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# taz.de -- Streit nach den Koalitionsverhandlungen: Gabriel ist sauer
> Der scheidende Außenminister Sigmar Gabriel kritisiert den respektlosen
> Umgang in der SPD. Er wirft Schulz Wortbruch vor.
Bild: Mit der Freundschaft zwischen den beiden wird das wohl nichts mehr
Berlin afp/dpa/rtr | Der scheidende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel
(SPD) ist in scharfer Form mit seiner Partei ins Gericht gegangen. Der
frühere SPD-Chef bedauerte in einem Interview mit den Zeitungen der Funke
Mediengruppe, dass er die Leitung des Auswärtigen Amtes abgeben soll, und
kritisierte einen respektlosen Umgang in seiner Partei.
„Ich habe das Amt des Außenministers gern und in den Augen der Bevölkerung
offenbar auch ganz gut und erfolgreich gemacht“, sagte Gabriel den
Funke-Zeitungen. „Und da ist es ja klar, dass ich bedauere, dass diese
öffentliche Wertschätzung meiner Arbeit der neuen SPD-Führung herzlich egal
war.“
Der scheidende Minister betonte, dass er die Personalentscheidung nicht
kritisiere, da jede neue SPD-Führung das Recht auf die Neubesetzung von
Ministerposten habe. Politiker seien „Gewählte und keine Erwählten“. „W…
bleibt, ist eigentlich nur das Bedauern darüber, wie respektlos bei uns in
der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes
Wort noch zählt“, fügte Gabriel hinzu.
Ihm sei bewusst, dass in der Politik mitunter mit harten Bandagen
gestritten werde. „Aber es sollte mit offenem Visier erfolgen“, mahnte
Gabriel. Er warf der SPD-Spitze indirekt Unehrlichkeit vor: „Ich komme wohl
noch zu sehr aus einer analogen Welt, in der man sich nicht immer nur
umschleicht, sondern sich einfach mal in die Augen schaut und die Wahrheit
sagt.“ Dies sei anscheinend „aus der Mode gekommen“.
Zu seiner persönlichen Zukunft sagte Gabriel, für ihn beginne „jetzt eine
neue Zeit“. „Zuhause freuen sich schon mal alle darauf“, fügte der
Familienvater hinzu. Seine kleine Tochter Marie habe ihm am
Donnerstagmorgen gesagt: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du
doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren
im Gesicht.“
## Karriere noch nicht zu Ende
Aus Sicht von Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) ist Gabriels
Karriere noch nicht zu Ende. Gabriel habe großartige Arbeit geleistet,
sagte Weil bei einer SPD-Klausur bei Hannover, allerdings noch in
Unkenntnis von Gabriels Interview. „Ich bin sicher, wir werden weiter von
ihm hören. Das ist nicht das Ende seiner politischen Arbeit und auch nicht
seiner politischen Karriere.“
Nach vielen Alleingängen und einer gewissen Sprunghaftigkeit hatte Gabriel
vor der Abgabe des SPD-Vorsitzes massiv an Vertrauen in der Partei
verloren. Der Mann aus Goslar verzichtete am Ende zugunsten Schulz' auch
auf die Kanzlerkandidatur. Seine wiederholte Kritik an der SPD und ihrer
Wahlkampagne ließ ihn noch einsamer werden.
Der SPD-Politiker Ulrich Kelber äußert Verständnis für die Kritik an der
SPD-Parteiführung. „Man kann nicht leugnen, dass vonseiten der SPD-Spitze
seit dem 24. September strategische Fehler gemacht worden sind“, sagt
Kelber dem BR. Man solle aber die Führungsfrage nicht mit der Abstimmung
über den Koalitionsvertrag vermischen.
Auch Schulz wird nach dem anstehenden SPD-Mitgliedervotum über den
Koalitionsvertrag mit der Union den Parteivorsitz abgeben, an
Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles. Sie hatte als Generalsekretärin
unter dem Agieren des damaligen Vorsitzenden Gabriel gelitten und hat daher
laut Parteikreisen kein Interesse daran, dass er Minister bleibt. „Ich bin
Martin Schulz persönlich dankbar. Ich habe schon Anderes in unserer Partei
erlebt“, hatte sie am Mittwoch in der Pressekonferenz zur Übernahme des
Vorsitzes gesagt.
## Es geht um Inhalte
An der Basis wächst aber die Kritik, da Schulz mehrere Wenden und
Wortbrüche vollzogen hat – etwa bei den Aussagen, dass es keine große
Koalition mit ihm gebe und er kein Minister werden wolle. Außerdem hatte er
stets betont, ihm gehe es nur um Inhalte, nicht um Posten – nun sieht es
aus, als wolle er mit dem Amt des Außenministers seine Karriere in Berlin
retten. Mit Spannung werden die Reaktionen an der Basis bei den Debatten
zum Mitgliederentscheid über die große Koalition erwartet.
Auch in der CDU gibt es nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen
zunehmend Kritik an Merkel, da die Partei Schlüsselressorts wie Finanzen
und Innen an SPD und CSU abgibt. „Die Unzufriedenheit ist sehr groß an der
Basis der CDU“, sagte der Chef der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union,
Paul Ziemiak. Das gelte gerade in Hinblick auf den Verlust des
Finanzministeriums für die Partei.
Auch Vertreter des Wirtschaftsflügel der CDU kritisieren die
Ressortverteilung. „Mit dem Sozial- und dem Familien-Ressort gehen zwei der
ausgabenträchtigsten Ministerien an die SPD“, sagte Wolfgang Steiger,
Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates. In ein ähnliches Horn stößt der
Bundesvorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), Carsten
Linnemann. Die Aufteilung gehe „mitten ins Mark der CDU“, kritisierte er.
„Die Verteilung der Ministerien lässt jede Ausgewogenheit vermissen.“
Zunehmend werden auch Stimmen laut, die dazu aufrufen, sich auf die Zeit
nach einem Abgang der derzeitigen Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela
Merkel vorzubereiten. „Wir müssen uns in der CDU schon jetzt überlegen, wie
wir uns ohne Merkel personell neu aufstellen“, sagte der CDU-Abgeordnete
Klaus-Peter Willsch der Rheinischen Post. „Denn diese Legislaturperiode
kann auch sehr schnell vorbei sein“, begründete er laut Vorabbericht seinen
Appell.
9 Feb 2018
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Sigmar Gabriel
Koalitionsverhandlungen
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Martin Schulz
Kanzlerkandidatur
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