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# taz.de -- Trüffelsuche in Frankreich: Immer der Nase nach
> Noch bis Februar dreht sich für Südfrankreichs Trüffelzüchter alles um
> ,,La mélano'‘. Der Edeltrüffel ist eine Diva unter den Pilzen.
Bild: Alain Prat ist fündig geworden
Mit einem Satz springt die Foxterrierhündin Lilou aus dem Auto. Ihr
Herrchen Alain Prat muss sie sofort an die Leine nehmen, sonst wird heute
nichts aus der Trüffelsuche. Kaum wittert Lilou einen Hasen oder einen
Fasanen, ist ihr Jagdinstinkt geweckt und die Trüffeln sind vergessen.
Alain Prat öffnet das Tor in dem Maschendrahtzaun, der die zwei Hektar
große Plantage aus Steineichen einzäunt. Er soll vor Wildschweinen
schützen, die gierig nach der schwarzen Edeltrüffel den Boden der
Eichenwälder durchwühlen. Es ist klirrend kalt an diesem Januartag im
Südosten Frankreichs. Eisiger Wind fegt durch die Baumkronen, doch der
Himmel ist strahlend blau.
Trüffelzüchter Alain Prat hat seine dunkelblaue Mütze tief ins Gesicht
gezogen. In seiner Umhängetasche stecken eine kleine Hacke und die
Belohnung für Lilou, wenn sie eine schwarze Trüffel gewittert hat. Zwischen
November und Februar, wenn die Edelpilze reif sind, ist er mehrmals in der
Woche mit Lilou für ein paar Stunden auf seinen Trüffelfeldern unterwegs,
in der Nähe des südfranzösischen Städtchens Uzès.
Der Weg führt durch die karge, braungrüne Garrigue-Landschaft aus niedrigen
Sträuchern und Steineichen. Dann geht es querfeldein, „Such, Lilou, such“,
treibt Alain Prat immer wieder seine Hündin an, in dem angefrorenen Boden
nach Trüffeln zu suchen. Sie bewegt sich gegen den Wind, der bringt ihr von
vorne den Trüffelgeruch, aber auch andere aufregende Gerüche, die sie
ablenken – nach Wild oder anderen Hunden.
## Eine feste Knolle
Plötzlich bleibt Lilou in der Nähe einer Steineiche stehen und markiert mit
einem Pfotenschlag eine Stelle in der hellbraunen Erde. Alain Prat holt
seine Hacke aus der Tasche und fängt an, im Boden zu graben. Ganz
vorsichtig, damit er die Trüffel nicht beschädigt. Die erste, die er an
diesem Tag rausholt, steckt nicht besonders tief in der Erde und ist
ziemlich klein. „Sieben bis acht Gramm. Dieses Jahr gibt es viele kleine
Trüffeln. Wenn der Sommer sehr trocken war, entwickeln sie sich nicht gut.“
Das Loch schüttet er wieder sorgfältig mit Erde zu, damit das feine
Wurzelgeflecht von Baum und Pilz erhalten bleibt und weitere Trüffeln
wachsen können. Die unscheinbare Knolle, die man auch leicht mit einem
Stein verwechseln könnte, steckt Alain Prat in seine Umhängetasche und holt
für Lilou ein Leckerli zur Belohnung heraus. Erst wenn die Knollen geputzt
und gewaschen sind, kommt Tuber melanosporum zum Vorschein, die schwarze
Edeltrüffel oder auch Périgord-Trüffel.
