# taz.de -- „Dreamerin“ über mögliches „Daca“-Ende: „Ein Verfallsda… | |
> Kinder, die einst mit ihren Familien in die USA kamen, erhalten eine | |
> Gnadenfrist. Ihr Protest ist inzwischen keine Einpunktbewegung mehr. | |
Bild: Protest gegen das Ende des Daca-Programms vor dem Capitol in Washington D… | |
New York taz | Am 5. März wollte Donald Trump das DACA-Programm (Deferred | |
Action for Childhood Arrivals), das sein Amtsvorgänger im Jahr 2012 | |
eingeführt hatte, abschaffen. Damit wären 690.000 „Dreamer“, junge Leute, | |
die als Kinder in die USA gebracht worden sind und mit DACA erstmals | |
vorübergehende Aufenthaltsgenehmigungen hatten, papierlos geworden. Weil | |
Gerichte die Abschaffung anfechten, ist diese zunächst einmal verschoben | |
worden. | |
Am Montag ist eine Gruppe von mehreren Hundert Dreamern im Rahmen einer | |
Protestaktion gegen die Abschaffung von DACA zum Kongress gezogen. Unter | |
den Demonstranten waren Dreamer aus New York, die die 400 Kilometer zu Fuß | |
nach Washington gegangen waren, aber auch Nonnen und Priester. Bei einem | |
Sit-in am Rand des Kapitols wurden Dutzende von ihnen festgenommen. Als die | |
Polizei kam, skandierten die Sitzblockierer: „Kein Trump, kein KKK und | |
keine faschistischen USA“. | |
Die 27-jährige Abril Gallardo stand ein paar Meter weiter in der | |
Demonstration. Sie ist mit der Gruppe „Lucha“ aus Phoenix, Arizona, zu dem | |
Protest nach Washington gekommen. Die gebürtige Mexikanerin kam zusammen | |
mit ihren Eltern im Alter von 12 Jahren in die USA. Bis DACA 2013 | |
eingeführt wurde, war sie wie ihre Familie papierlos. | |
taz: Frau Gallardo, im November 2016 haben Sie mir wenige Tage vor der | |
Präsidentschaftswahl gesagt, dass Sie je nach Ausgang der Wahl weiter | |
studieren und einen Beruf lernen könnten oder aber aus Ihrem Land – den USA | |
– abgeschoben werden würden. Wie ist Ihre Situation jetzt? | |
Abril Gallardo: Mein DACA ist noch bis März 2019 gültig. Läge Trumps | |
Entscheidung jetzt nicht vor dem obersten Gericht, hätte ich nur noch ein | |
Jahr. Anschließend wäre ich papierlos. Und hätte keine Möglichkeit mehr, | |
meine DACA zu erneuern. | |
Wie fühlt sich das an? | |
Es ist beängstigend und frustrierend, dass ich immer nur für anderthalb | |
Jahre planen kann – von einem DACA-Antrag zum nächsten. Ich habe jetzt | |
gerade mein drittes DACA. Ich studiere, ich habe ein Auto, ich habe | |
Verantwortungen in meiner Familie. Aber ich weiß nie, ob ich in der Lage | |
sein werde, weiter zu arbeiten, um das Geld für die Universität zu | |
verdienen. Viele Dreamer sind Lehrer, Ärzte und Anwälte. Der Präsident hat | |
ein Verfallsdatum auf unsere Träume gestempelt. Und er hat Hunderttausende | |
von uns in Krisen und Ungewissheiten gestürzt. | |
Ihre ganze Familie lebt in dieser Zwischenwelt voller Ungewissheiten. | |
Ja. Meine beiden Brüder haben ebenfalls ein DACA. Und meine Eltern sind | |
papierlos. Mein älterer Bruder braucht eine Nierentransplantation, aber als | |
Dreamer mit einer zeitlich befristeten Aufenthaltsgenehmigung hat er nur | |
Anspruch auf eine Krankenversicherung für Notfälle. Die deckt keine | |
Nierentransplantation ab. Er geht drei Mal die Woche zur Dialyse und | |
versucht, durchzuhalten. Und wir arbeiten hart, um das Geld aufzubringen. | |
Ohne Versicherung kostet eine Nierentransplantation mehr als 300.000 | |
Dollar. | |
Wie halten Sie das durch? | |
Meine Familie war immer sehr stabil und religiös. Mein Bruder ist Pastor. | |
Unsere Kirche gibt mir Stärke. Sie beten nicht nur für uns, sondern helfen | |
uns auch. | |
Was möchten Sie später tun? | |
Ich studiere Politik am Phoenix College. Nächstes Jahr im Januar werde ich | |
auf die Arizona-Universität ebenfalls in Phoenix wechseln. Das ist zwei | |
Monate, ehe mein DACA ausläuft. Zugleich arbeite ich bei „Lucha“ – einer | |
der größten Einwanderungsgruppen in Arizona – als Kommunikationsdirektorin. | |
Ich will auch in Zukunft als Community Organizer arbeiten: Leute | |
zusammenbringen. Denn es ist wichtig, dass wir unsere Geschichte selber | |
