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# taz.de -- Ugandas führender Bürgerrechtsanwalt: „Gewehrlauf zwischen den …
> Nicholas Opiyo wird in Deutschland für sein Engagement in Uganda geehrt.
> Es spricht von seiner Arbeit, seiner Gefährdung – und was ihm diese
> Anerkennung bedeutet.
Bild: „Jetzt zeigt sich die repressive Seite unseres Staats“: Tränengas- u…
taz: Herr Opiyo, auf dem Regal hinter Ihrem Schreibtisch stehen ja schon so
viele Preise. Was bedeutet es für Sie, den Deutschen Afrika-Preis zu
bekommen?
Nicholas Opiyo: Der war für mich eine echte Überraschung, denn davon hatte
ich bislang noch nie gehört. Ich bin sehr berührt und voller Demut,
immerhin ist Deutschland quasi die mächtigste Nation der Welt derzeit. Der
Preis macht mir sehr viel Mut!
Die Deutsche Afrika-Stiftung ehrt unter anderem Ihr Engagement um Ugandas
sogenanntes Anti-Homosexuellen-Gesetz, gegen das Sie erfolgreich vor dem
Verfassungsgericht geklagt haben. Was war für Sie der wichtigste Fall in
den vergangenen Jahren?
Jeder Fall ist mir wichtig. Doch einige habe ich aus tiefsten Herzen
bestritten. Vor allem die Verteidigung von Thomas Kwoyelo, ehemaliger
Kommandeur in der Lord’s Resistance Army (LRA). Meine Familie war selbst
Opfer der LRA-Rebellen. Dieser hochrangige Kommandeur hat mich gebeten, ihn
zu verteidigen. Sieben Jahre lang sind wir zwischen den Gerichten hin und
her gerannt, um für ihn Gerechtigkeit zu ersuchen, denn er wurde von der
Regierung unfair behandelt, er hat nicht wie die anderen Kommandeure
Amnestie bekommen. Der Fall des Anti-Homosexuellen-Gesetzes war hingegen
der schwerste Fall meines Lebens. Nicht nur meine eigene Familie, sondern
jeder im Land hat mich dafür angegriffen. Aber ich bin der festen
Überzeugung, dass diese institutionalisierte Diskriminierung falsch ist.
Die Ehrung bekommen Sie auch, weil Sie die Organisation „Chapter4“
gegründet haben, die Benachteiligten in Uganda kostenlosen Rechtsbeistand
anbietet. Was war Ihre Motivation dahinter?
Die Idee hatte ich zuerst 2009, als in Kayunga nicht weit von Kampala
Demonstrationen brutal niedergeschlagen wurden. Das war eine grässliche
Verletzung der Menschenrechte von Seiten des Staats. Es wurde auf
Demonstranten geschossen, Menschen wurden getötet und verhaftet. Sie
brauchten dringend Unterstützung. Zur selben Zeit begann die Regierung,
gegen die Homosexuellen vorzugehen. Auch sie verdienten Rechtsbeistand.
So hatte ich damals die Idee und 2010 haben wir informell begonnen,
kostenlosen Rechtsbeistand für diskriminierte Minderheiten anzubieten. Seit
2013 tun wir das nun offiziell. Der Name „Chapter4“ entstammt unserer
Verfassung: Paragraf 4 definiert die Rechte aller ugandischen Bürger und
besagt, dass der Staat die Menschenrechte achten und bewahren muss. Wir
wollen also alle vertreten, die sich dafür einsetzen – kostenlos. Wir
finanzieren uns über Spenden aus der ganzen Welt.
Als der führende Anwalt Ugandas, der sogar gegen den Polizeichef vor
Gericht zieht, sind Sie in den Augen der Mächtigen ein enormer Störenfried.
Werden Sie manchmal bedroht, fürchten Sie um Ihre Sicherheit?
Wenn ich anfangen würde, die Risiken abzuwägen, würde ich diesen Job wohl
nicht machen. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken. Ich hatte vor nicht
langer Zeit einen Gewehrlauf zwischen den Rippen. Als wir im August 2016
den Polizeichef anklagten, wurde mein Auto zerschmettert, ein Mob wollte
mich lynchen, und seitdem bekomme ich jeden Tag Drohanrufe. Ich habe im
Auto, im Büro und zu Hause Überwachungskameras installiert. Ich gehe nicht
mehr aus, habe kein soziales Leben. Ich gehe abends von der Arbeit direkt
nach Hause, aber auch dort lungern Leute herum. Gut, wenn dich in Uganda
jemand umbringen will, dann kündigt er es nicht vorher an – das ist also
alles Einschüchterung. Deswegen bin ich wirklich dankbar für diesen Preis:
Die internationale Anerkennung meiner Arbeit gibt mir ein Stück Sicherheit.
