# taz.de -- Reformjude und Mäzen: Salomon Heine: „Geld geben machte ihm Spa�… | |
> Er war Reformjude und Mäzen: Der Hamburger Bankier Salomon Heine | |
> unterstützte auch seinen Neffen Heinrich Heine und die Stadt. Die würdigt | |
> ihn kaum | |
Bild: Kluger Stratege und großzügiger Förderer: Salomon Heine, um 1825 | |
Nur das Gartenhäuschen blieb. Das unscheinbare, hinter Büschen versteckte | |
Häuschen an Hamburgs Elbchaussee ist die einzig erhaltene Immobilie des | |
Bankiers, Mäzens und Reformjuden Salomon Heine, der am 19. Oktober 1767, | |
vor 250 Jahren, geboren wurde. Ein Unbedarfter wird das Gebäude mit dem | |
lindgrünen, ovalen Gartensaal, den sich Heine als Refugium ins | |
Gärtnerwohnhaus mauern ließ, kaum finden: Erst wenn man direkt vor der Tür | |
steht, sieht man das Denkmalschutz-Emblem und die Erklärungstafel. | |
Dabei hätte man im umgebenden Heine-Park gut ein, zwei Wegweiser aufstellen | |
und außerdem mitteilen können, dass auf dem kleinen Plateau gegenüber bis | |
1880 die zugehörige Villa stand, in der Heine rauschende Feste feierte. | |
Besonders im Sommer, wenn die Familie dort wohnte wie so viele jüdische | |
Kaufleute und Bankiers, weil sie im damals dänischen Altona – anders als in | |
Hamburg – Grundbesitz erwerben konnten. | |
Denn in Altona genossen Juden schon seit 1641 weitgehende Bürgerrechte, in | |
Hamburg erst 1861. Bis dato konnten Juden dort nur über Strohmänner | |
Grundbesitz erwerben. Auch Salomon Heine hatte sein Wohn- und Bankhaus am | |
Jungfernstieg auf diesem Weg gekauft, um im Stadtzentrum seinen Geschäften | |
nachzugehen. | |
Und die liefen gut für den liberalen, mit Menschen vieler Nationen und | |
Konfessionen verkehrenden Salomon Heine. Schnell hatte er sich vom | |
Banklehrling zum Teilhaber und Bankbesitzer hochgearbeitet, unterstützt von | |
der wohlhabenden Verwandtschaft. Denn die immer wieder verbreitete | |
Geschichte vom mittellosen Jungen, der in Hamburg sein Glück machte, stimme | |
so nicht, sagt Sylvia Steckmest, die – unter Verwendung bislang unbekannter | |
Dokumente – kürzlich eine neue Salomon-Heine-Biografie vorlegte. „Salomon | |
Heine hat zunächst bei seinem Altonaer Onkel gelernt und gewohnt – und sich | |
schnell als kluger Rechner und Stratege erwiesen“, sagt sie. Er habe zwar – | |
wie viele Juden seiner Generation – zeitlebens Jiddisch gesprochen und nie | |
perfekt Hochdeutsch gelernt, „aber für Korrespondenz und Dolmetschen hatte | |
er Personal“, sagt Steckmest. | |
## Auch während Napoleons Kontinentalsperre gut verdient | |
Heine verdiente sein Geld vor allem als Wechsel- bzw. Merchant-Bankier. „Da | |
es Banken im heutigen Sinne noch nicht gab, stellten diese Bankiers den | |
Kunden Bescheinigungen über einen Dreimonatskredit aus, die wie Bargeld | |
behandelt wurden“, sagt Steckmest. Wechsel, die nicht zurückgezahlt wurden, | |
gingen „zu Protest“. Diese „Wechselproteste“ – Belege der Schuldner �… | |
das Einzige, was Steckmest über Salomon Heines Geschäfte fand. 190 | |
Wechselproteste pro Jahr hat sie entdeckt. Und da die Proteste im | |
Durchschnitt fünf Prozent der Geschäfte ausmachten, nimmt sie an, dass | |
Heine insgesamt 2.000 Wechsel jährlich ausgegeben hat. | |
Selbstverständlich trieben Bankiers damals auch Handel: Während Napoleons | |
Kontinentalsperre gegen England von 1806 bis 1813 habe Heine durchaus davon | |
profitiert, dass britische Güter über Töndern oder Helgoland geschmuggelt | |
