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# taz.de -- Rot-rot-grüne Sanierungsstrategie: „In Sachen Asbest offensiver …
> Die Koalition erhöht den Druck bei der Asbestsanierung von Wohnungen. Der
> Grüne Andreas Otto schlägt vor, mit der Wilmersdorfer „Schlange“
> anzufangen.
Bild: Blick aus der Wilmersdorfer „Schlange“, die sich über der Stadtautob…
taz: Herr Otto, Sie wollen die denkmalgeschützte Autobahnüberbauung
Schlangenbader Straße – über Wilmersdorf hinaus als „Schlange“ bekannt …
zum Modellprojekt für die Asbestsanierung von Wohngebäuden machen. Warum
braucht Berlin dafür ein Modellprojekt?
Andreas Otto: Um Erfahrungen für eine künftige landesweite Strategie zu
sammeln. Die Idee ist: Wir sanieren ein herausragendes, einschlägig
belastetes Gebäude in einem bestimmten Zeitraum und dokumentieren das.
Hat man nicht mittlerweile genügend Erfahrung mit Asbestsanierung?
Asbestsanierungen von Wohngebäuden gab es im großen Stil eigentlich noch
nicht. Die landeseigenen Gesellschaften arbeiten so vor sich hin und kommen
mühsam voran, während wir bei privaten Eigentümern so gut wie gar nichts
wissen – abgesehen davon, dass mit Verkauf der landeseigenen Gesellschaften
GSW und Gehag auch viele asbestbelastete Wohnungen privatisiert wurden.
Die Degewo hat nach eigenen Angaben in der „Schlange“ den Asbest schon aus
einem guten Drittel der Wohnungen – rund 470 – entfernt. Saniert wird immer
bei einem Mieterwechsel oder wenn es konkrete Probleme gibt. Reicht das
nicht aus?
Je nachdem, wie hoch die Umzugsaktivität ist, kann das noch Jahrzehnte
dauern. Und als die „Schlange“ vor Jahren halb leer stand und die Zeit
günstig war, ist nichts passiert. Ich denke, das muss man beschleunigen und
möglichst Aufgang für Aufgang abarbeiten. Also etwa immer 20 Wohnungen und
dann die nächsten. Weil die Sanierung nicht in bewohntem Zustand möglich
ist, sind die Leute dann anderweitig unterzubringen, aber das dauert ja pro
Wohnung nicht Jahre, sondern Tage oder wenige Wochen.
Es heißt, dass Asbestfasern so lange keine gesundheitliche Gefahr
darstellen, wie sie fest im Trägermaterial gebunden sind. Ist die Eile
wirklich angebracht?
Das sagt auch die Degewo in der Antwort auf meine parlamentarische Anfrage
zur „Schlange“: Alles kein Problem, solange nichts austritt. Aber: Wer
stellt denn fest, ob etwas austritt? Welcher Mieter ist denn in der Lage,
das zu entscheiden? Es ist doch nicht seine Aufgabe, die Asbestbelastung in
seiner Wohnung herauszufinden, da müssen sich die Wohnungsunternehmen
strecken. Klar, das geht nicht in einer Woche, da braucht man einen
Fahrplan. Deshalb schlage ich vor: erst die Wahrscheinlichkeit einer
Asbestbelastung prüfen, dann Stichproben durchführen, dann mit der
Sanierung innerhalb der Wohnungen anfangen und sich nach außen zur
Gebäudehaut vorarbeiten.
Geschätzt 100.000 landeseigene Wohnungen sind in irgendeiner Form
asbestbelastet – wie verteilen die sich geografisch über die Stadt?
Die allermeisten liegen im Westteil der Stadt, besonders viele in Neukölln
und Tempelhof-Schöneberg. Im Gegensatz dazu hat die Howoge ihren Bestand in
den östlichen Bezirken weitestgehend saniert. Es gibt allerdings auch bei
den Landeseigenen eine gewisse Dunkelziffer, weil die Gesobau angibt, ihr
lägen keine Gutachten vor und sie könne darum keine konkreten Zahlen
nennen.
Sie sagten, über Wohngebäude privater Eigentümer lägen praktisch gar keine
Erkenntnisse vor – sind die nicht angehalten, asbesthaltige Baustoffe zu
melden?
