| # taz.de -- Crowdfunding in Berlin: Mit der Menge rechnen | |
| > In Berlin setzen immer mehr Menschen auf das Geld der vielen. Doch wie | |
| > weit sollte die Schwarmfinanzierung gehen dürfen? | |
| Bild: Sie haben es geschafft! Das SO36 konnte sein Jubiläumsbuch über Crowdfu… | |
| Schon das Wort birgt etwas Solidarisches, Gemeinschaftliches: Crowdfunding, | |
| also Finanzierung durch die Menge – die Crowd. Ob ideell motiviert oder mit | |
| Gedanken an Profit im Hinterkopf, es ist der Versuch, mit einem Kollektiv | |
| ein Ziel zu erreichen. Auf Plattformen im Internet wird ein Projekt | |
| vorgestellt, für dessen Realisierung die Finanzierung benötigt wird. Wer | |
| Interesse an dem Projekt hat, kann spenden. Innerhalb eines festgelegten | |
| Zeitraums muss der benötigte Mindestbetrag zusammenkommen. Ansonsten | |
| scheitert das Projekt und das Geld geht zurück an die SpenderInnen. | |
| Auf diese Weise finanzieren immer mehr MusikerInnen, gemeinnützige | |
| Organisationen oder junge UnternehmerInnen ihre Arbeit. Doch auch | |
| alteingesessene Institutionen – wie das SO36 in der Kreuzberger | |
| Oranienstraße – nutzen diese Finanzierungsmöglichkeit. Mit Erfolg. Die | |
| Konservierung der Geschichte des legendären Clubs in Bild und Text, | |
| gebündelt in einem Buch mit DVD, wurde 2014 mit einer Crowdfunding-Kampagne | |
| erreicht. Solidarität auf digitalem, neuem Wege. | |
| „Die Idee entstand eines Nachts in einer Bar in der Wrangelstraße. Ein | |
| Freund und ich redeten darüber, wie schön es doch wäre, die vielen | |
| Geschichten des Clubs festhalten zu können“, erinnert sich Lilo im | |
| Hinterhaus des SO36. Hier befindet sich das Büro, das – wenig überraschend | |
| – nicht wie ein typisches Büros aussieht. Unzählige Sticker schmücken die | |
| Wände, Malereien und eingerahmte Poster von Bands, die in den vergangenen | |
| vier Jahrzehnten auf der Bühne im Vorderhaus gestanden haben. | |
| Man duzt sich, auf Nachnamen wird kein Wert gelegt. „Jeder war schon mal | |
| hier, jeder kennt eine Geschichte darüber. Das wollten wir festhalten“, | |
| sagt Nanette, die seit über zehn Jahren die Clubgeschichte als Teil des | |
| Teams verfolgt und geprägt hat. Die Hoffnung, das Projekt würde von Stadt | |
| und Senat gefördert werden, zerschlug sich. „Wir haben drei Anträge | |
| geschrieben. Immer mit dem gleichen Feedback. Tolles Projekt, Geld gab es | |
| aber trotzdem nicht“, so Lilo. | |
| ## „Nicht nur ein Club, sondern Kiezgeschichte“ | |
| Die Kalkulation für das Buch belief sich auf rund 30.000 Euro. Eine Summe, | |
| die aus dem laufenden Betrieb des SO36 nicht einfach so gedeckt werden | |
| konnte. Der gemeinnützige Verein ist nicht reich. Jedenfalls nicht an Geld. | |
| An Authentizität dafür umso mehr. Der Geist des Punk, in dem das SO36 | |
| entstand, er lebt bis heute in der Oranienstraße 190. „Das SO36 ist nicht | |
| nur ein Club, sondern Kiezgeschichte, Stadtgeschichte, im Prinzip auch eine | |
| Stück Weltpolitik. In Kreuzberg war ja nun wirklich eine Menge los“, sagt | |
| Nanette. | |
| Der Euphorie über die Idee, ebenjene Geschichte in gedruckter Form für die | |
| Gegenwart und Zukunft bereitzustellen, folgte erst die Frustration über die | |
| abgelehnten Förderanträge. Die Feier zum 36-jährigen Bestehen 2014 war | |
| Anlass, den Gedanken wieder aufleben zu lassen. Dieses Mal richtete man den | |
| Blick auf Crowdfunding als alternative Möglichkeit der Finanzierung. Zu | |
| diesem Zeitpunkt steckten die deutschen Crowdfunding-Plattformen noch in | |
| den Kinderschuhen. | |
| Zwar kannten Lilo und Nanette Leute, die bereits eigene Kampagnen gestartet | |
