# taz.de -- Polens neuer Außenminister in Berlin: Erstmal Gutwetter machen | |
> Jacek Czaputowicz stellt sich am Mittwoch vor. Er schlägt konziliantere | |
> Töne an, wird aber die Haltung der Regierung gegenüber der EU wohl kaum | |
> ändern. | |
Bild: Jacek Czaputowicz unterzeichnet am 9.1. die Urkunde zu seiner Ernennung a… | |
Warschau taz | „Für mich sind Reparationsforderungen kein Thema“, bekannte | |
Polens neuer Außenminister Jacek Czaputowicz (61) kurz vor seinem ersten | |
Besuch am Mittwoch in Berlin. Der Politik-Professor, der seit Jahren im | |
Programmrat der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) sitzt | |
und vor ein paar Tagen zum neuen Chefdiplomaten Polens ernannt wurde, | |
dürfte damit einen Großteil seiner Parteianhänger vor den Kopf gestoßen | |
haben. Denn in den von der PiS gelenkten Staatsmedien sowie den parteinahen | |
Zeitungen sind Kriegsreparationen zur Zeit das Thema schlechthin. Doch | |
Czaputowicz, der natürlich weiß, dass Polen sieben Jahre lang | |
Reparationsleistungen erhalten hat und auch die Rechtslage gut kennt, sind | |
andere Ziele wichtiger. | |
Denn Polens Regierung steht ein schwieriges Jahr bevor. Die | |
antidemokratischen Maßnahmen der mit absoluter Mehrheit im Parlament | |
regierenden PiS sorgen nicht nur in Polen selbst, sondern mehr und mehr | |
auch im Ausland für Konflikte. Neben Prozessen vor dem Europäischen | |
Gerichtshof droht dem EU-Mitglied Polen auch ein Straf-Verfahren nach | |
Artikel 7 des Europäischen Vertrages, das bis zum Entzug des Stimmrechts im | |
europäischen Rat führen kann. | |
Die Situation war so verfahren, dass Parteichef Jaroslaw Kaczynski noch im | |
Dezember Regierungschefin Beata Szydlo absetzen und an ihrer Stelle den | |
Ex-Banker Mateusz Morawiecki installieren ließ. Anfang Januar mussten dann | |
bis auf Justizminister Zbigniew Ziobro alle umstrittenen Minister ihren Hut | |
nehmen, darunter auch Witold Waszczykowski, der bisherige Außenminister | |
Polens. | |
## Nazi-Vergleiche und freundliches Schweigen | |
Czaputowicz will bei seinem Amtskollegen Sigmar Gabriel (58) für die | |
Neuaufnahme des Dialogs werben. Denn wie bereits in den Jahren 2005 bis | |
2007, als die PiS schon einmal die Regierung Polens stellte und auf | |
Konfrontationskurs zu Deutschland ging, reagierte Berlin in den letzten | |
beiden Jahren mit freundlichem Schweigen. Hin und wieder versicherte ein | |
deutscher Politiker, dass die deutsch-polnischen Beziehungen großartig | |
seien, an „ein Wunder grenzten“ oder – wie es jetzt der deutsche | |
Botschafter in Warschau ausdrückte „wesentlich besser als ihr Ruf“ seien. | |
Doch bis zu den antideutschen Stimmungsmachern im Land dringt das kaum noch | |
durch. | |
So verglich Ryszard Czarnecki, stellvertretender Vorsitzender des | |
Europäischen Parlaments und PiS-Parteikollege von Czaputowicz, erst vor | |
kurzem eine deutsche Fernsehreporterin mit der Nazi-Regisseurin Leni | |
Reifenstahl, weil ihm die kritische Polen-Reportage für den | |
deutsch-französischen Kulturkanal ARTE missfiel. Der Protagonistin des | |
Films, Roza Gräfin von Thun und Hohenstein, die ebenfalls | |
EU-Parlamentarierin ist, warf er ihren angeheirateten deutschen Nachnamen | |
vor und verglich sie mit den „Schmalzowniks“, den polnischen | |
Nazi-Kollaborateuren und Judenverrätern im Zweiten Weltkrieg. | |
Polens neuer Außenminister distanzierte sich von seinem Parteikollegen: | |
„Ich verwende nicht die Sprache von Herrn Czarnecki.“ Auch wenn er Thuns | |
Analyse von einer „drohenden Diktatur in Polen“ für falsch halte, müsse m… | |
im Gespräch bleiben. Insgesamt solle die Temperatur in der öffentliche | |
Debatte mit den ständigen Nazi-Vergleichen runtergefahren werden. | |
Andererseits sei diese Form der öffentlichen Auseinandersetzung durch die | |
Pressefreiheit in Polen gedeckt. | |
## Diplomatische Lösungen für schwierige Fragen | |
Schwierige Fragen im deutsch-polnischen Verhältnis wie auch im Umgang mit | |
den Europäischen Institutionen sollten diplomatisch angegangen und gelöst | |
werden, so der Minister. Dies betreffe beispielsweise die deutsch-russische | |
Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee. „Schon Nord Stream 1 war ein | |
großer Fehler mit schlimmen für die EU“, sagt Czaputowicz. Die Deutschen | |
hätten mit dem Gasgeschäft die Modernisierung der russischen Armee | |
finanziert, die es Putin ermöglicht habe, Krieg in Georgien, der Ukraine | |
und Syrien zu führen sowie die Krim zu besetzen. | |
Dass auch Polen über 40 Prozent seinen Gases aus Russland bezieht sowie | |
gemeinsam mit der Ukraine jährlich rund drei Milliarden Dollar an | |
Durchleitungsgebühren durch die Land-Pipeline von Russland in den Westen | |
kassiert, ließ der Minister allerdings unerwähnt. | |
Letztlich wird Polens neuer Außenminister wohl etwas konziliantere Töne als | |
sein Vorgänger anschlagen, in der Sache aber keinen Schritt vor oder zurück | |
gehen. Dies gilt auch für die Flüchtlingsfrage. „Deutschland hat wie jedes | |
Land das Recht, Flüchtlinge oder Migranten zu sich einzuladen. Aber hat es | |
auch das Recht, sie in andere Länder einzuladen? Das ist doch sehr | |
zweifelhaft“. Ausnahmsweise sei er mit seinem Landsmann Donald Tusk, dem | |
EU-Ratsvorsitzenden, einer Meinung: „Das vor gut zwei Jahren in der EU | |
beschlossene Umverteilungsverfahren mit festen Quoten ist tot.“ Kein | |
einziges Land in der EU habe seine Quote erfüllt. Warum also sollte Polen | |
es tun? | |
17 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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