und als „dänisch“ umdeklariert wurden, sagt Steckmest. Auch habe Salomon | |
Heine gemeinsam mit anderen Bankiers Land in Brasilien erworben und am | |
Ertrag der Plantagen verdient. „Ja, dort arbeiteten Sklaven, wie es damals | |
üblich war“, räumt Steckmest ein. „Das war aber nicht sein Hauptgeschäft… | |
Im Übrigen gab er großzügig ab, in alle Schichten und Konfessionen. Er half | |
Menschen, die ohne eigene Schuld in Not geraten waren, und finanzierte das | |
– auch für Christen offene – Israelitische Krankenhaus zur Ehren seiner | |
verstorbenen Frau Betty. Ein andermal bezahlte er dem Juden David Mendel – | |
dem späteren August Neander – das Studium der evangelischen Theologie und | |
gab Geld für den Wiederaufbau christlicher Kirchen. | |
Und, nicht zu vergessen: die lebenslängliche Unterstützung seines berühmten | |
Neffen Heinrich Heine, obwohl er dessen literarische Ambitionen nicht | |
schätzte. „Sie haben sich geliebt und gestritten“, sagt Biografin | |
Steckmest. Der Choleriker Salomon Heine sei seinem scharfzüngigen Neffen | |
sprachlich oft einfach nicht gewachsen gewesen. „Aber insgesamt war es ein | |
gutes Verhältnis“, sagt sie. Auch wenn ein legendärer Streit in besagtem | |
Gartensaal mit Goldrosetten und Elbblick getobt haben soll. Aber vielleicht | |
ist das auch nur eine Legende. | |
## Heine wünschte sich sehnlichst das Bürgerrecht | |
Außer Zweifel steht jedenfalls, dass Salomon Heine undogmatisch und | |
weltoffen war und folglich dem Israelitischen Tempelverein bald nach dessen | |
Gründung 1817 beitrat. Jahre später, um 1833, hat Heine nach wiederholten | |
antisemitischen Ausschreitungen – auch bei ihm warf man eine Scheibe ein – | |
dann das „Comité zur Verbesserung der bürgerlichen Verhältnisse“ mit | |
gegründet. Dort war auch der Jurist Gabriel Riesser aktiv, der später | |
erster jüdischer Richter Deutschlands wurde und vehement für die | |
Gleichstellung der Juden focht. Die hatte Napoleon zwar schon während der | |
französischen Besatzung durch entsprechende Gesetze vorangetrieben, „das | |
meiste wurde aber bald zurückgenommen, denn Napoleons eigentliches Ziel war | |
die Vermischung des Judentums mit dem Christentum“, sagt Steckmest. | |
Dabei habe sich Salomon Heine sehnlichst das Bürgerrecht gewünscht. Doch | |
erst 1861 erließ Hamburgs Senat ein entsprechendes Gesetz, 17 Jahre nach | |
Salomon Heines Tod. Wäre es zu Lebzeiten gekommen, hätte er Mitglied beim | |
„Ehrbaren Kaufmann“ und in Hamburgs „Patriotischer Gesellschaft“ werden | |
können, wäre nicht mehr aus diesen wichtigen Netzwerken ausgeschlossen | |
gewesen. | |
Erreicht hat Salomon Heine immerhin eine Ehrenmitgliedschaft in der | |
„Patriotischen Gesellschaft“ – eine Ausnahme, die wegen seiner | |
Finanzspritzen nach dem Hamburger Brand von 1842 gemacht wurde. Anstandslos | |
hatte er damals die Sprengung seines Bank- und Wohngebäudes am | |
Jungfernstieg erlaubt, damit eine Feuerschneise entstand. „Allerdings muss | |
man bedenken: Seine Frau und sieben seiner neun Kinder waren tot, er selbst | |
betagt und kränklich“ sagt Steckmest. „Außerdem hoffte er, so das Haus | |
seines Sohnes Carl in der Großen Bleichen vor dem Feuer zu retten.“ Was | |
auch gelang. | |
Salomon Heine war eben Pragmatiker. Und als er sah, dass Hamburgs | |
Feuerkasse nach dem Brand pleite zu gehen drohte, verzichtete er auf | |
