# taz.de -- Cannabis-Magazin in den USA: Ein bisschen Gras muss sein | |
> Verstaubte Kifferklischees werden in Portland über den Haufen geworfen – | |
> mit Gras als Inspiration eines Lifestyle-Magazin. | |
Bild: Cannabis-Ikebana-Arrangements der Floristin Amy Merrick | |
Berlin taz | Cannabis in Blumengestecken, in Kosmetika, in der Mode, Musik | |
und Medizin: Bei Broccoli, dem neugegründeten Lifestyle-Magazin, dreht sich | |
alles um die sagenumwobene fünfblättrige Pflanze. Soweit, so | |
vermarktungstauglich. „Clevere Frauen, die Gras lieben“ sollen das | |
Zielpublikum sein. Denn laut Broccoli-Gründerin Anja Charbonneau fehlt ein | |
Frauenmagazin bisher in der medialen Auseinandersetzung mit Gras: | |
„Cannabis-Magazine richten sich mit detaillierten Anbautipps vor allem an | |
Experten, oder an den stereotypen Kiffer. Und der ist traditionell | |
männlich“. | |
Konkret sieht dieer neue Blick auf Gras so aus: Filigrane Ikebana-Gebilde | |
auf Hanf-Basis prangen auf der Titelseite. In einer Portraitreihe werden | |
dynamische Hanf-Unternehmerinnen aus Portland vorgestellt, die zur | |
Entspannung gerne mal einen durchziehen. Die Horoskopseite empfiehlt allen | |
Fischen, mit Cannabis in die eigene emotionale Welt einzutauchen, statt | |
sich von Zweifeln das Hirn vernebeln zu lassen. | |
Besinnlich wird es, wenn handgeschöpfte THC-Schokolade zwischen | |
Papierarrangements und mundgeblasenen Glaspfeifen in Obstform in Szene | |
gesetzt wird. Dazu liefert eine Plattenbesprechung der japanischen | |
Ambient-Komponistin Midori Takada den perfekten Sound zum Kiffen. Das | |
Ergebnis ist ein schön anzuschauendes, designorientiertes Magazin, das so | |
gar nicht zu gängigen Klischees von Bob-Marley-bepflasterten Wänden und | |
lustig tanzenden Hanfblättern auf dem Shirt passen mag. | |
Braucht es das, ein Frauenmagazin über Gras? | |
In der US-Cannabis-Industrie hat sich so einiges getan in den letzten | |
Jahren. Nach der Legalisierung von medizinischem Cannabis in mittlerweile | |
29 der 50 Staaten wurde 2016 in acht Staaten auch der sogenannte | |
Genusskonsum freigegeben. Seitdem boomt die Industrie. | |
Die junge Branche bietet auch die Chance, starre Dynamiken zu durchbrechen. | |
So finden sich überdurchschnittlich viele Frauen in den Chefetagen von | |
Cannabis-Unternehmen. Die berüchtigte Gläserne Decke scheint sich bisher | |
noch nicht in dem Maß ausgebildet zu haben, wie in anderen Bereichen. | |
Während 2016 der US-Durchschnitt lediglich 23 Prozent weibliche | |
Führungskräfte über alle Industriezweige hinweg verzeichnete, waren es | |
innerhalb der Cannabis-Branche ungeschlagene 37 Prozent. | |
Auch Anja Charbonneau nutzte die Gunst der Stunde. „Ich wollte ein Magazin | |
für kreative, dynamische Cannabis-Liebhaberinnen wie meinen eigenen | |
Freundeskreis erschaffen. Frauen, deren Leben auch noch aus Anderem besteht | |
als Gras“, erklärt sie. Das scheint einen Nerv getroffen zu haben, denn die | |
erste Broccoli-Auflage vom November 2017 ist bereits vergriffen. | |
Begeisterte Mails von Südafrika über Bangladesh, von Litauen bis Hongkong | |
erreichen ihr fünfköpfiges und rein weibliches Team. „Frauen auf der ganzen | |
Welt wollen darüber sprechen, sich austauschen und das gesellschaftliche | |
Bild von Cannabis diversifizieren“, schwärmt Charbonneau. | |
Das Magazin ist zur Zeit kostenfrei bei Übernahme der Portokosten | |
erhältlich. Bisher finanziert sich Broccoli allein über Anzeigen, vor allem | |
von Produkten oder Unternehmer*innen der Branche selbst. Damit sieht | |
Charbonneau ihr Magazin auch als Mittel zur gemeinschaftsbildenden | |
Vernetzung, vor allem der frauengeführten Teile der Industrie. | |
## Feministischer Akt | |
Trotz der ermunternden Zahlen in den Chefetagen dieser Industrie sehen sich | |
Konsumentinnen oft Stigmatisierungen ausgesetzt. Das Vorurteil des „lazy | |
stoners“, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt, hält sich hartnäckig. | |
Darum versteht es Charbonneau als feministischen Akt, wenn sich | |
erfolgreiche und kreative Frauen auch als Gras-Konsumentinnen definieren. | |
„Wenn Frauen offen von ihren eigenen Erfahrungen mit Cannabis erzählen, | |
frei von Vorurteilen und Klischees, ist das selbstermächtigend.“ | |
Broccoli wirkt wie der Inbegriff eines Imagewandels von Cannabis hin zum | |
hippen Lifestyle-Produkt. Alles ist hübsch und glatt und konsumierbar. | |
Thematisch beschränkt sich das Magazin vor allem auf die schematischen | |
Kategorien, die gemeinhin von Frauenmagazinen bedient werden. Geneigte | |
Leser*innen werden in der wohlig-grünen Wohlfühl-Wolke des neuen | |
Cannabis-Kosmos zur Ruhe gewiegt. | |
Es besteht Raum nach oben, die vielfältigen Nutzbarmachungen einer der | |
ältesten Rausch- und Nutzpflanzen der Welt differenzierter zu diskutieren. | |
Aber dass die Protagonist*innen der jungen Branche vielfältiger werden, | |
dass neue Sichtweisen ausprobiert werden und sich zunehmend auch Frauen in | |
der Industrie behaupten, war höchste Zeit. | |
20 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Gundula Haage | |
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