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# taz.de -- Bundesparteitag der AfD in Hannover: Noch weiter nach rechts gerüc…
> Die rund 550 Delegierten der AfD haben Jörg Meuthen und Alexander Gauland
> zum Parteichef gewählt. Der Abstimmung ging ein Chaos voraus.
Bild: Alexander Gauland nach seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden
Hannover taz | Am Ende machte Alexander Gauland es doch. Das, worum ihn
Parteichef Jörg Meuthen und der völkisch-nationalistische Flügel um Björn
Höcke, freilich mit unterschiedlicher Motivation, gebeten hatte – und
worüber so viel im Vorfeld des Bundesparteitags der Rechtspopulisten
spekuliert worden war. Gauland, 76 Jahre alt und bereits Fraktionschef der
AfD im Bundestag, ließ sich am Samstagabend in Hannover [1][zum
Co-Parteichef von Meuthen wählen]. Und verschiebt damit die Führungsspitze
der AfD weiter nach rechts. [2][Davor aber lieferte sich die Partei einen
Wahlkrimi, der es in sich hatte.]
Dabei hatte es bis zum Samstagnachmittag noch so ausgesehen, als liefe
alles nach Plan. So, wie es die beiden Kandidaten, die bis dahin ihren Hut
in den Ring geworfen hatten, in zahlreichen Hinterzimmerrunden in der Nacht
zuvor besprochen hatten. Ganz ähnlich, wie sie es den „Altparteien“
vorwerfen, wie die AfD alle anderen abschätzig nennt. Meuthen, der einst
als Wirtschaftsliberaler angetreten war, die Partei bislang mit Frauke
Petry geführt hatte und sich stetig weiter nach rechts bewegt, sollte
erneut Parteichef werden. Und der Berliner Landeschef Georg Pazderski, der
in der AfD als liberalkonservativ gilt, sein Co-Vorsitzender – allerdings
mit zahlreichen Zugeständnissen von Seiten Pazderskis.
Der sollte nicht für die Bundesgeschäftsstelle zuständig sein. Das hatte im
Laufe des Tages die FAZ herausgefunden. Denn Meuthen sorgte sich, dass
Pazderski sich in Berlin zum starken Mann der Partei entwickeln könne,
während er selbst als frisch nachgerückter Europaabgeordneter im fernen
Brüssel sitzt. Pazderski gilt, anders als Meuthen, als guter Stratege und
führungsstark. Deshalb hatte Meuthen ursprünglich Gauland gebeten
anzutreten – um Pazderski zu verhindern. Dann aber ließ er sich doch auf
einen Deal mit Pazderski ein. Das gefiel dem Flügel um Höcke wiederum
nicht.
Pazderski, muss man wissen, steht für vieles, was die Rechtsradikalen in
der Partei gar nicht mögen: Der ehemalige Soldat, der auch für die Nato
gearbeitet hat, gilt vielen als „Transatlantiker“, was bei der AfD durchaus
als Schimpfwort verstanden werden kann. Pazderski will die AfD in die
Regierung führen und sich dafür auch vom rechten Rand abgrenzen. Und er hat
das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke unterstützt. Deshalb hatte der
Flügel auch Gauland gedrängt, selbst anzutreten. Nur Gauland, der vielen in
der Partei als eine Art Übervater gilt, könne Pazderski noch verhindern, so
die Analyse. Doch all das schien am Samstagvormittag – sehr zum Ärger des
Flügels – vom Tisch.
## Whatsapp-Nachrichten durch den Saal
Da tritt Höcke in der Eilenriedelhalle im Hannover Congress Centrum, wo die
gut 550 Delegierten zum Bundesparteitag versammelt sind, selbst ans
Saalmikrofon, sagt launig „Hallo Hannover“ und stellt den Antrag, dass der
umstrittene niedersächsische Landesvorsitzende Armin-Paul Hampel ein
Grußwort sprechen darf. Höcke wirft seine Autorität in die Waagschale. Und
unterliegt bei der Handabstimmung.
Doch das will er nicht glauben. Er fordert eine Überprüfung mittels
elektronischer Stimmenabgabe. Die blauen Balken, die kurz darauf auf den
großen Bildschirmen zu sehen sind, sind eindeutig: 58 Prozent der
Delegierten stimmen gegen ihn. Was sich wie die Niederlage in einer
Nebensächlichkeit anhört, wird von vielen Delegierten als Probeabstimmung
über die Machtverhältnisse auf dem Parteitag gewertet: Der Flügel, so
scheint es, hat hier keine Mehrheit. Dieser wirkt immer weiter auf Gauland
ein, er möge kandidieren. Die Wasserstandsmeldungen dazu werden per
Whatsapp durch den Saal geschickt.
