| # taz.de -- Deutsche Bundesstiftung Umwelt: Grüner Chef für schwarze Stiftung | |
| > Überraschend wählt die reichste Öko-Stiftung Europas einen Grünen zum | |
| > Generalsekretär. Das CDU-dominierte Haus pfeift auf seine Regeln. | |
| Bild: „Vielleicht ist es Bondes Schicksal, als Grüner schwarze Häuser zu ü… | |
| Berlin taz | Am Donnerstag, den 30. November, blickt ganz Deutschland | |
| gespannt aufs Berliner Schloss Bellevue. An seinem Amtssitz versucht der | |
| Bundespräsident, den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz zu einer Großen | |
| Koalition zu bewegen. Schulz sträubt sich, denn eines ist ihm klar: Die | |
| Macht bleibt bei der CDU. | |
| Zwei Kilometer weiter südlich dagegen verliert die Regierungspartei an | |
| diesem Abend eine wichtige Machtposition. Eine ganz große Koalition von | |
| Sozialdemokraten, Grünen und Unabhängigen wählt einen Grünen zum Chef der | |
| reichsten und einflussreichsten Umweltstiftung Europas – und nimmt der | |
| Union einen ihrer Erbhöfe. Für diese kleine ökologische Revolution braucht | |
| es zwei Dinge: Ein prominenter CDU-Politiker läuft zum Gegner über. Und die | |
| hochseriöse Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) verstößt gegen ihre | |
| eigenen Regeln. | |
| Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich an diesem 30. November eine | |
| verschwiegene Gruppe im Berliner Hotel Steigenberger (Slogan: | |
| „Nachhaltigkeit auf ganzer Linie“) getroffen: das 13-köpfige Kuratorium der | |
| DBU. Die Vertreter von Bundesregierung, Ländern, Parteien, Wissenschaft und | |
| Unternehmen suchen einen neuen Generalsekretär für die Stiftung mit Sitz in | |
| Osnabrück. | |
| Und sie finden Alexander Bonde, den ehemaligen grünen Minister für | |
| ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg. „Hervorragend | |
| qualifiziert“, sagen seine Unterstützer wie die Vorsitzende des | |
| Kuratoriums, die SPD-Staatssekretärin im Umweltministerium, Rita | |
| Schwarzelühr-Sutter. „Ihm fehlt eine zentrale Qualifikation: ein | |
| abgeschlossenes Studium“, sagen seine unterlegenen Gegner. | |
| Die Entscheidung fällt äußerst knapp. Drei Kandidaten sind am Donnerstag | |
| zur Endrunde nach Berlin bestellt worden: neben Bonde noch ein | |
| Abteilungsleiter aus der DBU und ein Angestellter des | |
| Bundesforschungsministeriums. Im ersten Wahlgang scheidet dieser aus. Im | |
| zweiten Wahlgang bekommt der DBU-Insider auf dem CDU-Ticket sechs Stimmen, | |
| berichten Teilnehmer. Bonde bekommt sieben – und damit den Spitzenjob mit | |
| gut 130.000 Euro Jahresgehalt. | |
| Von den Kuratoriumsmitgliedern, die zum Stillschweigen verdonnert sind, | |
| will kaum jemand öffentlich reden. Denn die DBU, mit einem Stiftungskapital | |
| von 2,2 Milliarden Euro die größte Umweltstiftung Europas (siehe Kasten), | |
| hat bewegte Zeiten hinter sich. Gegründet und 22 Jahre geführt wurde das | |
| Haus von Fritz Brickwedde, einem CDU-Mann aus der niedersächsischen | |
| Staatskanzlei unter Ernst Albrecht. Er machte aus der DBU nicht nur eine | |
| Subventionsmaschine für Öko-Innovationen aus dem deutschen Mittelstand, | |
| sondern auch eine schwarze Institution. | |
