# taz.de -- Demo am Frauen*kampftag: Widerstand mit Wunderkerzen | |
> Mehrere tausend Menschen ziehen am Weltfrauentag von Neukölln nach | |
> Kreuzberg. Die Themen reichen von #metoo über Abtreibungsrecht bis Armut. | |
Bild: Auch im Jahr 2018 geht es noch um das Recht auf Abtreibung | |
Bevor sich die ersten Menschentrauben mit lila Luftballons, selbst | |
gebastelten Transparenten und Glitzer auf den Wangen am | |
Donnerstagnachmittag auf dem Hermannplatz versammeln, stehen schon längst | |
Polizeiwannen und Polizist*innen in Reih und Glied Spalier. Viel zu tun | |
bekommen sie nicht. Aber immerhin heißt der 8. März Frauen*kampftag, und es | |
könnten ja wilde, biestige Feminist*innen über die Stränge schlagen. | |
Nee, Scherz. Auf Anfrage bei der Polizeipressestelle heißt es, dass die | |
Sicherheit der Demonstrationsteilnehmer*innen immer an oberster Stelle | |
stehe und deshalb die angekündigten 9.000 Menschen, 8.000 auf dem | |
Hermannplatz und 1.000 am Schlesischen Tor, mit rund 250 Mann abgesichert | |
wurden. Ganz so viele sind es nach Angaben der Polizei zwar nicht geworden, | |
aber die Menge ist schon beeindruckend, die sich gegen halb sieben Richtung | |
Oranienplatz in Bewegung setzt. | |
Statt mit Feuer oder Steinen hantieren die Teilnehmenden mit Wunderkerzen, | |
die die Atmosphäre keinesfalls aggressiv, sondern eher | |
harmonisch-solidarisch machen. Aus den Boxen tönt feministischer HipHop, | |
und eine Sprecherin verkündet die Handynummer des Awareness-Teams. „Jeder, | |
der sich heute hier in irgendeiner Weise belästigt oder bedroht fühlt, kann | |
die Nummer sofort anrufen“, tönt es aus den Boxen. | |
Gründe, an der Demo teilzunehmen, gibt es auch im Jahr 2018 offenkundig | |
noch genügend. „Der Weg zur Gleichberechtigung ist noch lange nicht | |
beendet“, findet eine Teilnehmerin. „Unsere Widerständigkeit muss in allen | |
gesellschaftlichen Bereichen immer wieder neu erprobt werden“, sagt | |
Friederike, eine der Organisator*innen der Frauen*kampftags-Demo. | |
## „Armut ist sexistisch“ | |
Und diese Bereiche werden immer vielfältiger. Das bestätigt nicht nur die | |
Masse an Menschen, die sich zur Demonstration unter dem gleichen Motto wie | |
im Vorjahr („Feminismus heißt Widerstand“) versammelt haben. Auch die | |
unterschiedlichen Sprüche und Forderungen auf den Transparenten der | |
Demonstrierenden zeigen die große Bandbreite der Anliegen. Die bunten | |
Protestschilder reichen von „Feminismus für alle“ über die Forderung nach | |
dem „Fall des Patriarchats“ und eher Quatschigem wie „Without Hermine Har… | |
would have died in the first book“ bis zur Feststellung „Armut ist | |
sexistisch“. | |
„Zwei Drittel der Minijobberinnen sind Frauen, das heißt, Armut hat also | |
ein absolut weibliches Gesicht in diesem Land“, sagt Friederike, für die | |
Armut unter Frauen eines der dringendsten Themen ist, über das es heute und | |
in Zukunft zu sprechen gilt. | |
Hier wird also nicht „nur“ für Gleichberechtigung demonstriert, sondern | |
auch gegen Kapitalismus gewettert, auf rechte Hetze aufmerksam gemacht, | |
über das Selbstbestimmungsrecht von Frauen debattiert und zu einem | |
intersektionalen Feminismusverständnis aufgerufen. | |
Der umherziehende Menschenschlag war vorauszusehen: Es sammeln sich mehr | |
Frauen als Männer, mehr junge als alte Menschen und mehr raspelkurze Ponys | |
als geglättete, blondierte Haare zum Frauen*kampftag. | |
Gegen 20 Uhr mündet der Menschenzug auf dem Oranienplatz und trifft dort | |
auf die Internationalistische Frauen*kampf-Demo, die mit deutlich weniger | |
Teilnehmenden am Schlesischen Tor gestartet war. Aus den Boxen tönen dann | |
noch heiße Rhythmen, zu denen getanzt und getrunken wird, bis die Kälte die | |
Demonstrant*innen langsam nach Hause treibt. | |
9 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Tasnim Rödder | |
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