| hatten. Die aber waren gescheitert. Ein Positivbeispiel gab es also nicht, | |
| es gab nur die Idee und den großen Wunsch der Umsetzung. „Na, dann | |
| versuchen wir es einfach mal“, war die Devise. Aus dem Versuch wurde | |
| Arbeit. Viel Arbeit, denn es gehört mehr zu einer Kampagne, als nur online | |
| ein Projekt anzumelden und darauf zu warten, dass das Finanzierungsziel | |
| erreicht wird. In den 60 Tagen, die die Kampagnen in der Regel dauern, muss | |
| tägliche Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. | |
| ## Die richtige Kommunikationsstrategie | |
| „Entweder man ist selbst in der Lage und bereit, die 60 Tage rund um die | |
| Uhr dafür zu werben, zu kommunizieren, zu arbeiten. Oder man holt sich | |
| jemanden, der die Kampagne für einen macht“, sagt Ines Zimzinski, | |
| Vorstandsmitglied des Deutschen Crowdsourcing Verband e. V., der sich als | |
| zentrale Anlaufstelle für Informationen rund um die Crowd-Economy versteht. | |
| Die Expertin für digitales Marketing hilft AutorInnen, Verlagen und | |
| Kreativen, ihre Projekte zu finanzieren, umzusetzen und vor allem richtig | |
| zu vermarkten. | |
| „Egal ob sich das Projekt nun um Musik dreht, um Literatur, einen Film oder | |
| vielleicht Essen – die richtige Kommunikationsstrategie entscheidet | |
| maßgeblich über Erfolg oder Scheitern.“ Richtig bedeutet in diesem Fall, | |
| nach dem Start des Projekts täglich dafür zu sorgen, dass die Menschen | |
| aufmerksam darauf werden und es bestenfalls selber an ihre Bekannten | |
| weitertragen – etwa indem sie es in den sozialen Netzwerken teilen. | |
| „Es fängt in der Regel mit Mundpropaganda im Freundeskreis an. Durch die | |
| Verbreitung in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram, Twitter und Co | |
| kann man die Reichweite seines Projekts erheblich ausdehnen, es erreicht | |
| neue Crowds“, erklärt Zimzinski. Und: „Neben der täglichen | |
| Weiterverbreitung deines Projekts musst du dann für Anreize sorgen, deine | |
| Idee auch finanziell zu unterstützen.“ | |
| Diese Anreize, auch Rewards, also Belohnungen, genannt, können kleine | |
| Geschenke unterschiedlicher Art sein. Oft erhalten SpenderInnen Gutscheine | |
| oder Rabatte, die je nach Spende höher oder niedriger ausfallen können. | |
| Natürlich bestehe bei vielen eine ideelle Motivation, geben zu wollen, ohne | |
| dafür gleich wieder was zu nehmen. Ein kleines Dankeschön birgt jedoch | |
| höhere Erfolgsaussichten, den benötigten Betrag zu erreichen. Anerkennung, | |
| in irgendeiner Form, ist Menschen nun mal wichtig. | |
| ## Auch Offline-Aktionen hilfreich | |
| Lilo und Nanette vom SO36 fehlte es bei ihrem Buchprojekt nicht an | |
| Leidenschaft und Engagement, doch an Erfahrung mit dieser für sie damals | |
| neuen Art der Vermarktung. Schnell realisierte man im SO36: Wir brauchen | |
| Hilfe. Diese fanden sie bei Startnext, dem Betreiber der größten | |
| Crowdfunding-Plattform in Deutschland. „Startnext hat uns Hilfe angeboten, | |
| die wir dankend angenommen haben. Insgesamt war die Kampagne sehr aufwendig | |
| und nervenaufreibend“, erinnert sich Nanette. | |
| Besonders der „zähe Anfang“ ist den beiden in Erinnerung geblieben. „Die | |
| typische SO36-Fangemeinde, das sind Leute, die mit Internet nicht unbedingt | |
| viel am Hut haben. Onlinebanking ist für viele eine echte Hürde“, sagt | |
| Nanette. Nicht nur eine technische. Um Onlinebezahldienste wie Paypal | |
| nutzen zu können, ist die Freigabe von privaten Daten unumgänglich. Eine | |
| Bedingung, in die nicht alle bereit sind einzuwilligen. | |