Ich kann jetzt etwas beruhigt jeden Tag in Uganda sagen: Ich bin hier, ich
tue meinen Job!
Ugandas Parlament debattiert gerade, ob die Verfassung geändert werden
soll, um Präsident Yoweri Museveni an der Macht zu halten. Laut der
verfassungsmäßigen Altersbeschränkung von 75 Jahren darf er bei den
nächsten Wahlen nicht mehr antreten. Ist das nun der entscheidende Kampf
für Sie und für Uganda?
Uganda steht ganz klar am Scheideweg: Wir haben zum ersten Mal seit der
Unabhängigkeit 1962 eine Chance, eine friedliche Machtübergabe zu
vollziehen. Doch die steht mehr und mehr infrage, weil diejenigen an der
Macht versuchen, die Verfassung zu ändern. In einem Land, wo 78 Prozent der
Bevölkerung Jugendliche sind, gibt es eine enorme Sehnsucht, an der
Regierung teilzuhaben. Doch die alte Riege an der Macht will das nicht
zulassen. Unsere Demokratie steht vor enormen Herausforderungen, und jetzt
zeigt sich die repressive Seite unseres Staats: Die Medienfreiheit und die
Zivilgesellschaft werden angegriffen. Die Polizei greift zu Gewalt, wir
erleben Fälle von Folter, die Sicherheitsorgane gründen Milizen und
paramilitärische Gruppen.
Welche Rolle spielt das in der Region, die ja insgesamt seit Jahrzehnten
von brutaler Gewalt und Kriegen geprägt ist?
Uganda wird immer wieder als stabilisierender Faktor bezeichnet. Immerhin,
wir haben denselben Präsidenten, seit ich fünf Jahre alt bin und mich
erinnern kann. Er ist der Großvater der Region und wird gepriesen für seine
Rolle im Kampf gegen den Terror und seine offenherzige Flüchtlingspolitik.
Aber Präsident Museveni bietet nicht nur Lösungen für Probleme, sondern
erzeugt sie auch selbst. Uganda mischt sich im Südsudan und im Kongo ein
und erzeugt damit auch Flüchtlinge. Die westliche Welt hat bislang bei
Museveni ein Auge zugedrückt, weil er sich gegen den Terror engagiert. Doch
jetzt wird er zunehmend undemokratisch und damit eher Teil des Problems
anstatt Teil der Lösung.
Uganda war einst Vorreiter, sich in der internationalen Justiz zu
beteiligen, im Rahmen des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.
Doch nun wurde Sudans Präsident Omar al-Baschir trotz internationalen
Haftbefehls in Uganda empfangen, und Museveni hat auch die Ermittlungen des
Strafgerichtshofs in Burundi kritisiert. Er sagt, die Afrikaner sollen
eigene Lösungen ihrer Probleme finden. Stellt das Ugandas Vorbildrolle in
Frage?
Unsere afrikanischen Führer sind absolut unehrlich. Zuerst unterzeichnen
sie das Rom-Statut und werden Mitglied der globalen Justiz, dann überweisen
sie freiwillig alle Fälle gegen ihre politischen Gegner nach Den Haag, und
dann wollen sie ihren internationalen Verpflichtungen nicht mehr
nachkommen. Wir müssen doch vertrauenswürdig sein! Wenn afrikanische
Staatschefs nicht wollen, dass sich der Internationale Strafgerichtshof in
ihre internen Konflikte einmischt, dann müssen sie selbst eine glaubwürdige
und unabhängige Justiz einrichten, die mit brutalen Gewaltverbrechen
umgehen kann. Wenn die sogenannten afrikanischen Lösungen der Probleme
scheitern, dann können sie nicht einfach sagen, der Internationale
Strafgerichtshof ist ein böses Gericht! Besonders nicht Uganda, immerhin
haben wir einen Richter in Den Haag, wir haben das einzige Büro des
Strafgerichtshofs auf dem Kontinent und einen laufenden Fall vor dem
Weltgericht!
23 Nov 2017
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Uganda
Menschenrechte
Bürgerrechte
Uganda
LRA
Uganda
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