# taz.de -- Randy Newman über Musik und die USA: „Ich mache mir Sorgen um Am… | |
> Der Komponist und Sänger erzählt von seiner Karriere, der Furcht vor der | |
> Sezession der Südstaaten – und von der Relevanz von Madonnas Kleidern. | |
Bild: Musiklegende Randy Newman hat etwas zu sagen – sein Werk hält er aber … | |
taz: Randy Newman, Sie haben gerade ein paar Konzerte zum [1][neuen Album, | |
„Dark Matter“] gegeben – eine erfreuliche Sache? | |
Randy Newman: Ja. Aufzutreten finde ich immer erfreulich. | |
Macht es einen Unterschied, ob Sie in den USA spielen oder anderswo? | |
Ja, schon. Zu Hause kann ich mehr reden, aber das ist gar nicht die | |
Hauptsache. Ich habe auch nicht festgestellt, dass meine europäischen | |
Zuschauer andere Sachen mögen als meine amerikanischen, jedenfalls nicht | |
merklich. Es gibt also eigentlich nur eine gewisse Sprachbarriere. | |
Verstehe. Ich hätte mir vorstellen können, dass gerade nicht-amerikanisches | |
Publikum vielleicht mehr über Ihren derzeitigen Präsidenten hören möchte. | |
Ja, da ist was dran. Nehmen wir einen alten Song wie [2][„Political | |
Science“] … | |
… in dem Sie sich 1972 satirisch mit der US-Außenpolitik befasst haben. | |
Der wird in den Vereinigten Staaten als komödiantisch verstanden – oder | |
[3][zumindest so gemeint]. Heute ist es ja etwas schwieriger geworden, | |
darüber zu lachen. Es wirkt, als sei die Sache ernster. | |
Sie haben mal gesagt, möglicherweise war es [4][im Gespräch mit dem | |
Podcaster Marc Maron], Sie hätten nie daran geglaubt, dass die Dinge besser | |
gewesen seien, in irgendeinem mysteriösen Früher. | |
Stimmt, das hab ich nie geglaubt. | |
Aber für das jüngste Album haben Sie sich ein altes Stück erneut | |
vorgenommen – „It’ s a Jungle Out There“. Stützen Sie sich da nicht ein | |
klitzekleines bisschen auf vergangene Errungenschaften? Oder ist der Song, | |
sein Text zumal, schlicht aktueller denn je? | |
Ich hatte das einfach nie richtig zu Ende gebracht. Ich hab das Stück ja | |
ursprünglich für eine Fernsehserie komponiert, „Monk“. Da war es nur eine | |
Minute lang, aber die Leute mochten es in dem Zusammenhang, und so hab ich | |
es nun endlich abgeschlossen und aufgenommen. Aber mein ganzer act fußt | |
darauf, dass ich ältere Werke spiele: Songs, die ich in den Sechzigern | |
komponiert habe, in den Siebzigern und so weiter. Es heißt also nicht, dass | |
ich keine Sachen aus der Vergangenheit spiele. Wissen Sie, für mich klingt | |
die Musik von damals besser als die heutige – aber genau dieser | |
Einschätzung traue ich nicht. Ich weiß ja: Wenn man jung ist, klingt die | |
jeweilige zeitgenössische Musik besser. Aber ich misstraue in dieser Sache | |
meiner eigenen Meinung: Ich bin sicher, die Musik der Gegenwart ist genauso | |
gut – bloß halt nicht für mich. | |
Sie haben eigentlich Ihre ganze Karriere hindurch Songs „in character“ | |
geschrieben und vorgetragen, sind also in Rollen geschlüpft. Übers neue | |
Album, insbesondere das Auftaktstück „The Great Debate“, haben Sie gesagt, | |
da gebe es „andere Stimmen“, die hereinkämen. | |
Ja, genau. Ich wollte mal etwas anderes machen. Um zu sehen, ob ich das | |
kann. Ob es gemacht werden kann und das Ergebnis zu verstehen ist. Ich | |
glaube, es hat geklappt. Es ist aber erst mal schwieriger, so zu arbeiten: | |
erst mit einer Stimme sprechen, dann mit einer anderen. | |
Sie lassen in dem Stück Religiöse und nicht religiös, sondern | |
wissenschaftlich Denkende gegeneinander antreten. | |
Ich muss darauf achten, dass die Hörer immer wissen, wer gerade spricht. | |
Weiß nicht, ob ich so was noch mal mache. Könnte sein. | |
Sie haben auch mal prognostiziert, Musik werde die Welt eher nicht | |
verändern. Und dass Sie Songs nicht mögen, die allzu offensichtlich mit | |
einer Botschaft daherkommen. Und doch ist Ihr Werk größtenteils als | |
politisch zu lesen. Oder nicht? | |
Nein, nicht größtenteils. Zum Teil, ja. Manchmal versuche ich zu sagen: | |
Dieses oder jenes ist falsch. Ich glaube nur nicht, dass die Leute einen | |
Song hören und plötzlich sagen: Oh, ich lag falsch, tut mir leid, ich werde | |
mich bessern. Ich glaube, was Madonna für Klamotten anhatte, wie sie | |
auftrat: Das hatte sehr viel mehr mit der Welt zu tun als das, was | |
