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# taz.de -- Meinungsfreiheit in Japan: Linke Zeitung unter Druck
> Der Chefredakteur der Zeitung „Jimmin Shimbun“ sitzt in Haft. Der
> Vorwurf: Er soll ein früheres Mitglied der Japanischen Roten Armee
> unterstützen.
Bild: Um mögliche Spenden für ihn geht es: Ex-Kader der Japanischen Roten Arm…
Tokio taz | Das harte Vorgehen der Polizei gegen eine Zeitung der Neuen
Linken hat in Japan Sorgen um die Meinungsfreiheit geschürt. Am 21.
November hatten mehr als 20 Beamte die Redaktionsräume der Jimmin Shimbun
(zu deutsch: „Volkszeitung“) durchsucht, sämtliche Computer beschlagnahmt
und Herausgeber und Chefredakteur Yoichi Yamada festgenommen. Am 12.
Dezember wurde der 60-jährige Journalist des Betrugs angeklagt. Er
verweigert jede Aussage zur Sache, wie es typisch für japanische Altlinke
ist, und bleibt in Haft.
Yamada soll im Februar 2012 ein japanisches Bankkonto in seinem Namen
eröffnet haben, auf das 10 Millionen Yen (74.000 Euro) an Spenden für das
Exmitglied der Japanischen Roten Armee (JRA), Kozo Okamoto, geflossen sein
sollen. Der heute 70-Jährige lebt seit 1985 in Beirut im Libanon. Dort
hoben Helfer mit einer zweiten Kontokarte das Spendengeld an einem
Automaten ab. Bei der Durchsuchung wollte die Polizei offenbar die Adresse
von Okamoto ermitteln und an die Abonnentenliste der Zeitung kommen. Der
Japaner wird wegen der Teilnahme an einem JRA-Selbstmordangriff im Mai 1972
auf dem internationalen Flughafen Lod von Tel Aviv bis heute in Japan
steckbrieflich gesucht. Bei dem Massaker starben 26 Menschen. Okamoto
überlebte als einziger der drei japanischen Angreifer.
Dennoch halten Beobachter die Beschlagnahme aller Computer der Jimmin
Shimbun für unverhältnismäßig. Offenbar wollte man die Journalisten damit
einschüchtern. Die Redaktion protestierte gegen die Razzia und die Anklage
gegen ihren Leiter und rief dazu auf, die Polizisten online zu
identifizieren. Auf der Plattform Change.org forderte eine Petition die
Freilassung von Yamada und kritisierte die Polizeiaktion als Anwendung des
neuen „Anti-Verschwörungs“-Gesetzes.
Es greift, wenn zwei oder mehr Personen sich dazu verabreden, eines von
insgesamt 277 Delikten zu begehen, und dafür bestimmte Vorbereitungen
treffen. Allerdings scheinen die Anklagebehörden diese neue Möglichkeit der
Strafverfolgung bei Yamada nicht anzuwenden, sondern sich auf den
Straftatbestand des Betruges zu beschränken. Der Vorwurf bezieht sich
darauf, dass Yamada die Weiterleitung des Geldes ins Ausland ermöglicht
haben soll, ohne den dafür vorgeschriebenen Antrag mit der Angabe des
Zweckes gestellt zu haben.
## Redakteure gelten als JRA-Sympathisanten
Die Jimmin Shimbun hat auch ohne ihre Computer weiter ihre üblichen drei
Ausgaben zum 5., 15. und 25. des Monats herausgebracht. Das Blatt wurde
1968 als Shinsayoku („Die Neue Linke“) in Osaka veröffentlicht und führt
den heutigen Namen seit 1976. Es veröffentlichte früher Ankündigungen und
Erklärungen der JRA und publizierte 1979 eine Anthologie ihrer Texte. Die
„Volkszeitung“ steht jedoch nicht einer bestimmten linken Fraktion nahe.
Aber wegen ihrer historischen Verbindungen zum Umfeld des marxistischen
Terrors gelten ihre Redakteure als JRA-Sympathisanten.
„Es gab einmal viele solcher Publikationen in Japan“, schreibt William
Andrews, Autor eines Buchs über japanische Gegenkulturen („Dissenting
Japan“), auf seinem Blog. Wegen des Niedergangs der Neuen Linken gäbe es
aber nur noch wenige solcher Zeitungen und Magazine. Die Festnahme des
Herausgebers und Chefredakteurs der Jimmin Shimbun belegt jedenfalls, dass
selbst die wenigen Überbleibsel der Studentenbewegung vom japanischen Staat
als ernstzunehmende Bedrohung wahrgenommen werden.
„Der aktuelle Fall muss in diesem Kontext gesehen werden, da Yamada und
sein Blatt als Teil des Unterstützungsnetzwerkes für Mitglieder der
Japanischen Roten Armee eingestuft werden“, meint der Politologe Sebastian
Maslow, der an der Universität Kobe lehrt. Die Auseinandersetzung zwischen
Staat und der politischen Linken gehe auf die teilweise gewaltbereite
Studentenbewegung und ihre terroristischen Ableger in den 1960er Jahren
zurück. Der linksextremistische Terror gilt seitdem als ein zentrales
innenpolitisches Sicherheitsrisiko. „Ob der Fall Yamada daher eine klare
Einschränkung der Pressefreiheit ist, halte ich für fraglich“, sagt Maslow
der taz.
5 Jan 2018
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
Rote Armee
Medien
Anschlag
Tel Aviv
Japan
Terrorismus
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