| Um den Mindestbetrag, das sogenannte erste Fundingziel, zu erreichen, | |
| musste man deshalb auch auf altbewährte Methoden setzen – den direkten | |
| persönlichen Kontakt. Offline quasi. Ein Anreiz zum Spenden war die | |
| Möglichkeit, das Buch für 25 statt 36 Euro vorzubestellen. Das Geld konnte | |
| während der Bürozeiten auch vor Ort hinterlegt werden. Somit konnten auch | |
| all diejenigen ihr Interesse am SO36 zeigen, denen der digitale Weg nicht | |
| recht war. | |
| Auch die Anzahl an Solidaritätsbekundungen war sehr hoch. „Wir haben schon | |
| davon profitiert, dass es das SO36 schon so lange gibt, dass es auch Kult | |
| ist, dass es eine Geschichte hat und überlebt hat“, sagt Lilo. „Dass viele | |
| Menschen auch außerhalb Berlins eine Geschichte damit verbinden, auch die | |
| Bands, die teilweise signierte T-Shirts als weitere Anreize gespendet | |
| haben, hat natürlich geholfen.“ | |
| Nach einer erfolgreichen Kampagne und eineinhalb Jahren Bearbeitungszeit | |
| ist am Ende ein Buch herausgekommen, das seine Macherinnen auch vier Jahre | |
| später noch liebevoll ihr „Baby“ nennen. Ob ein weiteres Projekt in Planung | |
| sei? „Klar wäre es eine Überlegung wert, noch mal auf Crowdfunding zu | |
| setzen“, sagt Lilo. „Allerdings würden wir wohl erst wieder versuchen, | |
| einen Förderantrag zu schreiben. Das ist leichter, als eine Kampagne | |
| durchzuziehen.“ | |
| ## Crowdfunding gegen wirtschaftlichen Totalschaden | |
| Nur wenige Straßenecken vom SO36 entfernt, im Restaurant Bastard, läuft das | |
| Crowdfunding noch. Und es geht um alles. „Uns droht wirtschaftlicher | |
| Totalschaden, den wir absolut nicht zu verschulden haben“, heißt es in der | |
| Kampagne #SaveRestaurantBastard auf der Plattform Startnext. Im Halbdunkel | |
| des geschlossenen Lokals sitzt Simone Lotzmann an einem Holztisch und | |
| raucht. Vor sieben Jahren eröffnete sie das Restaurant in der Reichenberger | |
| Straße. Seit zwei Monaten bleiben die Türen jedoch geschlossen – | |
| gezwungenermaßen. | |
| Kurz vor Weihnachten wurden bei Sanierungsarbeiten gravierende Mängel an | |
| dem Gebäude entdeckt. Die Balken unter dem Küchenboden hatten durch | |
| Feuchtigkeit über die Jahrzehnte ihre Tragfähigkeit verloren. Eine | |
| Grundsanierung war nicht zu vermeiden. Lotzmann berichtet ausführlich von | |
| den Gutachten der Statiker. Sie berlinert, rückt hin und wieder ihre Mütze | |
| zurecht. | |
| Die Kosten für die Bauarbeiten übernehme der Eigentümer, sagt sie, doch für | |
| die laufenden Betriebskosten müsse sie selbst aufkommen. Auch ihre | |
| Versicherung zahle die Ausfallkosten nicht, da kein konkretes | |
| Schadenereignis – ein Brand oder ein Einbruch – vorliege. 10.000 Euro | |
| koste der Ausfall des Tagesgeschäfts jeden Monat, den das Restaurant | |
| geschlossen hat. Zwei sind schon vergangen, mindestens ein weiterer Monat | |
| wird noch vergehen, bis die Arbeiten erledigt sind. | |
| ## Hilfe von der Stammkundschaft | |
| Nun soll Crowdfunding helfen, die entstehenden Kosten zu reduzieren und so | |
| das Restaurant vor dem finanziellen Aus zu bewahren. Es gebe eine große | |
| Stammkundschaft, betont Lotzmann. „Warum sollte man die nicht fragen, ob | |
| sie mit daran interessiert ist, dass es uns so weiter gibt?“ Von einem | |
| privaten Investor will sie sich nicht abhängig machen. Um den Tisch herum | |
| stehen Stühle und Küchenmöbel dicht an dicht. Am Fenster kleben Plakate für | |
| die Kampagne. | |
| Ohne viel Planungszeit hatte Lotzmann diese Anfang Februar gemeinsam mit | |
| ihren MitarbeiterInnen gestartet. „Man fällt da halt so rein, und dann ist | |
