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# taz.de -- Kommentar #DieseJungenLeute: Nicht lamentieren! Zurückschlagen!
> Juso-Chef Kühnert wird wegen seiner Jugend in Talkshows herabgewürdigt.
> Andere Nachwuchspolitiker schildern ähnliche „Diskriminierungen“.
Bild: Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert
Es gibt ein Problem: Junge Politiker werden von alten Haudegen herablassend
behandelt. Und es gibt dazu ein Hashtag: #DieseJungenLeute. Und wenn ein
Problem ein Hashtag bekommt, muss es auch wichtig sein. Angefangen hat
alles in einer Talkshow. Der Publizist Albrecht von Lucke hat den
Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert geduzt – live im Fernsehen. Der 28-jährige
Kühnert kämpft derzeit ziemlich öffentlichkeitswirksam gegen einen
SPD-Eintritt in die Große Koalition und ist deshalb gern gesehener Gast bei
Lanz und Konsorten.
Vergangenen Donnerstag saß er [1][bei Maybritt Illner]. Dort wetterte also
besagter von Lucke gegen Kühnert und dessen Anti-Groko-Engagement.
Insgeheim wolle der Juso-Mann ja gar nicht gewinnen. Falls doch, „wärst
(Du) nichts anderes als der Boris Johnson der deutschen Politik. Nichts
anderes wärst Du! Nichts anderes!“, rief von Lucke Kühnert entgegen.
Darauf hätte man natürlich einfach „Spuck mich nicht an, alter Mann“
antworten können, aber der Herr Kühnert ist ja bekanntlich ein sachlicher
Politiker – zumindest steht das in fast jedem der zahlreichen Porträts, die
in den vergangenen Wochen in den deutschen Medien über ihn veröffentlicht
wurden.
Zugegeben: Albrecht von Lucke und Co. sind Kühnert wegen seiner Jugend in
der Tat untergriffig angegangen. Moderatorin Illner sprach ihn zudem
mehrfach mit dem Namen Kleinert an. Kühnert korrigierte ohne Groll – und
damit hätte man die ganze Geschichte auch vergessen können.
Doch dann kam das Hashtag. Unter #DieseJungenLeute twittern seit einigen
Tagen Jungpolitiker über ihre Diskriminierungserfahrungen. „Wenn der
Kollege in der ersten Ausschusssitzung nicht mit dir, sondern mit deinem
Referenten spricht, weil der älter ist …“, twittert zum Beispiel Moritz
Körner, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in NRW.
## Ein bisschen Gerontokratie
Die Linksjugend-Bundessprecherin Sarah Rambatz [2][schreibt]: „Du wirst
politisch aktiv, sammelst Unterschriften, entdeckst Veganismus, meldest
Demonstrationen an, blockierst Naziaufmärsche, arbeitest in einer
Landtagsfraktion mit, nimmst an Bundesparteitagen teil, aber du sollst
immer noch zu unerfahren für die Politik sein.“
Auffällig: Die meisten Beschwerden kommen von Grünen-Politikern. In der
Partei, die mit [3][ihrer Mitgliederstruktur] sozioökonomisch die
privilegiertesten Teile der Gesellschaft widerspiegelt, fühlen sich die
Nachwuchskräfte besonders diskriminiert – wegen eines – etwa im Vergleich
mit Rassismus und Sexismus – derart trivialen Diskriminierungsmerkmals wie
der Jugendlichkeit.
Dabei kann ein bisschen Gerontokratie gar nicht schaden. So mancher
väterlicher Ratschlag stimmt nämlich. Zum Beispiel: „Mit deiner
jugendlichen Radikalität wirst du in der Politik niemals etwas erreichen.
Das wirst du noch lernen.“ Diesen Ratschlag erhielt Lasse Petersdotter, der
für die Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein sitzt.
Ein guter Tipp, den auch Kevin Kühnert irgendwann wird befolgen müssen,
wenn er in seiner Partei höhere Ämter anstrebt. In dieser Hinsicht kann er
viel von Andrea Nahles lernen, die als Juso-Vorsitzende noch flammend gegen
die Agenda 2010 wetterte und dann als Arbeitsministerin die Sanktionen
gegen Hartz-IV-Empfänger noch [4][verschärfte].
Es ist schwer vorstellbar, dass Nahles diesen Posten in einer großen
Koalition erhalten hätte, wenn sie ihre Haltung aus der Zeit als Chefin der
Jungsozialisten nicht revidiert hätte. Aktuell wirbt sie übrigens flammend
für die GroKo – natürlich nur zum Wohle der Menschen und nicht um die
eigenen Ämter zu halten.
Anyway: Der Rat des blutjungen Autors dieser Zeilen an Nachwuchspolitiker,
die von alten Apparatschiks und TV-Unterhaltern unterdrückt werden: Schlagt
doch einfach mal zurück!
Wenn ein greiser Fraktionskollege sagt: „Ich dachte Sie seien der
Praktikant“, könnte die Antwort lauten: „Und ich dachte, Sie wären mein
Opa. Aber der hat sich besser gehalten – und ist seit drei Jahren tot.“
25 Jan 2018
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=9ssfJYuRwV8
[2] https://twitter.com/SarahRambatz/status/955907753670832131
[3] http://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/zahlen-und-fa…
[4] /!5336815/
## AUTOREN
Jörg Wimalasena
## TAGS
SPD
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Martin Schulz
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