erzählen und sie nicht anderen überlassen. Diese Regierung – aber auch die | |
vorangegangenen – erzählt, dass Immigranten eine Last sind und dass sie | |
zerstören und stehlen. Aber wir können aus eigener Perspektive und | |
Erfahrung darüber sprechen, wie wir in diesem Land arbeiten und wie robust | |
wir sind. | |
Was ist das Ziel der Demonstration am Kongress? | |
Wir wollen klarmachen, dass wir hier sind, um zu bleiben. Und dass wir | |
weiter kämpfen werden. Auch wenn heute in Washington 100 von uns | |
festgenommen worden sind. | |
Andere Dreamer sind, nachdem sie Interviews gegeben haben, in Abschiebehaft | |
gekommen. Befürchten Sie, dass Ihnen Ihr Engagement schaden könnte? | |
Im Gegenteil. Ich spüre, dass ich stark geworden bin, seit ich aus dem | |
Versteck herausgekommen bin, in dem ich nie gesagt habe, wie meine | |
Situation und die meiner Familie war. Und je mehr von uns aus dem Schatten | |
treten, desto stärker sind wir. | |
Was sagen Ihre Eltern dazu? | |
Auch sie spüren die Kraft, die durch die Organisierung kommt. Und sie | |
wissen, dass ich es ihnen zuliebe tue. Denn sie haben mir und meinen | |
Geschwistern das Opfer gebracht, alles hinter sich zu lassen, sogar ihre | |
eigenen Eltern. Damit wir hier aufwachsen, in Sicherheit, und eine gute | |
Schulbildung bekommen. | |
War Ihnen schon als Kind klar, dass Sie papierlos sind? | |
Arizona ist ein Grenzstaat. Als Kinder wussten wir, dass wir es niemandem | |
sagen dürfen. Seit ich in dieses Land kam, habe ich in Angst gelebt. | |
Sie haben es auch Ihren Lehrern und Mitschülern verheimlicht? | |
Sie haben es erst in der High School erfahren. Danach wussten sie nicht, | |
was sie mit einer wie mir tun sollten. Ich war eine gute Schülerin, sehr | |
aktiv an der Schule, und eine ideale Kandidatin für Stipendien und | |
Förderreisen, aber als Papierlose stand mir nichts davon zu. Das | |
wiederholte sich, als ich 2009 die High School abgeschlossen habe. Meine | |
Noten waren ausgezeichnet, aber während meine Klassenkameraden Stipendien | |
für die Universität bekamen, ging ich wieder leer aus. | |
Was tun Sie, wenn Sie auf Trump-Unterstützer treffen, die Ihnen sagen, dass | |
sie eine Mauer wollen und dass „Illegale“ wie Sie abgeschoben werden | |
sollen? | |
Ich glaube nicht, dass ich ihre Meinung ändern kann. Sie haben | |
Standardsätze. Aber ich erzähle ihnen meine Geschichte. Und wenn sie | |
weiterhin glauben, dass diese Regierung recht hat und das Richtige tut, | |
dann ist das ihr Problem. Ich kann dagegen nichts tun. | |
Was ist das langfristige Ziel? | |
DACA ist gut. Aber es löst nicht das Problem der vielen anderen | |
Papierlosen. Ein Erfolg ist, wenn wir einen dauerhaften Schutz bekommen, | |
der nicht nur für junge Einwanderer gilt, sondern auch für unsere Eltern. | |
Wir können nicht zulassen, dass wir kriminalisiert werden. | |
Bekommen Sie Unterstützung von außerhalb der Immigrantengruppen? | |
Wir haben Partner in nationalen Organisationen. Nicht nur in solchen, die | |
sich um Immigration kümmern, sondern auch bei Gruppen, die sich mit | |
Krankenversicherung und einer Strafrechtsreform befassen. Und wir haben die | |
Rückendeckung von Glaubensgemeinschaften. Dies ist keine Einpunktbewegung | |
mehr. | |
Das ist ein Effekt der Trump-Regierung, der ungewollt die Proteste stärkt. | |
Das, was wir jetzt mit Trump durchleben, erinnert mich an das SB 1070 in | |
Arizona im Jahr 2010. Es war ein schreckliches Gesetz, nach dem Immigranten | |
auf der Straße angehalten werden, um ihre Papiere zu kontrollieren. Das | |
Gesetz war gegen uns Immigranten gerichtet. Aber es war so ungerecht und | |
unfair, dass es Hunderte auf die Straße getrieben hat. Auch für mich war | |
das der Moment, an dem ich aus dem Schatten getreten und aktiv geworden | |
bin. Dasselbe tut die Trump-Regierung. Sie attackiert Frauen, Kinder, | |
Einwanderer. | |
Was werden Dreamer wie Sie nun tun? | |
Ich fahre zurück nach Arizona. Wir werden 200.000 neue Wähler registrieren. | |
Sie repräsentieren unsere Familien. | |
7 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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