. Etwas anderes ist es mit der Aussage über Geflüchtete: „Die | |
| meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in | |
| die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent.“ Das ist eine | |
| Tatsachenbehauptung, die man bei den Flüchtenden aus Syrien ganz gewiss | |
| nicht belegen kann. | |
| Und genauso ist es mit der Aussage: „Die Autos, die abgefackelt werden, | |
| sind nicht auf der linken Seite.“ Da lässt sich an Statistiken sehen, dass | |
| das nicht stimmt. Gerade am Tag vor dieser Aussage wurden, auch in Dresden, | |
| Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Freital unter anderem auch wegen eines | |
| Anschlags auf das Auto eines Politikers der Linken verurteilt. | |
| Die Beispiele passen zu dem, was Tellkamp sonst sagte. Beim Thema | |
| Meinungsfreiheit witterte er einen „Gesinnungskorridor“. Uwe Tellkamp hat | |
| auf dem Podium einen, neutral formuliert, sehr subjektiv gewählten | |
| Weltausschnitt präsentiert, der sich von Ambivalenzen und ihm | |
| widersprechenden Tatsachen nicht irritieren lässt, und er hat sich dabei, | |
| sachlich ausgedrückt, recht eindeutig bei einer Bildsprache und Narrativen | |
| bedient, wie sie die Pegida und die AfD pflegen. Immerhin weiß man | |
| spätestens jetzt, wie der Buchpreisträger die Welt sieht. | |
| Mindestens ebenso interessant wie die eigene Empörung war dann aber, was | |
| nach den ersten aufgeregten Meldungen in den sozialen Medien passierte. Auf | |
| der rechten Seite wurde die Empörung schnell genutzt, um die Mär vom | |
| Gesinnungstotalitarismus zu verbreiten, als würde zur Meinungsfreiheit | |
| gehören, dass alle Menschen dann zu applaudieren haben. Unter manchen | |
| Tellkamp-kritischen Postings und Threads fanden bald aber differenzierte | |
| Diskussionen statt. | |
| Tellkamps Roman „Der Turm“ wurde im Unterschied zum früheren „Eisvogel�… | |
| und her gewälzt – Kunstwille versus Milieuschilderung – und teilweise gegen | |
| seinen Autor in Schutz genommen. Diskurstaktiken in der Demokratie wurden | |
| diskutiert; so können nicht nur die Inhalte, sondern kann auch die | |
| kategorische Etikettierung Leute dazu bringen, sich den Rechten zuzuordnen. | |
| Bei solchen teilweise selbstreflexiven Überlegungen kamen dann die Rechten | |
| nicht mehr mit. | |
| Vielleicht sollte man sich, bei aller Empörung, auch an solche | |
| Differenzierungen halten. Am Schluss werden die klüger Argumentierenden | |
| gewinnen. Ich hoffe, ich habe recht damit. | |
| 9 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Dirk Knipphals | |
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