| Viele der Mitarbeiter und Unterstützer der DBU, die in Osnabrück mit einem | |
| vorbildlichen Ökobau protzt, stehen der Union nahe. Nur langsam haben SPD | |
| und Grüne hier Kuratorium und Förderpraxis beeinflussen können, obwohl sie | |
| lange den zuständigen Umweltminister gestellt haben. | |
| 2013 wurde Heinrich Bottermann DBU-Chef, auch er ein CDU-Mann. Brickwedde | |
| wechselte zum Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), sicherte sich aber | |
| einen Platz im Aufsichtsgremium der DBU, dem Kuratorium. Sein Nachfolger | |
| Bottermann räumte in der DBU mit alten Strukturen auf und ordnete die | |
| Verfahren für Fördermittel neu. Im Frühjahr 2017 ließ Bottermann seinen | |
| Vertrag für vier Jahre verlängern – und verabschiedete sich nur sieben Tage | |
| später nach Düsseldorf. Dort arbeitet er seit dem Machtwechsel zu | |
| Schwarz-Gelb als Staatssekretär im CDU-geführten Umweltministerium. | |
| Bottermanns Abgang brachte die DBU in die Zwickmühle. Schnell musste ein | |
| neuer Chef her, der den Strukturwandel weitertreibt. Die Ausschreibung lief | |
| Ende September und wurde auch wegen der Bundestagswahl öffentlich kaum | |
| wahrgenommen. In der Stellenbeschreibung erwartet die DBU | |
| „Führungserfahrung“, die „Kenntnis von Förderstrukturen“, „langjäh… | |
| Leitungsfunktion mit Bezügen zur DBU“ und „Kenntnisse über die | |
| Nachhaltigkeitsdebatte“. | |
| ## Nur der Hochschulabschluss fehlt | |
| Diese Anforderungen erfüllt Bonde praktisch perfekt. Der 42-Jährige war im | |
| grün-roten Kabinett von Winfried Kretschmann von 2011 bis 2016 | |
| Agrarminister. Er kämpfte einen neuen Nationalpark im Schwarzwald durch, | |
| machte Front gegen die Gentechnik, legte ein modernes Jagdgesetz vor und | |
| ließ Breitbandkabel durchs Land ziehen. Bonde lief im Trachtenjanker durch | |
| Feld und Flur und widersprach nicht, wenn er als Kretschmanns Nachfolger | |
| gehandelt wurde. | |
| Nur eines hat Bonde nicht: einen Hochschulabschluss. Den aber erwartete die | |
| DBU in ihrer Ausschreibung gleich als erste Qualifikation. „Unmöglich“, | |
| grummeln daher seine Gegner. Ein DBU-Chef stütze sich auf den Sachverstand | |
| von „Hunderten von Professoren“, er zeichnet exzellente Wissenschaftler aus | |
| und müsse „mit Forschungsinstituten auf Augenhöhe agieren“, heißt es. | |
| Bondes Unterstützer ficht das nicht an: Das Kuratorium sei davon | |
| ausgegangen, dass die von einer Findungskommission gekürten Finalisten alle | |
| qualifiziert seien, sagen sie. Eine Erwartung in der Ausschreibung sei im | |
| juristischen Sinne keine Bedingung. Und Kuratoriumschefin | |
| Schwarzelühr-Sutter erklärte, keiner der Kandidaten habe zu 100 Prozent die | |
| Bedingungen erfüllt. „Ein Bewerber, der sich bereits als | |
| Landwirtschaftsminister bewiesen hat, kann eine Qualifikation für das Amt | |
| auch durch andere Stationen seines Lebenswegs nachweisen.“ | |
| ## Chance auf eine zweite Karriere | |
| Für Bonde, einen durchsetzungsstarken Oberrealo, ist der DBU-Chefposten die | |
| Chance auf eine zweite Karriere. Denn nach der Wahl 2016 kam für den | |
| Shootingstar der Südwest-Grünen der Absturz: Bonde verlor sein Ministerium | |
| an die Union, die nun viele seiner Erfolge in der Landwirtschaft | |
