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# taz.de -- Ökologische Landwirtschaft: Frau Li bringt China bio bei
> Bio-Lebensmittel sind in China selten. Doch Pioniere ackern beharrlich
> daran, die Mittelschicht für Gesundes und Krummes zu begeistern.
Bild: Ein Landwirt in Nanjing baut Reis an – hier noch konventionell
Man sieht Li Yan nicht gleich an, was sie im letzten Jahrzehnt erreicht
hat. Wer ihr begegnet, sieht eine kleine Frau mit freundlichem Gesicht und
sanfter Stimme, die weder Make-up noch teure Kleidung zum Glücklichsein
braucht. Doch die Chinesin, die in ihrem früheren Leben Geld als Maklerin
verdiente, hat die Demeter-Philosophie ins Reich der Mitte gebracht. Die
Öko-Pionierin schuf die erste Farm, die 2009 das begehrte Siegel des
strengen Biozertifizierers Demeter erhielt.
Es war eine zufällige Begegnung, die Li Yan zur Vorreiterin der Bioszene
werden ließ: „Ich habe 2007 einen Demeter-Fachmann kennengelernt, der mir
von dieser Art der Landwirtschaft erzählt hat. Das hat mich als
Vegetarierin sofort begeistert.“ Entschlossen widmete sich die Chinesin der
Vision, aus 13 Hektar Brachland, die sie in den 1990er Jahren erworben
hatte, Anbauflächen für Demeter-Gemüse zu machen.
Zehn Jahre später ist die „Phoenix Hills Commune“ am Rande der Hauptstadt
Peking ein Vorzeigeprojekt der Biobewegung Chinas. Die Farm liegt malerisch
am Fuße einer Bergkette, des Phönix-Nationalparks. „Wir bauen vor allem
grünen Spargel, Kartoffeln, Karotten, Okra, Kohl und unseren Bestseller
Yamswurzeln an. Außerdem haben wir drei Obstplantagen“, erklärt Kevin Chen,
der Sohn von Li Yan.
Bei einem Rundgang über das weitläufige Gelände begegnen den Besuchern frei
laufende Kühe, Gänse und Enten, der Esel versteckt sich irgendwo. Eine
Idylle am Rande des Millionenmolochs Peking. Familien unternehmen am
Wochenende Ausflüge zur Phönix-Farm oder helfen gleich mit. Rund 50
Parzellen sind vermietet an Städter, die ihren Kindern die Gelegenheit
geben wollen, ihre eigenen Karotten zu ernten. Etwas versteckt am Rande der
Farm liegt ein Waldorfkindergarten.
Immer wieder wurde China in den letzten Jahren von Lebensmittelskandalen
erschüttert, mal ging es um vergammeltes Fleisch oder um verseuchte
Babymilch. Hinzu kommt der Smog, der vor allem Nordchina oft einhüllt. Ein
Fünftel des Ackerlandes ist mit Schwermetallen belastet, 40 Prozent der
Flüsse sind verseucht.
## Die Regierung unterstützt die Entwicklung
Deshalb ist vor allem die Mittelschicht bereit, das Doppelte bis Dreifache
des üblichen Preises für Biolebensmittel auszugeben. Der Markt ist klein,
doch er wächst stetig. 2013 lag der Umsatz für Biolebensmittel in China bei
1,57 Milliarden Euro, mehr als 6.000 Bauern produzieren nach nationalen
biologischen Standards. Die Regierung unterstützt die Entwicklung:
Anforderungen für den Biolandbau werden verschärft, ebenso die Kontrollen,
um Misstrauen bei den Konsumenten abzubauen. Demeter-Höfe gibt es im
gesamten Land aber nur sechs.
Vor allem in den urbanen Zentren des Landes ist Bio gefragt. Auf
Bauernmärkten in Peking, Schanghai oder Guangzhou kaufen schicke Städter
direkt vom Produzenten. Alternativen sind Fachgeschäfte wie Lohao-Stadt,
die auch importierte Biowaren führen. Online bietet „Tootoo“ auch Kosmetik,
Haushaltswaren und Kleidung in Ökoqualität. Sojabohnen, Tee und Ingwer aus
China finden sich auch in europäischen und amerikanischen Bioläden.
Die Phoenix-Farm hat trotzdem zu kämpfen. „Wir schreiben rote Zahlen“, gibt
Kevin Chen zu. Ein Problem sei die Vermarktung: „Viele Chinesen wollen noch
immer perfekt aussehendes Gemüse und Obst, vor allem wenn sie mehr dafür
zahlen müssen wie bei unseren Waren. Kleine Karotten oder krumme Gurken
mögen sie nicht.“ Viel Geld schluckt die Akademie, mit der Chens Mutter Li
Yan jungen Chinesen bio-dynamischen Landbau beibringen will. Acht Studenten
bildet die Farm kostenlos aus. Zudem hat Li Yan in kleine Gasthäuser, eine
Bibliothek und ein veganes Restaurant investiert.
Dort stehen an einem kleinen Buffet gerade die Teilnehmer der jährlichen,
zweiwöchigen Demeterschulung an. Frau Li ist glücklich, wenn sie sieht,
dass es Nachwuchs gibt, „der meine Leidenschaft für biodynamischen Anbau
und eine gesunde Umwelt teilt. So viele junge Menschen haben keinerlei
Interesse daran, wo ihr Essen herkommt.“ Auch wenn ihre Ersparnisse
allmählich schwinden: „Ich glaube, wir werden den Durchbruch schaffen.
China ist reif dafür“, sagt Li Yan.
4 Dec 2017
## AUTOREN
Hilja Müller
## TAGS
China
Bio-Lebensmittel
Demeter
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
China
Schwerpunkt Klimawandel
China
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