Eine feste Knolle, haselnuss- bis kartoffelgroß, die Oberfläche wie von
kleinen Warzen überzogen und mit einem Kilopreis von rund 1.000 Euro einer
der teuersten Speisepilze der Welt. Alain Prat ist auf seine Hündin
angewiesen, um Trüffeln zu finden. „Ich habe im Sand Trüffeln versteckt, in
wenigen Tagen hat sie es gelernt. Jetzt ist sie sechs Jahre alt, ruhiger,
ernsthafter, sie arbeitet wirklich gut.“ Mit ihrem feinen Geruchssinn kann
Lilou auch Trüffeln wittern, die 30 Zentimeter tief im Boden reifen. Ein
bisschen wie Tim und Struppi kommen Alain Prat und seine Hündin nur
gemeinsam ans Ziel. Und weil Lilou Tims Hund Struppi ziemlich ähnlich
sieht, heißt sie auch fast genauso. Lilou statt Milou, wie Struppi auf
Französisch heißt. Alain Prat gibt die grobe Richtung vor, Lilou leistet
die Feinarbeit. „Ich kenne meine Bäume, ich gehe nur zu denen, die Trüffeln
hervorbringen.“
Von rund 700 Steineichen, die hier gepflanzt wurden, sind es nur wenige
Dutzend. Und es sind immer dieselben. Obwohl alle Baumsetzlinge mit den
Sporen von Tuber melanosporum, der schwarzen Edeltrüffel, geimpft wurden.
Das ist eines der vielen Geheimnisse der schwarzen Trüffel. Niemand weiß,
warum manche Bäume Trüffeln hervorbringen und andere nicht. Manche
Trüffelzüchter gießen ihre Bäume, davon hält Alain Prat aber nichts. „Da…
gibt es vielleicht mehr Trüffeln, aber die Bäume produzieren nicht so
lange“, meint er.
## Wie Schatzsuche
„Warte, Lilou. Ich muss sie bremsen, damit sie die Trüffel nicht
beschädigt.“ Dieses Mal müssen Herrchen und Hündin deutlich tiefer graben,
bis sie fündig werden. Alain Prat ruft Lilou immer wieder zur Hilfe, sie
hat offenbar etwas gewittert, doch von einer Trüffel ist nichts zu sehen.
Mann und Hund arbeiten sich Zentimeter für Zentimeter vor, Lilou mit den
Vorderpfoten, Alain Prat mit seiner Hacke. Zwischendurch hält er sich das
Blatt der Hacke unter die Nase. Die Erde riecht nach Trüffel, es muss hier
etwas geben. Tatsächlich – in rund 20 Zentimetern Tiefe findet er die
Knolle, auch diese eher klein, entfernt Steinchen und die sandige Erde und
schüttet das Loch wieder zu.
Es ist ein bisschen wie Schatzsuche. Nie kann man im Voraus sagen, ob man
Trüffeln findet. Und schon gar nicht, wie viele. Oberirdisch verrät die
Trüffel kaum etwas von ihrer unterirdischen Existenz. Schlimmer noch: Sie
täuscht eine vor, wo gar nichts ist. Alain Prat zeigt auf kahle Kreise rund
um den Stamm der Trüffelbäume, wo kein einziger Grashalm wächst.
Davon gibt es viele in der Baumplantage. Ein Zeichen dafür, dass der Pilz
unterirdisch als fadenförmiges Geflecht existiert und eine Symbiose mit dem
Baum eingegangen ist. Ob der Pilz aber eine Frucht entwickelt – eine
Trüffel – ist völlig ungewiss. Bis heute weiß man nicht, wie diese
Fruchtbildung wirklich vonstatten geht. Deshalb ist es unmöglich, Trüffeln
anzubauen.
Und es dauert Jahre, bis etwas passiert. Wenn es ganz schnell geht, muss
man bei geimpften Bäumen nur sieben Jahre warten, bis sich Trüffeln
entwickeln. Realistisch seien aber eher 15 bis 20 Jahre, meint Alain Prat.
Die Baumplantage, auf der er mit Lilou unterwegs ist, haben er und sein
Vater vor rund 35 Jahren angelegt. Hier sind früher auch schon Trüffeln
gewachsen, doch als die alten Steineichen aufhörten, Trüffeln zu
produzieren, haben Alain Prat und sein Vater den Boden gerodet, damit der
Trüffelhain lichter wird, und neue Steineichen gepflanzt.