| das wie das abenteuerreichste Praktikum ohne Praktikumsbetreuer“, erzählt | |
| die 43-Jährige. Doch sie sei optimistisch, auch wegen des positiven | |
| Feedbacks. „Wir kriegen irrsinnig viele Mails, was total schön ist und was | |
| viel Wind in den Segeln ist, um das durchzustehen.“ Einige StammkundInnen | |
| kämen auch zu ihr, nur um ihr zu sagen: „Dit jeht jar nich, wenn et euch | |
| nich mehr jibt!“, erinnert sich Lotzmann lachend. | |
| Und der Optimismus scheint berechtigt. Innerhalb der ersten zehn Tage der | |
| Kampagne kam bereits die Hälfte des benötigten Mindestbetrags von 21.500 | |
| Euro zusammen. „Das ist total überwältigend“, freut sich Lotzmann. Sie sei | |
| begeistert über jede noch so kleine Spende. Zwei Wochen bleiben dem Team | |
| noch für den Restbetrag, sonst zahlt die Plattform Startnext das Geld an | |
| die UnterstützerInnen zurück – das ist der Deal. | |
| ## Mehr als 14 Millionen Euro Spenden 2017 | |
| Nicht immer funktioniert Crowdfunding nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. | |
| Auf der Plattform Betterplace, die wie Startnext ihren Sitz in Berlin hat, | |
| können gemeinnützige Organisationen über Onlinekampagnen Spenden für | |
| konkrete Projekte sammeln. Einen zu erreichenden Mindestbetrag gibt es | |
| nicht. Auch ist der Finanzierungszeitraum nicht begrenzt. Erhält ein | |
| Projekt regelmäßig Spenden, kann eine Kampagne über mehrere Jahre hinweg | |
| laufen. Erst wenn Projekte offiziell beendet sind oder lange Zeit keine | |
| Spenden mehr generieren, beendet Betterplace in Absprache mit den | |
| Organisationen die Kampagnen. | |
| Für Björn Lampe aus dem Vorstand von Betterplace liegt darin der zentrale | |
| Unterschied zwischen dem Konzept des Spendens und dem Crowdfunding auf | |
| Startnext. Für Spenden darf es keine Gegenleistung geben. Daher dürfen | |
| Kampagnen auf Betterplace auch keine Geschenke zum Dank versenden. | |
| Lediglich eine Spendenquittung wird ausgestellt. Mehr als 25.000 Projekte | |
| in 180 Ländern haben seit dem Start vor zehn Jahren ihre Spenden über die | |
| Plattform gesammelt oder sammeln noch. | |
| Ob Hilfe für Brandenburger Eichhörnchen oder Trinkwasserversorgung in | |
| Äthiopien – die Spanne der Projekte reicht von kleinen, lokalen Vereinen | |
| bis zu großen, international agierenden Hilfsorganisationen. Allein im | |
| vergangenen Jahr sind mehr als 14 Millionen Euro über die Plattform | |
| zusammengekommen. Wer spendet, tut das für ein Anliegen, zu dem bereits ein | |
| persönlicher Bezug besteht, erklärt Lampe die Motivation der SpenderInnen. | |
| Viele kämen mit einem solchen Anliegen auf die Website, seien jedoch noch | |
| auf der Suche nach konkreten Projekten. „Seit Jahren sind Kategorien wie | |
| Kinder, Bildung oder auch Tiere immer sehr erfolgreich. Die letzten zwei, | |
| drei Jahre natürlich auch das Thema Geflüchtete.“ Onlineplattformen | |
| ermöglichen es den Projekten nun, auch Interessierte über die lokale Ebene | |
| hinaus anzusprechen. Dennoch, wer seine Umgebung gut kennt und weiß, wo | |
| Finanzierungsbedarf liegt, dem fällt der Einstieg in eine | |
| Crowdfunding-Kampagne leichter. | |
| ## Alternative zu klassischen Finanzierungsmodellen | |
| Das weiß auch Ahmad Denno, Gründer des Berliner Magazins Eed Be Eed. Das | |
| Projekt, in dem Geflüchteten auf Arabisch Themen aus dem deutschen Alltag | |
| nähergebracht werden, startete mithilfe von Crowdfunding. Seit Februar 2017 | |
| ist das Magazin online, seit vergangenem Dezember erscheint monatlich auch | |
| eine gedruckte Version. Fast 10.000 Euro kamen bei der Kampagne zusammen, | |
| 4.000 Euro mehr als der Mindestbetrag. | |
