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# taz.de -- Am Inle See in Myanmar: Schwimmende Gärten
> Für viele Myanmarer ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
> Der politische Wandel ließ die Menschen hoffen.
Bild: „Einbeiniger“ Fischer auf dem Inle See
An den Inle-See kommt man am besten mit einem Magen aus Stahl. Die Fahrt
über die Berge verläuft kurvenreich und serienmäßig in einem überfüllten
Sprinter, dessen Klimaanlage ausfällt, sobald der Wagen es mit steileren
Straßen aufnimmt. Reisen an den Inle-See starten entweder in Yangon oder im
malerischen Bagan. Für welche Route man sich auch entscheidet und was immer
man hinter sich lässt: Die Umgebung um den Inle-See wird einem wie eine
Offenbarung vorkommen. Das Klima ist angenehm, die Berge und Bäume werden
grüner, je näher man dem zweitgrößten See Myanmars kommt.
Fiona lebt seit etwa sechs Jahren in Nyaung Shwe, dem größten Ort am
Inle-See. Das Städtchen befindet sich, wie gefühlt ganz Myanmar, im Wandel.
Wobei „Wandel“ die Vorgänge in einem Land, das nach dem Ende der britischen
Besatzung seit 1962 mit unerbittlicher militärischer Hand geführt wurde und
erstmals seit wenigen Jahren die Idee einer Demokratie erlebt, unzureichend
benennt. „Mit der Wahl 2012 hat sich grundlegend etwas verändert. Wir
hatten auf einmal das Gefühl, dass sich echte Möglichkeiten auftun!“
erzählt Fiona. Sie ist 41 Jahre alt – die erste demokratische Wahl nach 25
Jahren in Myanmar war auch die erste Wahl, an der Fiona überhaupt jemals
teilnehmen durfte. Mit eindeutiger Mehrheit wird Friedensnobelpreisträgerin
Aung San Suu Kyi als Staatsrätin an die Spitze des Landes gewählt. Zwanzig
Jahre hat Suu Kyi unerbittlich aber gewaltlos für ihr Land gekämpft, hat
mit ihrer Freiheit und ihrer Familie bezahlen müssen. Ihre Entschlossenheit
wirkt sich auf die Bevölkerung aus, die Menschen formulieren Bedürfnisse,
die ihnen lange unmöglich erschienen. „Wir haben hier alle gemerkt, dass
sich die Welt rapide verändert und wollten Teil der Veränderung sein.“
Fiona kennt die „Welt“ von der sie spricht nicht gut. Sie war hin und
wieder auf Reisen, aber nur im ostasiatischen Raum, was sie bedauert.
„Trotzdem weiß ich, was Reisende brauchen!“, sagt sie und lächelt.
In der Form eines riesigen Ghettoblasters thront Fionas Hostel wie ein
Fremdkörper am Rand einer sandigen Straße inmitten von kleinen Häusern und
Bäumen: Konsequent hat sie es „Song of Travel“ getauft, jedes einzelne
Zimmer mit Zitaten aus berühmten Songs dekoriert und die Treppenstufen wie
Klaviertasten streichen lassen. Es schlägt genau in den Vibe vieler
Reisender, die sehnsüchtig den Rhythmus ihres eigenen Songs of Travel
suchen.
„Ich möchte, dass sich die Gäste hier zu Hause fühlen, will aber dennoch,
dass sie die Kultur und die Stimmung vom Inle-See mitbekommen.“ Das Leben
der Menschen in der Shaan-Region ist vollkommen auf den See ausgerichtet –
er ist ihr wichtigster Protagonist. Auf den schwimmenden Gärten des Sees
wird der gesamte Bedarf des Landes an Tomaten produziert. Der See sorgt
auch für gut bewässerte Reisfelder.
## Eine fließende Balance
Seit der Öffnung des Landes vor fünf Jahren ist der Tourismus ein immer
wichtiger werdender Wirtschaftszweig. Es werden Touren auf dem See
angeboten und die traditionellen „einbeinigen“ Fischer haben es als Motiv
bereits auf zahlreiche Postkarten und in den aktuellen „Lonely Planet“
geschafft. „Es wird schon lange nicht mehr so geangelt. Aber damals mussten
die Fischer die großen Körbe gezielt zum Fischen nutzen und brauchten dafür
beide Hände. Gleichzeitig steuerten sie mit einem Bein ihre Boote. Ich
finde, dass dies auch die fließende Balance der Menschen hier am besten
beschreibt“, erklärt Fiona.
Obwohl ihr Hostel „Song of Travel“ erst wenige Jahre alt ist, blättert hier
und da bereits die Farbe ab und die Wasserleitungen funktionieren nicht
immer. „Das war die größte Herausforderung beim Bau des Hauses. Wir mussten
komplett neue Leitungen verlegen lassen. Ich hätte nicht gedacht, dass das
so schwierig wird.“
Als Unternehmerin in Myanmar ist Fiona eine Exotin. „Frauen machen
normalerweise kein eigenes Business auf. Ich musste mich einigen
Diskussionen stellen – auch weil ich ganz allein lebe und keine Kinder
habe.“ Mehr möchte Fiona dazu aber nicht sagen. Bohrt man bei der Frage
nach Gleichberechtigung und Diskriminierung weiter nach, wird nur
standardmäßig gelächelt. Auf die Frage nach ihrer größten Angst antwortet
sie zunächst zaghaft, äußert dann aber Bedenken, dass es politisch wieder
Rückschritte geben könnte.
Der Glanz der Demokratie in Myanmar verblasst dieser Tage zunehmend. Der
Konflikt mit der muslimischen Minderheit Rohingya in dem streng
buddhistischen Land und die Rolle, die die de facto regierende Aung San Suu
Kyi darin spielt, legt offen, dass die Verhältnisse durch eine
demokratische Wahl und durch eine einzige Frau sich nicht grundlegend
geändert haben. Suus Schweigen zu den Unruhen im Westen Myanmars und zu dem
brutalen und systematischen Auslöschen der Rohingya bezeugt, dass immer
noch das Militär die regierende Macht ist.
Spricht man mit der Bevölkerung über Suus Verhalten in dem Konflikt, erntet
man ebenfalls Schweigen. Der Grund dafür ist einerseits sicherlich die
ostasiatische Zurückhaltung und Konfliktscheue. Andererseits aber auch die
Tatsache, dass Suu immer noch das Symbol der Hoffnung auf ein neues Land
darstellt, die vorerst nicht bröckeln soll.
27 Jan 2018
## AUTOREN
Silvia Silko
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