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# taz.de -- Sexueller Missbrauch bei US-Turnern: Immer lauter werdende Stimmen
> Viele Athlet*innen klagen gegen den Ex-Teamarzt der US-Turner. Nun
> berichtet auch Olympiasiegerin Simone Biles vom Missbrauch durch Larry
> Nassar.
Bild: Simone Biles im Dezember 2017 in Houston
Simone Biles verknüpfte ihre Offenbarung der Ohnmacht mit einer
Kampfansage: „Ich habe mir geschworen, dass meine Geschichte größer wird
als das, und ich verspreche euch allen, dass ich niemals aufgeben werde.
Ich werde einem Mann und den anderen, die ihn haben gewähren lassen, nicht
erlauben, mir meine Liebe und Freude zu stehlen.“ Über Twitter und
Instagram berichtete Simone Biles am Montag, einer der vielen
„Überlebenden“ zu sein, die von Larry Nassar, dem früheren Teamarzt der
US-Turner, sexuell missbraucht worden sind. Und es war ihr dabei ein
Anliegen, zu zeigen, dass sie nicht als Opfer stigmatisiert werden möchte.
Diese schrecklichen Erfahrungen, schrieb sie, würden sie nicht definieren.
„Ich bin so viel mehr als das.“
Mit äußerster Zurückhaltung berichtet die Ausnahmeturnerin Biles, die mit
vier Goldmedaillen im Sommer 2016 zum Gesicht der Olympischen Spiele in Rio
wurde, von ihren Emotionen: „Die meisten von euch kennen mich als
glückliches, kicherndes und energiegeladenes Mädchen, aber in letzter Zeit
… habe ich mich ein wenig am Boden gefühlt.“
Mit der Entlassung von Nassar im September 2015 wurde einer der größten
Skandale des US-Sports erstmals öffentlich und die Ausmaße sind so immens,
dass die Aufarbeitung immer noch in den Anfängen steckt. Im November ist
der 54-jährige Nassar wegen des Besitzes von Kinderpornografie zu 60 Jahren
Haft verurteilt worden. Mehr als 37.000 Fotos und Videos
kinderpornografischen Inhalts hatten Ermittler auf seinem Rechner entdeckt.
Das erste von zwei anderen Verfahren, in denen es um den Missbrauch von
Minderjährigen geht, findet diese Woche im US-Bundesstaat Michigan statt.
130 Turnerinnen und Turner haben bislang gegen den Mediziner, der fast 30
Jahre lang für den Turnverband arbeitete, Zivilklagen eingereicht.
Das Beispiel Biles legt die Vermutung nahe, dass die Zahl der Klagen weiter
steigen wird. Die Ausnahmesportlerin berichtet von ihrer inneren
Zerrissenheit in der Vergangenheit, die es ihr erschwert hätten, mit ihrer
Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie habe zu lange nach ihrer
eigenen Verantwortung gefragt. „War ich zu naiv? War es meine Schuld?“ Sie
habe versucht, die immer lauter werdenden Stimmen in ihrem Kopf
auszublenden.
## Geld für's Schweigen
Nach Biles’ Erklärung teilte der US-Turnverband in einem Statement mit:
„Wir unterstützen unerschütterlich Simone und alle Athleten, die mutig
vorangehen und ihre Erfahrungen offenlegen. Wir sind für unsere Athleten
da.“
Eine weitere olympische Goldmedaillengewinnerin, McKayla Maroney, die
Mitte Oktober bereits wegen ihrer sexuellen Gewalterfahrungen mit Nassar an
die Öffentlichkeit ging, hatte allerdings dem Verband zur Last gelegt, ihr
Schweigegeld gezahlt zu haben, um Details des Skandal zu vertuschen. Nach
einem Bericht des Wall Street Journal hatte Maroney im Dezember 2016 in
einer außergerichtlichen Einigung 1,25 Millionen US-Dollar erhalten und
sich im Gegenzug verpflichtet, zu schweigen. Der Verband bestritt zwar
nicht die Abmachung, behauptete aber, das der Vorschlag vom Anwalt Maroneys
gekommen sei.
Über Jahre hatte der US-Turnverband die Anschuldigungen gegen Nassar als
Gerüchte abgetan. Das Verhalten der Funktionäre, sich auf wessen Initiative
auch immer überhaupt auf einen derartigen Deal eingelassen zu haben, kann
als Teilantwort der Frage bewertet werden, die Simone Biles aufwarf: „Wir
müssen wissen, warum das alles über so einen langen Zeitraum so viele
betreffen konnte?“ Die Kultur des Wegschauens und Vertuschens muss
angesichts der zahlreichen Fälle massiv verankert gewesen sein.
Mit Blick auf ihre nähere Zukunft und ihre Ziele für die nächsten
olympischen Sommerspiele teilte Biles mit: „Es bricht mir das Herz, wenn
ich daran denke, dass ich bei der Arbeit für meinen Traum von Tokio 2020
kontinuierlich an die Trainingsstätte zurückkehren muss, an der ich
missbraucht wurde.“ Der frühere US-Trainer Philip Garcia hat einmal über
Simone Biles gesagt: „Sie verfügt über eine unbändige Kraft, die
ihresgleichen in der Welt sucht.“
16 Jan 2018
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schwerpunkt #metoo
sexueller Missbrauch
Kinderpornografie
Turnen
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Golden Globes
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