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# taz.de -- Labour-Chef Corbyn über den Brexit: Für ein bisschen mehr EU
> Der Labour-Parteichef will mit der EU eine „umfassende neue Zollunion“
> aushandeln. Viele aus seiner Partei fordern ein neues Brexit-Referendum.
Bild: Ist sehr zurückhaltend, was die EU angeht: Labour-Chef Corbyn
Dublin taz | Es war die Rede, die er nie halten wollte. Jeremy Corbyn, der
Chef der britischen Labour Party, sagte am Montag in Coventry in seiner
Grundsatzrede zum Austritt Großbritanniens aus der EU, dass er auch nach
dem Brexit für die britische Mitgliedschaft in einer Zollunion mit der EU
sei. „Labour will eine umfassende neue Zollunion aushandeln, um
sicherzustellen, dass es keine Zölle gibt“, erklärte Corbyn. Aber er
schränkte ein, dass man nicht bereit sei, lediglich die Regeln hinzunehmen,
die von anderen aufgestellt werden. In einer Zollunion einigen sich die
Mitglieder auf gemeinsame Außenzölle. Somit fallen an den Binnengrenzen
keine Zölle und als Folge keine Warenkontrollen an.
„Wir müssen sicherstellen, dass Großbritannien ein Mitspracherecht bei
künftigen Handelsverträgen hat“, sagte Corbyn. „Neue Zollvereinbarungen
hängen davon ab, ob Großbritannien unabhängig neue Handelsverträge im
nationalen Interesse abschließen kann.“
Corbyn war noch nie ein Freund der EU. Anfang der 1970er Jahre kämpfte er
vehement gegen Großbritanniens Beitritt zum „Club der Reichen“, wie er es
nannte. Erst auf Druck der Labour-Führungsriege rang er sich dazu durch,
für einen „weichen Brexit“ zu plädieren.
Mehr als 80 hochrangige Labour-Politiker hatten am Sonntag in einem offenen
Brief gefordert, dass sich Corbyn nicht nur für die Zollunion, sondern auch
für den Binnenmarkt entscheide. Eine Partei, die an die Macht wolle, könne
nicht die Wünsche von so vielen Gewerkschaften, Wirtschaftsführern und
potenziellen Wählern ignorieren, sagte Chuka Umunna, der frühere
Wirtschaftsminister im Labour-Schattenkabinett. „Es ist überlebenswichtig
für eine Partei, die sich für Arbeiterrechte und soziale Gerechtigkeit
einsetzt, dass wir eine eindeutige Politik für den Verbleib in der
Zollunion und im Binnenmarkt verfolgen.“
So weit ging Corbyn am Montag allerdings nicht, einer Mitgliedschaft im
Binnenmarkt erteilte er eine Absage. Und bei der Zollunion muss man auf die
Formulierung achten: Corbyn befürwortet eine Zollunion, nicht die
Zollunion. Das heißt, sie muss nach dem Brexit neu ausgehandelt werden.
Labours Brexit-Minister im Schattenkabinett, Keir Starmer, sagte jedoch,
darin bestehe kein Unterschied, schließlich ende Großbritanniens
Mitgliedschaft in der Zollunion automatisch mit dem Brexit. Man werde sich
um einen neuen Vertrag bemühen, der vom Status quo nicht sonderlich
abweiche.
## Junge Labour-Mitglieder für einen Verbleib
Viele Wähler und Parteimitglieder verlangen ebenfalls Veränderungen in
Labours Brexit-Politik. Eine Umfrage im Auftrag des britischen Observer hat
ergeben, dass 51 Prozent sich wünschen, Corbyn möge für ein zweites
Referendum über den Scheidungsvertrag kämpfen, falls es überhaupt zu einem
solchen Vertrag kommt. Das lehnte Corbyn jedoch ab. Er verlangte nun
lediglich eine „sinnvolle Abstimmung im Parlament“ über den Deal. Das hat
das Unterhaus im Dezember ohnehin mit Hilfe der Brexit-Gegner bei den
konservativen Tories beschlossen.
56 Prozent der Labour-Wähler sind laut Umfrage für den Verbleib in der
Zollunion und im Binnenmarkt. Nur 13 Prozent sind dagegen, der Rest hat
keine Meinung dazu. Unter jüngeren Leuten war das Ergebnis mit 63 zu 10
Prozent noch deutlicher.
Bereits in der vorvergangenen Woche waren 16.000 Mails bei der
Parteiführung eingegangen, in denen gefordert wurde, die Basis nach ihrer
Meinung zum Brexit zu fragen. Auslöser waren die Bemerkungen einiger
Hinterbänkler, die sich darüber beklagten, dass die Parteiführung das Thema
ignoriere.
Der Verband der britischen Industrie begrüßte Corbyns Rede, hätte sich aber
ebenfalls ein Bekenntnis zum Binnenmarkt gewünscht. Die Generaldirektorin
Carolyn Fairbairn sagte, dass die Vorteile der engen Bindung an die EU weit
schwerer wiegen als ein neues Handelsabkommen mit den USA. Eine umfassende
Zollunion mit der EU könnte viele Probleme mit Handel und inner-irischer
Grenze lösen, sagte sie. Ob die seit dem Belfaster Friedensabkommen von
1998 offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik
Irland nach dem Brexit geschlossen werden muss, ist immer noch unklar.
26 Feb 2018
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
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