Nein. Wie überall gibt es auch da natürlich sorgsame Eigentümer, und es
gibt schwarze Schafe. Mir wurde von MieterInnen glaubhaft versichert, dass
ihnen gesagt wurde: Du bekommst drei Monate mietfrei und entsorgst dafür
den Fußboden. Irgendwann stellte sich heraus, dass dieser Boden Asbest
enthielt. Das sind sicher Einzelfälle, aber an dem Beispiel sieht man, dass
das Land in Sachen Asbest offensiver werden muss. Wir brauchen ein
Asbestkataster und eine Sanierungsstrategie für Berlin. Deshalb steht am
Mittwoch ein Koalitionsantrag im Ausschuss zur Abstimmung, der den Senat
zur Entwicklung einer solchen Strategie auffordern.
Wie soll denn der Senat die Privaten ins Boot holen? Die haben doch kein
Interesse daran, dass Asbest in ihrer Immobilie öffentlich wird.
Ich würde immer mit Gesprächen anfangen. Der Senat ist aufgefordert, mit
den Verbänden der privaten Wohnungseigentümer in den Dialog zu treten.
Dann muss man möglicherweise Förderungen in Aussicht stellen – oder eben
über eine gesetzliche Regelung nachdenken wie eine Meldepflicht. Natürlich
kann man auch über eine gesetzliche Pflicht zur Sanierung nachdenken, aber
das wäre ein sehr harter Schritt.
Sie sprachen von Förderung. Asbestsanierung ist teuer, gerade wenn man sie
im großen Stil betreibt. Wird der Senat hier wirklich Geld zuschießen?
Wir stehen da am Anfang einer Diskussion. Ich kann nicht versprechen, dass
schon im nächsten Haushalt ein entsprechender Posten auftaucht, aber wir
müssen das durchkalkulieren und sehen, ob Geld ein Anreiz zur Sanierung
sein könnte. Auch dafür würde ein Modellprojekt „Schlange“ Anhaltspunkte
liefern. Wenn auch private Eigentümer Geld bekommen sollen, bräuchte es
jedenfalls ein echtes Förderprogramm, dann wäre auch der Bund gefragt.
Asbest ist ja ohnehin kein Berliner Spezialproblem, sondern ein Problem
aller westdeutschen Großstädte.
Sie hoffen darauf, dass der Bund sich spendabel zeigt?
Na ja, wir haben gerade eine neue Bundesregierung, und auch der Regierende
Bürgermeister als Verhandler für die Groko hat gesagt, dass die
wohnungspolitisch durchstarten wird. Eine Förderung von gesundem Wohnen
durch Entsorgung von Asbestmaterialien wäre ein gutes Signal. Passt ideal
ins Heimatministerium.
Ihnen schwebt eine zentrale Anlaufstelle vor, an die sich MieterInnen und
Wohnungssuchende mit Asbestsorgen wenden können.
Richtig. Das kann ein Bürgertelefon sein. Derzeit rufen Leute ja sogar mich
an und fragen, was sie tun sollen: Bei ihren Eigentümern finden sie kein
offenes Ohr, sie werden von einer Stelle zur nächsten geschickt, vom
Bezirksamt zum Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und
technische Sicherheit und so weiter. Ich sage inzwischen immer: Gehen Sie
am besten zur Umweltkripo. Die Koalition will eine Beratungsstelle, wo
Bürger und Eigentümer einheitlich beraten werden – wie sie Asbest erkennen
können, wie sie die Luftbelastung messen lassen können. Für diese Stelle
haben wir Geld in den Haushalt 2018/19 eingestellt.
Und wie soll das Asbestkataster aussehen, das Sie fordern? Kann ich als
Mietinteressent irgendwann eine Website aufrufen und auf einem Stadtplan
genau erkennen, wo Asbest verbaut ist?
Ein Register aufbauen lohnt sich nur, wenn auch alle drinstehen. Es könnte
dann drei Kategorien geben: 1. Asbest wurde nie verbaut, 2. Asbest wurde
entfernt, 3. Es gibt den Verdacht auf Asbest. Manche Eigentümer werden
sagen: Das geht gar nicht, das sind Geschäftsgeheimnisse – aber das muss
man dann eben gegen die gesundheitlichen Interessen der MieterInnen
abwägen. Und wenn Unternehmen erst einmal saniert haben, kann das ja auch
eine gute Werbung sein, ein wichtiges Qualitätskriterium: Bei uns kannst du
die Kinder beruhigt auf dem Fußboden spielen lassen!
7 Mar 2018
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Gesundheit
Asbest
Grüne Berlin
Katrin Lompscher
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