## Dramatischer Rückgang
Um von einem Trüffelfeld zum anderen zu kommen, geht es durch den Wald. Er
ist zugewachsen, auf dem Boden verrotten Baumstämme, das Unterholz ist
dicht. Alain Prat zeigt nach oben auf eine große Pinie. „Die Pinien breiten
sich aus und ihre Nadeln übersäuern den Boden“, erklärt er. Schlechte
Voraussetzungen für Trüffeln, die den Wechsel von Sonne und Schatten
brauchen, einen kalkhaltigen und nicht zu sauren Boden. „Früher wurden in
den Wäldern Viehherden gehalten, dadurch waren sie lichter“, erzählt er.
Die Bauernwälder, in denen auch Holz geschlagen wurde, die bewirtschaftet
wurden, waren gut für die Trüffeln.
Die Wälder gibt es nicht mehr, genauso wie es kaum noch Trüffeln gibt, die
nicht aus Baumplantagen mit geimpften Bäumen stammen. Überhaupt ist die
schwarze Trüffel dramatisch zurückgegangen. Ende des 19. Jahrhunderts
wurden in Frankreich noch zwischen 1.000 und 2.000 Tonnen jährlich aus dem
Boden geholt, heute sind es zwischen 30 und 50 Tonnen.
Ein Stück den Hang hinunter liegt ein Feld mit alten Steineichen, die
nicht mit Sporen geimpft wurden. ,,Weil ich hier hin und wieder noch
Trüffeln finde, lasse ich die Bäume stehen'‘, sagt Alain Prat. Der
pensionierte Lehrer und ehemalige Bürgermeister seines kleinen Wohnortes
ist nicht auf jede Trüffel angewiesen. Es gibt gute und schlechte Jahre und
planen kann man Trüffelzucht ohnehin nicht.
Für ihn, wie für die meisten anderen, ist es ein Nebenerwerb, und wie viele
Trüffelzüchter seiner Generation hat er es von seinem Vater gelernt und
übernommen. Der ging bis zum Ende seiner Tage auf Trüffelsuche, als er
längst mit aller anderen landwirtschaftlichen Arbeit aufgehört hatte.
Befragt nach seinen Kindheitserinnerungen an Trüffeln, erzählt Alain Prat
von Weihnachtsgeflügel, das mit 500 Gramm Trüffeln gefüllt war, und ein
Haus, auf dessen Türschwelle einem schon der erdige und eine Spur nussige
Duft von Trüffeln umgab.
„Heute muss ich meinen Kühlschrank weit öffnen, um das zu riechen.'‘ Für
500 Gramm Trüffeln muss man heute 500 Euro hinlegen. 1971, als sich die
Trüffelzüchter im Departement Gard zu einem Verband zusammenschlossen, um
unter anderem gegen den Rückgang der schwarzen Trüffel anzugehen, kostete
das Kilo 300 Francs, rund 50 Euro, erinnert sich Alain Prat.
Lilou ist wieder fündig geworden, dieses Mal ist die Trüffel ein bisschen
gebogen. Das gibt es selten, in dem sandhaltigen Boden entwickeln die
Edelpilze meistens eine schöne runde Form. „Sie riecht aber sehr gut“,
bemerkt Alain Prat. Ob sie wirklich reif ist, wird er später feststellen,
wenn er die Trüffel gebürstet und leicht angeschnitten hat. Sie muss innen
dunkel sein und von feinen, weißen Äderchen durchzogen.
Vierhundert Gramm Trüffeln wird Alain Prat heute aus dem Boden holen, kein
schlechter Tag, aber auch kein besonders guter. Im Jahr davor habe er das
Fünffache an Trüffeln gefunden, erzählt er. Die Hitze und Trockenheit des
Sommers haben den Trüffeln geschadet. Am nächsten Tag werden sie wieder
losziehen, Lilou vorneweg, Alain Prat hinterher.
20 Jan 2018
## AUTOREN
Miriam Freudig
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