| zurückdreht. Er machte sich durch interne Manöver bei den Landesgrünen | |
| unbeliebt. Und er sorgte für einen Skandal, als herauskam, dass der | |
| verheiratete dreifache Familienvater eine langjährige außereheliche | |
| Beziehung mit einer Parteifreundin geführt hatte. | |
| Auch Bonde will sich vor Amtsantritt im Februar nicht offiziell äußern. Aus | |
| seinem Umfeld heißt es aber, er sehe der Aufgabe mit Spannung und Vorfreude | |
| entgegen. Und er hoffe, „Parteipolitik aus der Stiftung herauszuhalten“. | |
| Das hat bei seiner Wahl schon mal auf seltsame Art geklappt. Denn | |
| eigentlich standen die Chancen schlecht für den Grünen. Kurz vor der Wahl | |
| mussten seine Parteifreunde Bärbel Höhn und Stefan Wenzel das Kuratorium | |
| verlassen, weil sie aus Parlament und Regierung ausgeschieden waren. Auch | |
| die Abgeordnete Eva Bulling-Schröter von der Linkspartei war nicht mehr am | |
| Tisch. Dafür aber gelang es Bonde offenbar, die Union zu spalten. | |
| Jens Spahn, Mitglied im Kuratorium, setzte sich nach Angaben von | |
| Teilnehmern stark für den Grünen ein: Die beiden kennen sich aus Bondes | |
| Zeit im Bundestag von 2002 bis 2011. Bonde ist mit einer ehemaligen | |
| CDU-Bundestags-Abgeordneten und damaligen Spahn-Kollegin verheiratet. Und | |
| auf seinem Facebook-Account findet sich noch am 11. September, in der | |
| heißen Phase der Bewerbung, ein Selfiefoto von Bonde und Spahn. | |
| „Vielleicht ist es Bondes Schicksal, als Grüner schwarze Häuser zu | |
| übernehmen“, sagt ein Vertrauter. Der neue Mann will in der DBU die | |
| Reformen weiterführen, Naturschutz voranbringen und ein Auge auf die | |
| Digitalisierung haben. Sein Vertrag läuft für fünf Jahre, und er wolle in | |
| der DBU Spuren hinterlassen, heißt es. | |
| Das ist ihm bei seinem letzten Arbeitgeber nicht geglückt. Seit Sommer war | |
| Bonde „Senior Advisor“ bei der Unternehmensberatung DWR eco. Auf deren | |
| Homepage war zur Zeit von Bondes Wahl sein Name falsch geschrieben: | |
| Alexander Bolde. | |
| Anmerkung der Redaktion: | |
| Nach Angaben von DWR eco beruht der Schreibfehler in Alexander Bondes Namen | |
| auf einem technischen Problem nach einem Hackerangriff auf die Homepage der | |
| Firma. Das ändere nichts an der hohen Wertschätzung des Unternehmens für | |
| Bondes Arbeit. (taz) | |
| 14 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
| ## TAGS | |
| CDU | |
| Umwelt | |
| Stiftung | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| Claudia Roth | |
| Nationalparks | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neues Kabinett in Baden-Württemberg: Grün-schwarze Zangengeburt | |
| Dass die Einigung auf das grün-schwarze Kabinett schwerfiel, ist | |
| offensichtlich. Es gab Kompromisse, die inhaltlich nicht zu begründen sind. | |
| Flügelstreit bei den Grünen: Antrag auf Ende der Nabelschau | |
| Vor dem nächsten Parteitag brodelt es bei den Grünen. Nun versuchen die | |
| Fraktionsvizes aus dem Bundestag, den Streit zu stoppen. | |
| Bürgerunmut in Baden-Württemberg: Park der Zwietracht | |
| Ein Beschluss zum Nationalpark Nordschwarzwald soll nächste Woche fallen. | |
| Anwohner wehren sich dagegen – auch mit Hilfe der CDU. |