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# taz.de -- Kolumne Balkongespräche: Ein Einbruch mit lehrreicher Wirkung
> Nach einem Wohnungseinbruch ruft die Nachbarin die Polizei. Doch zu einem
> besseren Menschen macht sie das noch lange nicht.
Bild: Nur eine Urban Legend: Im Leipziger Stadtteil „Danger-Crottendorf“ so…
Meine Nachbarin hat sich Karmapunkte verdient. In der vergangenen Woche
haben sich in meiner Abwesenheit Einbrecher Zugang zu meiner Wohnung
verschafft. Als sie die Wohnungstür aufgebrochen haben, hat das offenbar
einen derartigen Lärm verursacht, dass meine Nachbarin herunterkam und
rief, ob alles okay sei. „Alles okay“, antwortete eine Männerstimme. Dann
hat meine Nachbarin die Einbruchspuren gesehen und die Polizei gerufen.
Die Einbrecher flohen mit meinem uralten Laptop, meiner Kamera und meiner
uralten Gitarre. Das war das erste Mal, dass mein karges Leben als freie
Journalistin etwas Gutes hatte: Ick hab ja nüscht von Wert, das man mir
klauen kann. Sehr beruhigend. Nur die aufgebrochenen Türen sind ärgerlich.
Besonders, weil mich meine Nachbarin ja noch beim Einzug gewarnt hat.
Damals hatte ich sie eigentlich nur gefragt, ob ich für einige Tage ihr
WLAN mitnutzen dürfe, bis meins eingerichtet worden sei. Als sie mir den
Zettel mit ihrem Passwort brachte, bat ich sie auf ein Glas Wein auf meinen
Balkon.
Das war unser erstes Balkongespräch: Am Anfang erzählte sie, dass ihre
Wohnung schimmelt, dass meine Vormieterinnen alle nach kürzester Zeit
ausgezogen seien und dass sich in der Wohnung neben ihr jemand erhängt und
sie den baumelnden Körper in der Fensterspiegelung der gegenüberliegenden
Häuser gesehen habe.
Danach schockt einen nichts mehr. Sie war auch die Erste, die mir den
Spitznamen meines Stadtteils nannte: Danger-Crottendorf. Weil hier die
Kriminalitätsrate so hoch sei. Das stimmt gar nicht: Nach einer Statistik
aus dem Jahr 2016 liegt Anger-Crottendorf hinter allen Zentrumsteilen und
fast allen Hipsterbezirken. Was lernen wir daraus? Traue keiner Statistik,
die du selbst schöngeredet hast.
Den Rat sollte auch meine Nachbarin beherzigen: Damals erzählte sie mir
noch, dass sie das mit dem Holocaust ja so nicht glauben könne. Sechs
Millionen, niemals. Natürlich wählt sie auch die dazu passende Partei. Das
Karma durch ihre nachbarschaftliche Zivilcourage hat sie also durchaus
nötig.
4 Feb 2018
## AUTOREN
Helke Ellersiek
## TAGS
Schwerpunkt taz Leipzig
Leipzig
Kriminalität
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