irgendwer sang. | |
Eine sehr gute Beobachtung. | |
Dankeschön. | |
Was ich an Ihrer Arbeit immer bemerkenswert fand, Sie verfallen nie in | |
Schwarz-Weiß-Malerei. Als Sie in den Siebzigern über „[5][Rednecks“] | |
gesungen haben, haben Sie ja die urbanen Liberalen nicht verschont. Wenn | |
Sie einen Südstaaten-Eiferer porträtieren, wollen Sie immer auch seine | |
Perspektive verstehen. Ist diese Methode heute nicht dringender nötig denn | |
je? | |
Oh, das ist sie. Denn heute ist die Welt beinahe absolut schwarz-weiß. Das | |
ist es nie ganz, es gibt immer Grau. Niemand ist nur gut oder nur böse, | |
liegt immer richtig oder immer daneben. Niemand. Aber heute fühlt es sich | |
an, als würden die Leute genau das denken. Du hörst sie sagen: Ich könnte | |
nie befreundet sein mit jemandem der das und das vertritt. Das ist keine | |
gute Sache. Gehen wir davon aus, dass ich weiter Songs schreibe: Im Moment | |
fühlt es sich an, als wäre einer der nächsten über eine Sezession. Darüber, | |
wie der Süden sich wieder lossagt. Denn so fühlt es sich an: Wie damals, in | |
den 1840er, 1850er Jahren, als all diese Kompromisse geschlossen wurden in | |
dem Versuch, beide Seiten zufriedenzustellen, den Süden und den Norden. | |
Sie haben gesagt, Sie interessierten sich sehr für die USA. | |
Ja, das stimmt. | |
Deshalb handeln viele Ihrer Songs von Amerika und davon, wo es steht. Sind | |
Sie besorgt wegen Ihres Landes? | |
Ja, das bin ich. Mehr, als ich es je gewesen bin. Wegen der Unfähigkeit der | |
einen Seite, der anderen zuzuhören. Wissen Sie, ich selbst höre der anderen | |
Seite auch nicht zu, weil diese Leute derart weit ab vom US-Mainstream | |
sind. Aber es gab Millionen, die gedacht haben, was die denken, und das für | |
eine lange Zeit. Sie hatten nur keine Repräsentation – jetzt haben sie | |
eine. | |
Hätten Sie Hoffnung, diese Menschen zu erreichen, oder ist der Spalt, wenn | |
wir es so nennen wollen, zu breit und tief? Anders gefragt: Kommen Leute | |
von der anderen Seite zu Ihren Konzerten? | |
Nein, die nicht. Da liegen die Dinge beinahe sortenrein schwarz-weiß. Das | |
heißt: Im Süden vielleicht. Ich habe gerade in New Orleans gespielt, da | |
mögen ein paar im Publikum gewesen sein, die wollten einfach was von „Good | |
Old Boys“ hören, die Songs, aber nicht mein Gerede. Und sie wollten sie so | |
gedeutet hören, wie sie selbst sie deuten. „Rednecks“ hab ich nicht | |
gespielt. Ich spiele das zurzeit nicht. | |
Ändern Sie Ihr Set, je nachdem, was für ein Publikum gekommen ist? | |
Ja, auf der Bühne noch. Ich habe eine Liste, aber die kann ich ändern. Dem | |
Publikum anpassen. Berlin ist dann anders als Hamburg. | |
Wir haben über Ihr Songwriting „in character“ gesprochen und über die | |
„anderen Stimmen“ auf dem jüngsten Album. Das sind ja literarische | |
Techniken. Haben Sie selbst eigentlich je darüber nachgedacht, etwas | |
anderes zu schreiben als Liedtexte – ein Buch? | |
Darüber nachgedacht schon, aber nie getan. Am ehesten vielleicht, als ich | |
[6][aus „Faust“ ein Musical] gemacht habe. Ich verspüre, ehrlich gesagt, | |
keinen echten Drang zu schreiben – es sei denn, ich muss. | |
Wo Sie das Faust-Musical erwähnen: Warum haben Sie es eigentlich bisher | |
nicht in Deutschland aufgeführt, wie Sie das mal als Wunsch formuliert | |
haben? | |
Das würde ich gerne. Aber ich hab es auch nie wirklich darauf angelegt. | |
Aber wenn jemand Sie einladen wollte, wären Sie gesprächsbereit? | |
Ja, unbedingt. | |
Wie vor Kurzem bekannt wurde, muss Newman die Termine seiner „Dark | |
Matter“-Europatour im Februar aus gesundheitlichen Gründen absagen. Wegen | |
bestehender Folgeverpflichtungen Newmans sind vorerst keine Nachholtermine | |
geplant. | |
7 Feb 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Gesellschaftskritik-von-Randy-Newman/!5439143 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=EqBrw3rQvKo | |
[3] https://music.avclub.com/randy-newman-leads-a-course-on-political-science-s… | |
[4] http://www.wtfpod.com/podcast/episode-831-randy-newman | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=o80BB0qZoVM | |
[6] https://www.youtube.com/watch?v=WCEET_vdEG8 | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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