# taz.de -- Von Betreuern und Betrügern: Weit unter Wert verkauft | |
> Ein Investor kauft alle Immobilien eines dementen Millionärs und | |
> Grünen-Mitbegründer. Gesetzliche Schutzmechanismen versagten. | |
Bild: Spekulationsobjekt Mietshaus … | |
Die Bauwerk Immobilien GmbH ist ein kleinerer Investor aus Hamburg, dem in | |
Berlin sensationelle Immobiliendeals gelangen. So kaufte er 2015 in bester | |
Kreuzberger Lage ein Gebäude mit 2.100 Quadratmetern für gerade mal 714 | |
Euro pro Quadratmeter, knapp 60 Prozent unter Wert. Wenige Monate später | |
gelang dem Investor ein vergleichbar gutes Schnäppchen in guter | |
Schöneberger Lage. | |
Um diese Preiswunder zu erklären, muss man etwas ausholen. Die Immobilien | |
gehörten alle dem damals schon dementen Dieter Trautmann, einem | |
langjährigen Menschenrechtsaktivisten, der nicht nur die Berliner Grünen | |
mitbegründete, sondern auch mit Immobilien ein Vermögen machte. | |
Als seine geistigen Kräfte nachließen, setzte er 2013 zwei Frauen als | |
Generalbevollmächtigte ein. Sie sollten seine Geschäfte für ihn wahrnehmen | |
und mit seinem Vermögen eine Stiftung gründen, als Unterstiftung der | |
Giordano-Bruno-Stiftung. Deren Sprecher, Dr. Michael Schmidt-Salomon, | |
bestätigt: „Für die Gründung der Trautmann-Stiftung für säkularen | |
Humanismus war alles vorbereitet – leider mussten wir davon absehen. Der | |
geistige Zustand Trautmanns hätte ein fragwürdiges Licht auf die Operation | |
geworfen.“ | |
Die zwei bevollmächtigten Frauen sollten eigentlich nach gemeinsamer | |
Absprache die Entscheidungen für Trautmann treffen, zerstritten sich aber | |
schnell. Die Fassbinder-Schauspielerin Elga Sorbas kannte Trautmann seit | |
dreißig Jahren. Die andere Frau, Marianne Wagner, betrieb das Freie Museum | |
in der Bülowstraße. Sie kannte Trautmann seit 2012. | |
## Von Berlin nach Marokko | |
Die Auseinandersetzung führten die zwei Frauen nicht nur in Berlin, sondern | |
auch auf weit entfernten Schauplätzen. Sorbas brachte Trautmann nach | |
Marokko Ende 2013, Wagner holte ihn von dort wieder zurück nach Berlin, im | |
Frühjahr 2014, gleichzeitig bekriegten sie sich mit Anwälten. Ende 2014 bat | |
ein neutraler Anwalt, ein sogenannter Verfahrenspfleger, der in manchen | |
Vollmachtsfällen aktiviert wird, das Gericht einzugreifen. | |
Tatsächlich setzte das Landgericht Berlin am 27. Januar 2015 einen Betreuer | |
ein zur „Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen gegenüber seinen | |
Bevollmächtigten“. Das ist die letzte Stufe der Kontrollmaßnahmen vor | |
Widerruf einer Vollmacht. Die Urteilsbegründung, die der taz vorliegt, | |
stellt Wagner als Gefahr für Trautmanns Vermögen und Gesundheit dar. | |
Zu diesem Zeitpunkt war Wagner schon mit Trautmann, den das Gericht als | |
„hochwahrscheinlich wegen einer fortgeschrittenen Demenz | |
geschäftsunfähige(n) Betroffene(n)“ beschreibt, seit Monaten nach Slowenien | |
gereist. Von dort aus verkaufte sie im Mai 2015 das Kreuzberger Gebäude an | |
der Reichenberger Straße an die Bauwerk GmbH, als Bevollmächtigte hatte sie | |
das Recht dazu. | |
Der Kaufpreis lag bei 1,5 Millionen Euro. Auf Basis der Mieteinnahmen des | |
Objekts an der Reichenberger Straße 125 wären 3,5 Millionen Euro angemessen | |
gewesen, die Bauwerk Immobilien GmbH erwarb also knapp 60 Prozent unter | |
Wert. Der Kaufvertrag und die Mietenübersicht liegen der taz vor. | |
## Traumdeal in der Tasche | |
Der vom Gericht eingesetzte Betreuer, der Rechtsanwalt Thomas Czaja, | |
