# taz.de -- Türkische Offensive gegen Kurden: 5.000 Menschen fliehen aus Afrin | |
> Die Menschen suchen in den umliegenden Dörfern und in Aleppo Zuflucht. | |
> Die Türkei will die „Operation Olivenzweig“ in Nordsyrien noch ausweiten. | |
Bild: „Operation Ölzweig“, was für ein euphemistischer Einsatzname | |
ISTANBUL/NEW YORK/BERLIN dpa | Angesichts der türkischen [1][Offensive] | |
gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien sind nach UN-Schätzungen rund 5.000 | |
Menschen aus der kurdischen Enklave Afrin in umliegende Dörfer geflohen. | |
Weitere 1.000 Menschen seien in Viertel der syrischen Stadt Aleppo | |
vertrieben worden, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric am Dienstag. | |
Humanitäre Helfer seien sehr besorgt über das Schicksal von rund 324.000 | |
Menschen in der von der YPG kontrollierten Region. Ankara drohte | |
unterdessen mit der Ausweitung des Einsatzes auf weitere kurdisch | |
kontrollierte Gebiete. | |
Die türkische Armee hatte die „Operation Olivenzweig“ am Samstag begonnen | |
und YPG-Stellungen in der Region Afrin mit Artillerie und aus der Luft | |
angegriffen. Am Sonntag folgte eine Bodenoffensive. | |
Seit Beginn der türkischen Offensive wurden nach Angaben der Armee | |
zahlreiche gegnerische Kämpfer getötet. Mindestens 260 „Angehörige von | |
Terrororganisationen“ seien „neutralisiert“ worden, teilte der Generalstab | |
in Ankara am Dienstagabend mit. Mit „neutralisiert“ ist im Sprachgebrauch | |
türkischer Sicherheitskräfte in der Regel getötet gemeint, der Begriff kann | |
aber auch verletzt oder gefangen genommen bedeuten. Eine Bestätigung der | |
YPG zu diesen Zahlen lag nicht vor. | |
Die Streitkräfte bestätigten, bei Gefechten in Syrien seien am Dienstag ein | |
Soldat getötet und ein weiterer verletzt worden. Ein weiterer Soldat war | |
bereits am Montag getötet worden. | |
## Operation nur gegen Terroristen | |
Die Armee betonte, die Operation richte sich ausschließlich gegen | |
Terroristen. Man unternehme alle Anstrengungen, um die Zivilbevölkerung zu | |
schützen. Die YPG kontrolliert die Region Afrin und ist der syrische | |
Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die PKK ist in der | |
Türkei, der EU und in den USA als Terrororganisation eingestuft. Die YPG | |
ist zugleich Verbündeter der US-geführten Koalition gegen die Terrormiliz | |
Islamischer Staat (IS) in Syrien und wurde von den USA mit Waffen | |
ausgerüstet. | |
Die Waffen dürften aber nur zur Bekämpfung des IS benutzt werden, betonte | |
ein Sprecher des Pentagons in Washington am Dienstag: „Sollten wir Gruppen | |
oder Individuen sehen, die sich dieser Vereinbarung widersetzen, werden wir | |
dies untersuchen und gegebenenfalls Lieferungen einstellen.“ | |
Die Offensive ging am Dienstag weiter. Nach Angaben der syrischen | |
Beobachtungsstelle für Menschenrechte und kurdischen Kämpfern flogen trotz | |
schlechter Wetterbedingungen türkische Kampfjets über das Gebiet um Afrin. | |
Ein kurdischer Sprecher berichtete von Artillerie-Beschuss im Norden der | |
Region. Die Menschenrechtler berichteten weiter, dass auch Kurdengebiete in | |
der Stadt Kamischli im Nordosten Syriens von der Türkei aus beschossen | |
wurden. Dabei seien zwei Kinder verletzt worden. Die türkische Zeitung | |
Hürriyet berichtete, die in der Grenzprovinz Mardin stationierten Soldaten | |
hätten damit auf Beschuss von kurdischen Milizen aus Syrien reagiert. Von | |
offizieller Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung. | |
Nach Angaben der Menschenrechtsbeobachter wurden seit Beginn der Offensive | |
mindestens 100 Menschen getötet, darunter 23 Zivilisten und mehrere Kämpfer | |
auf beiden Seiten. Zudem wurden nach offiziellen Angaben zwei türkische | |
Soldaten getötet. Der Sprecher von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, | |
Ibrahim Kalin, erklärte am Dienstag, der Einsatz ginge weiter „bis die | |
separatistische Terrororganisation von der Region vollständig gesäubert | |
wird.“ Ziel sei zudem, dass die rund 3,5 Millionen syrischen Flüchtlinge in | |
der Türkei in ihr Heimatland zurückkehren könnten. | |
Unterdessen gehen die türkischen Behörden gegen Kritiker der | |
Militäroperation im eigenen Land vor. Es gab Berichte von zahlreichen | |
Razzien und Festnahmen. Davon waren auch Journalisten betroffen. | |
## Macron telefoniert mit Erdoğan | |
Angesichts der Lage in den Kurdengebieten gibt es weiterhin international | |
Besorgnis, auch mit Blick auf das Bürgerkriegsland Syrien. Frankreichs | |
Präsident Emmanuel Macron äußerte sich in einem Telefonat mit Erdogan | |
besorgt über die Militäroffensive der Türkei. Er habe im Gespräch mit | |
Erdogan an die Notwendigkeit erinnert, gegen den IS und „alle anwesenden | |
Dschihadisten-Kräfte“ zu kämpfen, hieß es in einer Mitteilung des | |
Élyséepalastes. Zudem müssten „die notwendigen humanitären Bedingungen f�… | |
die Zivilbevölkerung“ sichergestellt und schließlich die Bedingungen für | |
eine dauerhafte politische Lösung im Bürgerkriegsland Syrien begünstigt | |
werden. | |
Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete am | |
Dienstagabend, Erdogan habe wegen der Militäroperation gegen die | |
Kurdenmiliz YPG in der Region Afrin auch mit dem russischen Präsidenten | |
Wladimir Putin telefoniert. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu | |
sagte nach Angaben von Anadolu, an diesem Mittwoch wolle US-Präsident | |
Donald Trump mit Erdogan telefonieren. | |
Die Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht forderte unterdessen den Abzug | |
der Bundeswehrsoldaten vom Nato-Stützpunkt im türkischen Konya. Die | |
Bundesregierung könne nicht ausschließen, dass die mit dort startenden | |
Awacs-Aufklärungsflugzeugen erhobenen Daten „für den Angriffskrieg“ | |
Erdogans gegen die Kurden in Syrien genutzt würden, sagte Wagenknecht den | |
Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Für einen Abzug sei es „höchste Zeit“. | |
Zudem forderte Wagenknecht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und | |
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, die deutschen Rüstungsexporte an | |
den NATO-Partner Türkei unverzüglich zu stoppen. | |
24 Jan 2018 | |
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