# taz.de -- US-Steuerreform und Deutschland: Standortdebatte reloaded | |
> Gibt es jetzt einen globalen Steuersenkungswettlauf, weil die USA Firmen | |
> beschenken? Der ist doch längst im Gange. Das nutzt die deutsche | |
> Wirtschaft. | |
Bild: Ein Weihnachtsbaum vor dem Kapitol in Washington, darunter liegt das Steu… | |
BERLIN taz | Ein Gespenst geht um in Europa, sein Name: „Race to the | |
bottom“ – ein neuer Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze, ausgelöst von | |
der Steuerreform in den USA. Die beiden Kammern des US-Kongresses, | |
Repräsentantenhaus und Senat, haben dem großen Wahlversprechen von Donald | |
Trump, eine Senkung der Steuersätze, jetzt endgültig zugestimmt. Die Reform | |
sieht unter anderem vor, den Spitzensteuersatz zu senken, außerdem fallen | |
die Unternehmenssteuern ab Januar von 35 auf 21 Prozent. Die | |
oppositionellen US-Demokraten kritisieren das Gesetz als Geschenk an die | |
Wohlhabenden. | |
Viele Unternehmen in Übersee können nun aufatmen. Die große Angst vor | |
US-Protektionismus ist nämlich vorerst gebannt: Eine Grenzsteuer für | |
ausländische Unternehmen war schon lange vom Tisch. Auch die abgespeckte | |
Version, die sogenannte Excise Tax, ist jetzt weggefallen, die wie eine Art | |
Importsteuer für Vorleistungen und Produkte aus dem Ausland bei der Einfuhr | |
in die USA gewirkt – und wohl die Industrie Europas getroffen hätte. | |
Was die Reform für Deutschland bedeutet, ist befremdlich angesichts von | |
glänzenden Wirtschaftsdaten und den Rekordgewinnen der DAX-Unternehmen: | |
eine Steuersenkungsdebatte. „Die große amerikanische Steuerreform wird den | |
Standortwettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und Europa signifikant | |
verschärfen“, sagte gestern der Chefvolkswirt des Verbandes der Maschinen | |
und Anlagenbauer, Ralph Wiechers. | |
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, | |
Joachim Lang, sekundierte: „Das Gesetzespaket in den USA enthält mit | |
verbesserten Abschreibungsregelungen und Verschärfungen für | |
grenzüberschreitend tätige Unternehmen erhebliche Anreize, | |
Konzernfunktionen und Investitionen in die USA zu verlagern“, sagte er. Der | |
Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen sagte: „Der Steuerwettbewerb | |
wird fulminant angeheizt.“ Deutschland hat also wieder eine | |
Standortdebatte. Für mögliche Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD | |
wird das nicht nur dem CDU-Wirtschaftsflügel Auftrieb geben. | |
Aber was ist dran am Vorwurf, die USA würden einen Steuerwettlauf | |
initiieren? Der US-Ökonom Dean Baker, Gründer des Center for Economic and | |
Policy Research, eine Denkfabrik in Washington D.C., findet den Vorwurf | |
ungerechtfertigt: „Ihr habt in der EU doch selbst ein Problem mit | |
Niedrigsteuern. Irland hat einen Unternehmenssteuersatz von 12,5 Prozent, | |
und ihr macht nichts dagegen.“ Er warnt davor, der üblichen | |
Standortverlagerungsrhetorik der Industrie zu folgen. „Unsere Unternehmen | |
und eure Unternehmen machen doch alle das Gleiche. Sie erfinden ein | |
Problem, um besser behandelt zu werden“, sagt er. | |
## Auch in der EU fallen die Steuersätze | |
Tatsächlich ist der Steuersenkungswettlauf in Europa längst im Gang. | |
Belgien, Frankreich, Niederlande, Großbritannien, Norwegen Luxemburg, | |
Schweden, sie alle wollen Unternehmensteuern in den nächsten Jahren senken, | |
wie in einem [1][aktuellen Report des Tax Justice Network] zu lesen ist. | |
Die USA sind keine Ausnahme. Im Schnitt liegen die Unternehmenssteuern in | |
der EU bei 22 Prozent, in den USA jetzt bei 21 Prozent. | |
Die Frage ist ohnehin nicht, wie hoch die Steuersätze auf dem Papier sind, | |
sondern wie viele Steuern tatsächlich gezahlt werden – und da liegen die | |
USA schon heute, je nach Zahlen bei 22 bis 27 Prozent, für große | |
Unternehmen [2][oft unter 20 Prozent]. ExxonMobil zahlte zwischen 2008 und | |
2015 im Schnitt 13,6 Prozent, GE bekam sogar noch Geld vom Staat, statt | |
Steuern zu zahlen – [3][nachzulesen hier]. | |
In Deutschland zahlen Multinationale ebenfalls weniger als auf dem Papier. | |
Die Angaben schwanken, aber selbst der Industrieverband BDI kommt mit 26 | |
Prozent auf eine niedrigere Steuerquote als der nominelle Satz. Eine | |
tatsächliche Senkung der Unternehmenssteuern in Deutschland wie zuletzt | |
2008 dürfe momentan politisch kaum durchsetzbar sein. | |
Die Debatte, die bereits jetzt von den Wirtschaftsverbänden angestoßen | |
wird, ist deshalb eine andere: Der Fokus liegt darauf, vermeintlich lästige | |
und überflüssige Regeln abzuschaffen – zum Beispiel solche, die verhindern | |
sollen, dass Gewinne ins Ausland verlagert werden. Dabei sind diese in den | |
letzten Jahren mit vielen Mühen eingeführt worden. | |
21 Dec 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.taxjustice.uk/blog/tax-games-the-race-to-the-bottom | |
[2] https://americansfortaxfairness.org/tax-fairness-briefing-booklet/fact-shee… | |
[3] http://www.ips-dc.org/report-corporate-tax-cuts-boost-ceo-pay-not-jobs/ | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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