versuchte den Kauf durch den Widerruf von Wagners Vollmacht zu verhindern. | |
Zu spät, der Verkauf war gültig, die Bauwerk hatte den ersten Traumdeal in | |
der Tasche. | |
Erst im Juni widerrief Czaja die Vollmacht von Marianne Wagner, auch die | |
von Elga Sorbas erlosch damit. Betreuer Czaja hatte jetzt allein die | |
Befugnis, für Trautmann zu handeln, das Gericht hatte seine Befugnisse | |
erweitert. Unter seiner Federführung wurden im Sommer 2015 die restlichen | |
Immobilien des Millionärs veräußert. Diesmal handelte es sich um ein Paket | |
von acht Schöneberger Objekten, verkauft für 313.000 Euro. Marktüblich | |
wären 650.000 Euro gewesen, kalkuliert auf Basis der der taz vorliegenden | |
Kaufverträge. Erstaunlicherweise war erneut eine Firma der Bauwerk-Gruppe | |
der Käufer und schlug wieder knapp 60 Prozent unter Wert zu. | |
Kaum hatte der Investor das Paket erworben – zwei Wohnungen und sechs | |
Keller –, reichte er die größte Wohnung für 320.000 Euro weiter. Es war die | |
von Trautmann. Gekauft hatte die Bauwerk für 1.554 Euro pro Quadratmeter, | |
verkauft für 3.400 Euro. | |
Die Transaktionen werfen bei Experten Fragen auf. Zum Investor befragt, | |
meint die Fachanwältin für Betreuungsrecht, Doris Schröder: „Weiß ein | |
Käufer – noch dazu Immobilienspezialist –, dass er eine Immobilie von einer | |
gerichtlich betreuten Person unter Marktwert kauft, liegt der Verdacht | |
nahe, dass zum Nachteil des Betreuten gehandelt wurde und der Käufer beim | |
Kauf bösgläubig war.“ Zur Rolle des Betreuers sagt Schröder, der Willen des | |
Betreuten stehe an oberster Stelle. Trautmann wollte sein Vermögen zur | |
Gründung einer Stiftung nutzen, eine Rückabwicklung der Verkäufe hätte | |
zumindest probiert werden müssen. | |
## Bestmöglich verkaufen, wenn überhaupt | |
Der Berliner Strafanwalt Wolfgang Klemm, im Fall genau unterrichtet, meint: | |
„Das vom Betreuungsrecht vorgesehene Kontrollsystem hat im Fall Trautmann | |
versagt. Die Vermögensbetreuungspflicht eines Betreuers wurde hier nicht | |
eingehalten.“ Laut Gesetz sollte betreutes Vermögen nur bestmöglich | |
verkauft werden, wenn überhaupt. Bei mehr als 50 Prozent unter Wert sei das | |
nicht der Fall. | |
Zu den Transaktionen meinte der Vertreter der Bauwerk-Gruppe, Michael | |
Reinecke, er erinnere sich nicht an die Einzelheiten, zu weit zurück liege | |
der Kauf. Im Übrigen sei die Bauwerk eine klassische Immobilienfirma, die | |
ihren Bestand wahre und niemals verkaufe. In der Reichenberger Straße | |
werden derzeit von der Berlin Blau GmbH, einer weiteren Firma der Bauwerk, | |
Flächen zur Miete angeboten. | |
Über ihren Anwalt Dr. Michael Gropp ließ Marianne Wagner ausrichten, es sei | |
alles korrekt abgelaufen, alle Immobilien wurden auf Wunsch von Trautmann | |
verkauft. Der Anwalt ist auch der des Investors Bauwerk. | |
Der Betreuer Thomas Czaja berief sich auf seine Schweigepflicht, da | |
Trautmann kürzlich verstorben sei. Nur etwaige Erben könnten ihm die | |
Erlaubnis geben, sich zu äußern. | |
Elga Sorbas ist zutiefst enttäuscht, dass sie einem langjährigen Freund | |
dieses schwere Schicksal nicht ersparen konnte. | |
Dieter Trautmann verstarb am 12. Januar im Alter von 80 Jahren in einem | |
Berliner Krankenhaus. Er hatte zuvor anderthalb Jahre in einem Zehlendorfer | |
Hospiz verbracht. Von den Ereignissen, die sein Vermögen auslöste, dürfte | |
er kaum noch etwas mitbekommen haben. | |
7 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Adrian Garcia-Landa | |
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