| Denno, der sich zuvor bereits ehrenamtlich für Geflüchtete engagiert hatte, | |
| sah den Bedarf nach einer barrierefreien Quelle von Informationen über | |
| Alltag und Leben, aber auch Regeln und Gesetze in Deutschland. „Nichts | |
| davon war auf Arabisch, also hatte ich die Idee, eine Plattform zu gründen, | |
| all diese Informationen zu sammeln und für Arabisch sprechende Menschen in | |
| Deutschland zur Verfügung zu stellen“, berichtet Denno, der selbst aus | |
| Syrien nach Deutschland geflohen war. | |
| Mittlerweile arbeiten 35 Ehrenamtliche an dem Projekt, 80 Prozent von ihnen | |
| sind Geflüchtete. Heute erhält Eed Be Eed, was auf Deutsch Hand in Hand | |
| bedeutet, Fördermittel des Bezirksamts Pankow und kooperiert unter anderem | |
| mit der Jugendpresse Deutschland e. V. und der Bundeszentrale für | |
| politische Bildung. | |
| An öffentliche Fördergelder zu kommen ist jedoch nicht einfach, wie es Lilo | |
| und Nanette vom SO36 feststellen mussten. Für die Kultur- und Musikszene | |
| bietet Crowdfunding daher die Möglichkeit, unabhängig arbeiten zu können in | |
| einer Zeit, in der es verlockende Labelverträge eh kaum noch gibt. Fast ein | |
| Viertel aller 294 Berliner Projekte auf Startnext im vergangenen Jahr | |
| hatten mit Musik zu tun. | |
| ## Crowdfunding im öffentlichen Sektor sinnvoll? | |
| Für Ines Zimzinski vom Deutschen Crowdsourcing Verband könnte Crowdfunding | |
| in der Zukunft aber noch mehr sein als die Finanzierung von Alben junger | |
| Berliner Bands. Sie stellt sich das System auch für die Finanzierung | |
| öffentlicher Projekte vor. „Gerade wenn wir über Bürgerbeteiligung | |
| nachdenken, gerade wenn wir über Verantwortung nachdenken, gerade wenn wir | |
| über unsere Stadt nachdenken, ist Crowdfunding für Berlin eine | |
| Wahnsinnschance.“ BürgerInnen könnten für ihre Anliegen werben und einen | |
| Teil der benötigten Summen über die Crowd zusammentragen. | |
| Zwar schätzt Zimzinski die Chancen für ein solches Modell in Berlin als | |
| sehr gering ein, für sie wäre es jedoch eine Form der Mündigkeit als | |
| Bürgerin. Einem solchen Bürgerfonds kritisch gegenüber steht dagegen | |
| Dorothea Kübler, Direktorin der Abteilung Verhalten auf Märkten am | |
| Wirtschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Bei allen Vorteilen sei | |
| Crowdfunding als Form der Finanzierung nicht universell einsetzbar. | |
| Gerade die Übertragung des Konzepts auf staatliche Aufgaben hält Kübler für | |
| problematisch. „Man kann sich natürlich vorstellen, dass das in bestimmten | |
| wohlhabenden Bezirken vielleicht funktioniert, aber nicht in den anderen.“ | |
| Der vermehrte Einsatz von privaten Geldern in öffentlichen Projekten führe | |
| zu verstärkter Diskriminierung. Dort, wo das Geld knapp ist, würden die | |
| Schwimmbäder auch weiterhin verrotten. | |
| Zu hoffen, dass der Gemeinschaftssinn der Menschen ausgleichend wirke, | |
| scheint fraglich. Schließlich ist es doch der persönliche Bezug zu einem | |
| Projekt, der das Geld im Portemonnaie lockert. Oder die Gegenleistung, die | |
| Dankesmail als ein digitaler Ablassbrief. Die Frage, wo Egoismus aufhört | |
| und Altruismus beginnt, hält Kübler an dieser Stelle für müßig. „Wir sind | |
| soziale Wesen und wir leben davon, dass andere uns anerkennen und dass wir | |
| uns selbst achten“, sagt die Professorin. Sie sei da pragmatisch: Wenn | |
| jemand etwas Gutes tue, dann mache er zunächst einmal etwas Gutes. | |
| 7 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Horn | |
| Daniel Stoecker | |
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