# taz.de -- Landesweite Proteste in Tunesien: Hunderte Festnahmen in der Nacht | |
> Seit 2011 wurden in Tunesien weitgehende demokratische Reformen | |
> eingeleitet. Doch Jobs gibt es immer noch nicht genug. Nun flammen wieder | |
> Proteste auf. | |
Bild: Die Polizei versucht am 9. Januar in Tebourba ein von Demonstranten entfa… | |
TUNIS dpa | Die Bilder sind fast die gleichen wie vor sieben Jahren. Damals | |
standen jungen Menschen auf der Avenue Bourguiba, der Prachtstraße im | |
Zentrum von Tunis, und forderten den „Sturz des Regimes“ – heute fordern | |
sie den „Sturz des Finanzgesetzes“. Die Demonstranten beklagen gestiegene | |
Preise und zu hohe Steuern. Bei nächtlichen Demonstrationen in | |
verschiedenen Orten des Landes kommt es zu Randale und Plünderungen. Die | |
Polizei greift hart durch. | |
Mehr als 600 Menschen wurden bei den teils gewaltsamen Protesten in den | |
vergangenen Tagen nach Angaben des Innenministeriums festgenommen. Es | |
handele sich um Plünderer, die die sozialen Proteste gegen die Inflation | |
und das seit Jahresbeginn geltende Finanzgesetz ausnutzten, sagte ein | |
Sprecher des Innenministeriums. Allein in der Nacht von Mittwoch auf | |
Donnerstag seien 328 Menschen festgenommen worden, weil sie öffentliches | |
oder privates Eigentum beschädigt oder sich an Plünderungen beteiligt | |
hätten. | |
Bereits die dritte Nacht in Folge war es im ganzen Land zu vereinzelten | |
Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften gekommen. | |
Auch in Vororten der Hauptstadt Tunis setzte die Polizei wieder Tränengas | |
ein. Auf Videos, die in den Sozialen Netzwerken kursierten, ist zu sehen, | |
wie teils vermummte Menschen Straßensperren errichteten und anzündeten oder | |
Supermärkte ausräumten und Fernseher und andere Elektrogeräte | |
fortschleppten. | |
Ministerpräsident Youssef Chahed hatte zu Beginn der neuerlichen | |
Protestwelle die Menschen um Verständnis für die Einführung des neuen | |
Finanzgesetzes gebeten. Die Lage sei außergewöhnlich und das Land habe | |
Probleme. „Aber wir glauben, dass 2018 das letzte schwierige Jahr für die | |
Tunesier wird“, sagte Chahed. Die Steuererhöhungen würden helfen, die | |
Wirtschaft zu stabilisieren. Am Abend warf Regierungschef Chahed | |
kriminellen Netzwerken und Oppositionspolitikern vor, die Unruhen | |
anzustacheln. | |
## Hohe Arbeitslosigkeit, selbst bei Akademikern | |
Nach der Revolution 2011 hatte Tunesien weitreichende demokratische | |
Reformen eingeleitet und der Staat gilt als Musterland des sogenannten | |
„Arabischen Frühlings“. Doch das kleine nordafrikanische Land bekommt seine | |
großen wirtschaftlichen Probleme nicht in den Griff. Die Arbeitslosigkeit | |
ist hoch, fast jeder Dritte Hochschulabsolvent findet keine passende | |
Anstellung. | |
Die Staatsverschuldung ist auf knapp 70 Prozent des Bruttoinlandprodukts | |
gestiegen. Wichtige Investitionen bleiben aus, die Korruption grassiert. | |
Islamistische Organisationen versuchen, aus dieser Lage Profit zu schlagen, | |
was wiederum Investoren abschreckt. | |
Am kommenden Sonntag (14.1.) jährt sich der Jahrestag der Revolution zum | |
siebten Mal. Am 14. Januar 2011 hatte der langjährige Machthaber Zine el | |
Abidine Ben Ali nach 23 Jahren an der Spitze des Staates Tunesien | |
fluchtartig verlassen. Zuvor hatte es mehrwöchige Demonstrationen im ganzen | |
Land gegeben. Die Unruhen in Tunesien sprangen damals auch auf andere | |
arabische Staaten wie Ägypten und Syrien über, ohne dass dort die | |
Hoffnungen auf Liberalisierung und Demokratisierung erfüllt wurden. | |
11 Jan 2018 | |
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