Es ist nach fünf Uhr am Nachmittag, der Parteitag hat zähe Satzungsdebatten
und zahlreiche Abstimmungen über Verfahrensfragen bereits hinter sich, als
es an die Wahlen geht. Meuthen wird nach einer lauen Rede und ohne
Gegenkandidat mit gerade 72 Prozent der Delegiertenstimmen wiedergewählt.
Für das schlechte Ergebnis dürfte auch gesorgt haben, dass er bei seinem
Wechsel nach Brüssel erst nach massiver parteiinterner Kritik sein Mandat
im Stuttgarter Landtag aufgegeben hat – und dass er mit Pazderski kungelte.
## Keine Mehrheit für niemanden
Dann wird die Wahl des zweiten Vorsitzenden aufgerufen. Überraschend
schickt der Flügel Doris von Sayn-Wittgenstein, Landesvorsitzende in
Schleswig-Holstein, gegen Pazderski ins Rennen. „Ich bin erst seit 2016 in
dieser Partei, nachdem die Partei eine mehr patriotische Richtung genommen
hat“, sagt die 63-Jährige, als Lucke-Partei sei die AfD nicht
vielversprechend gewesen. Da brandet Applaus im Saal auf.
„Das ist nicht unsere Gesellschaft“, führt Sayn-Wittgenstein fort, sagt,
dass nur der Nationalstaat die Demokratie am Leben erhalte und sie in
erster Linie deutsch fühle. Dazu scharfe Kritik an der Antifa, die
Sayn-Wittgenstein im rechtsextremen Jargon „Antifanten“ nennt, und
Verständnis für Russland. Am Ende schallen „Doris, Doris“-Rufe des Flüge…
durch den Saal. Sayn-Wittgenstein habe „die Seele der Partei“ getroffen,
wird Gauland später sagen. Nach der Rede ist klar: Es könnte knapper
werden, als bislang gedacht.
Pazderskis selbst erweckt keine Leidenschaft, sachlich trägt er sein
Anliegen vor – und geht durchaus auf die andere Seite zu. „Alle Strömungen
müssen eingebunden sein“, sagt er,, ich möchte keine willkürliche
Ausgrenzung“. Das kann man als Zugeständnis an den Flügel deuten. Doch es
nützt ihm nichts.
Bei der Wahl liegt Sayn-Wittgenstein mit 285 Stimmen vorn, das sind 49,39
Prozent. Für Pazderski votieren 273 Delegierte, 47,31 Prozent. Was für eine
Überraschung! Der Flügel jubelt schon. Doch es ist zu früh. Fast wäre
Sayn-Wittgenstein Parteivorsitzende, doch der Vorsprung reicht nicht. Also
noch ein Wahlgang. Gespannt starren alle auf die großen Bildschirme.
Diesmal liegt Pazderskis blauer Balken knapp vorn. Doch auch er hat keine
ausreichende Mehrheit.
## Spaltung verhindert?
Klar ist jetzt: Die Partei ist in zwei Hälften gespalten. Eine Mehrheit
gibt es nicht. Und der Flügel ist weit einflussreicher, als bislang
gedacht. Auf dem Parteitag bricht Chaos aus. Schließlich ergreift Gauland
das Mikrofon und beantragt eine Unterbrechung. Dass sei eine „gefährliche
Situation“ für die Partei gewesen, wird er später sagen. Was er damit genau
meint, sagt er nicht.
In der Pause wird hinter der Bühne verhandelt und gezerrt, am Ende ziehen
Sayn-Wittgenstein und Pazderski zurück und kandidieren als Vizes. Und
Gauland tritt an. Der alte, mächtige Mann der AfD wird am Abend mit knapp
68 Prozent gewählt. Das ist noch weniger, als Meuthen bekommen hat. „Der
Flügel hat mit dem heutigen Tag die Spitze des Bundesvorstands übernommen“,
schreibt die „Alternative Mitte“ in ihrem Liveticker vom Parteitag.
Die Strömung hat sich organisiert, um in der AfD ein Gegengewicht zum
Flügel zu bilden. „Einzelne Mitglieder“, so heißt es weiter, würden gera…
in Interviews darüber sprechen, dass dies die Spaltung verhindere. Die
Alternative Mitte sieht das anders: „Genau damit muss man jetzt allerdings
rechnen.“
Am späteren Abend werden Pazderski, der Kandidat für den
Bundestagsvizepräsidenten Albrecht Glaser und Kay Gottschalk, der früher
zum Petry-Lager gehörte, als Parteivizes gewählt. Flügelmann André
Poggenburg, Landes- und Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, fällt durch. Am
Sonntag geht die Wahl für den Bundesvorstand weiter. Eines aber kann man
schon sagen: Die AfD ist noch weiter nach rechts gerückt. Wieder einmal.
3 Dec 2017
## LINKS
[1] /Kommentar-Neue-Parteichefs-der-AfD/!5467235
[2] /Wahlkrimi-beim-Parteitag-in-Hannover/!5467225
## AUTOREN
Sabine am Orde
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