Schadensersatz und legte stattdessen einen Kredit auf. Außerdem gewährte er | |
allen Privatiers, die Geld für den Wiederaufbau brauchten, Kredit – für | |
deutlich weniger Zinsen als alle anderen Banken. Das war sozial und gut | |
fürs Geschäft. „Denn natürlich kamen dann alle zu ihm, und er hat gut | |
verdient“, sagt Steckmest. | |
## Unwürdiger Streit um Heinrich Heines Rente | |
Aber auch sonst hat ihm die Großzügigkeit wohl Spaß gemacht. Einmal zum | |
Beispiel – und diese Anekdote gilt als verbürgt – soll eine junge Frau mit | |
einer Spenderliste gekommen sein. Als er „200 Mark“ zeichnete, fragte sie, | |
ob das nicht zu viel sei, ob er sich nicht verschrieben habe. „Ja“, sagte | |
er, und machte „2.000 Mark“ daraus. Oft setzte er sich mit einem hohen | |
Betrag bewusst an den Anfang der Spenderliste, um die anderen in Zugzwang | |
zu bringen. Das bereitet ihm Vergnügen und war gut für die Reputation. | |
Um die muss sich später auch sein Sohn Carl gesorgt haben. Sonst hätte er | |
Heinrich Heine nach Salomons Tod nicht die testamentarisch verfügte Rente | |
verweigert. Erst wenn Heinrich verspräche, nichts Unrühmliches über Salomon | |
Heine zu veröffentlichen, bekäme er das Geld, so die Ansage. „In der Tat | |
hat sich Heinrich Heine ungeschickt verhalten“, sagt Biografin Steckmest. | |
„Wiederholt hat er gedroht, Tagebücher zu veröffentlichen und die Familie | |
durch seine Schreiberei zu schädigen.“ Dabei habe es die angeblich | |
kompromittierenden Tagebücher gar nicht gegeben. | |
Bleibt die Frage, ob Hamburg diesen Mäzen angemessen würdigt. Die Antwort | |
lautet: Nein. In den 1950er- und 1960er-Jahren vermietete die Stadt das | |
Heine-Gartenhaus zunächst an Arbeitsmigranten und ließ es nach deren Auszug | |
vergammeln. Nachbarn machten das schließlich öffentlich und gründeten 1975 | |
den „Verein Heine Haus“. Inzwischen gehört das Haus zum Altonaer Museum | |
beziehungsweise zur Stiftung Historische Museen, die die Fixkosten trägt, | |
doch alles andere – Renovierung, Inventar-Beschaffung sowie bis zu 20 | |
Lesungen pro Jahr – bezahlen und organisieren noch immer die 86 | |
Vereinsmitglieder. | |
Die kommen zwar großteils aus den gut situierten Elbvororten, aber ohne die | |
Hilfe von privaten Stiftungen sind die Aufgaben nicht zu bewältigen. Erst | |
seit Kurzem hat die Vereinsvorsitzende Beate Borowka-Clausberg so eine | |
bezahlte 30-Stunden-Stelle als Geschäftsführerin. Wenn man bedenkt, dass | |
sie ein leeres Haus vorfand, das sie nach und nach mit auf Antikmärkten | |
gekauften Möbeln aus der Heine-Zeit bestückte (der Hartwig-Hesse-Stiftung | |
schwatzte sie sogar einen Originalschrank von Heine-Tochter Therese ab), | |
ist das arg viel privates und wenig städtisches Engagement. | |
Dabei ist Salomon Heine dem Senat längst nah: Im Bürgerschaftssaal B des | |
Rathauses hängt ein großes Porträt von ihm, das ein unbekannter Künstler | |
1835 schuf. Gewusst hat das lange niemand. Erst als Beate Borowka-Clausberg | |
vor einiger Zeit nachfragte, ging ein Rathausmitarbeiter auf die Suche – | |
und wurde fündig. Ins Rathaus hat es Salomon Heine also immerhin geschafft. | |
Heine-Haus: Elbchaussee 31. Regelmäßige Mittwochs-Soireen und | |
Sonntags-Matineen über jüdisches Leben sowie Literatur, Malerei, Musik der | |
Heine-Zeit: www.heine-haus-hamburg.de | |
11 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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