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# taz.de -- 50. Geburtstag von Boris Becker: Danke, Bobbele!
> Boris Becker war der erste deutsche Kommerzsportheld. Er hat sich und den
> Tennissport groß gemacht. Heute wird er fünfzig Jahre alt.
Bild: Gute Balance: Boris Becker in seinem Habitat
Tennis haben die anderen gespielt. Die Doktoren, Ärzte, die Beamten im
gehobenen Dienst. Es wurde in Weiß gespielt. Und wer Anfang der 80er Jahre
an einer dieser Tennisanlagen in Westdeutschland vorbeiging, die oft etwas
Aristokratisches ausgestrahlt haben, der musste den Eindruck bekommen, dass
es nicht so recht angesagt ist zu schwitzen bei diesem Sport. Uli Pinner
und Rolf Gehring waren die besten deutschen Männer im Welttennis, und
niemand schien sich daran zu stören, dass sie zur Weltspitze immer einen
gehörigen Sicherheitsabstand hatten. 40:30, Einstand, Vorteil, Spiel. Es
war egal, ob man wusste, wie im Tennis die Punkte gezählt werden. Man
durfte wissen, wer Björn Borg war oder Chris Evert. Man musste es aber
nicht. Dann kam der Leimener.
Als am 7. Juli 1985 ein rotblonder Bub das Finale von Wimbledon gewann, als
erster Deutscher, als erster Ungesetzter, als erster 17-Jähriger, hatte der
Tennissport seine weiße Nische verlassen. Becker hat Tennis zu einem
deutschen Sport gemacht. Deutschland wurde innerhalb einer Woche zur
Tennisnation. Während der junge Becker Tim Mayotte, Henry Leconte, Anders
Järryd und im Finale Kevin Curren schlug, lernten die Deutschen das Zählen,
ließen sich aufklären über die Bedeutung von Grand-Slam-Turnieren, die
besondere Rolle von Wimbledon, über die Eigenheiten des Tennissports auf
Rasen und dass der Aufschlag von Becker seinesgleichen sucht. Die Deutschen
hatten schnell kapiert, wie Tennis geht: Bum! Bum!
Unvergessen sind die Bilder des jubelnden Jugendlichen mit dem Pokal.
Unvergessen sind auch die Bilder eines deutschen Ehepaars aus dem Badischen
auf der Tribüne, die ihrem Sohn zujubeln, die Bilder von Becker senior, der
mit seiner kleinen Knipse Fotos machte. Leimen hatte Wimbledon erobert. Die
deutsche Provinz hatte die Weltbühne betreten. Seinem Manager, dem
ehemaligen rumänischen Tennisspieler Ion Tiriac, der heute Milliardär ist,
konnte das nicht gefallen. Er tat alles, um Becker zu einer Weltmarke
aufzubauen. Er schob ihn raus aus der Provinz, rein in die Promiwelt. Mit
den Erfolgen auf dem Tennisplatz, dem Beckerhecht, den Selbstbeschimpfungen
bei Rückstand, besetzte er die besten Plätze auf den Sportseiten, mit
seinen Frauengeschichten wurde er zum Superstar der
Klatschberichterstattung. Die Deutschen hatten bald ihre feste Meinung
darüber, wie Becker privat funktioniert: Bums! Bums!
Drei Mal hat er Wimbledon gewonnen, ein Mal die US Open, zwei Mal die
Australian Open, war 12 Wochen lang die Nummer eins der Tenniswelt. Und
doch gilt als sein größter Coup der als Besenkammersex in die
Sportgeschichte eingegangene Geschlechtsakt mit einer Frau, die alsbald
seine Tochter zur Welt bringen sollte. Die Besenkammer sei ein verwinkeltes
Treppenhaus hinter dem Londoner Restaurant Nobu gewesen, schrieb Becker
später in seiner Autobiografie „Das Leben ist kein Spiel“. Darin schreibt
er auch, dass er dem Boulevard zu viel von sich preisgegeben hat, um in dem
Buch munter weiter Geschichten aus dem Privatleben eines Promis
auszupacken. Belanglosigkeiten eigentlich. Aber Becker hat es geschafft,
dass man sich für ihn interessiert, auch wenn es nicht wirklich interessant
ist, was er zu erzählen hat: Hört! Hört!
## Gestapelte Nichtigkeiten
Seine erste Frau Barbara sei mit den 5.000 Mark Haushaltsgeld nie
ausgekommen, schreibt Becker und dass er ihr vorgerechnet habe, sie besitze
diesen einen Pullover doch schon in drei Farben, in einer vierten und
fünften müsse sie ihn nicht auch noch haben. „Ich bin doch kein
Dukanetesel“, will er zu ihr gesagt haben. Derartige Nichtigkeiten stapeln
sich in den Kapiteln seiner zweiten Autobiografie von vor zwei Jahren, die
angeblich ganz ehrlich ist, während er die erste („Augenblick, verweile
doch!“) mittlerweile bereue, weil er als damals 36-Jähriger darin zu dick
aufgetragen habe.
Dabei ist es längst egal, ob man Becker glaubt oder nicht. Er kann
erzählen, was er will. Die Deutschen folgen ihm. Als er die Hochzeit mit
der Niederländerin Sharley Kessenberg in St. Moritz als Mehrtagesorgie
inszeniert, überträgt das deutsche Privatfernsehen teilweise live vom
Event. Auf BBeckerTV im Netz kann man später dem Ehepaar beim Frühstücken
zuschauen. Ob Becker mitbekommen hat, dass er sich auf dem Weg zur
Witzfigur befindet? Ha! Ha!
Und während die Sportwelt darüber staunte, dass Becker immer noch etwas vom
Tennis versteht, weil er den Serben Novak Djokovic als Trainer zu sechs
Grand-Slam-Siegen führte, liefen die Geschäfte des einstigen
Preisgeldmillionärs nicht allzu gut. Becker war mal reich, so reich, dass
er sein Geld am Fiskus vorbei lenkte. 2002 wurde er wegen
Steuerhinterziehung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verdonnert. Um
über drei Millionen Euro soll er den Staat betrogen haben. Damals beglich
er seine Steuerschuld, zahlte eine halbe Million Bußgeld und war wohl immer
noch reich.
Als er sein ein wenig teigig gewordenes Gesicht zum Pokerface machte und
sich als Werbefigur für eine Glückspiel-Plattform an grün gedeckte Tische
setzte, hätte niemand gedacht, dass er das Geld wirklich brauchen könnte.
Man wusste, dass er als Geschäftsmann nicht immer die glücklichste Hand
hatte. Dass er pleitegehen könnte, wie es ein Londoner Gericht im Juni
feststellte, hätten die wenigsten für möglich gehalten. Jetzt sehen ihm die
Deutschen lustvoll beim Straucheln zu: Rums! Peng!
Zu seinem 50. Geburtstag hat Boris Becker vom Tod gesprochen und dass er
sich wünscht, in Wimbledon begraben zu werden. Wir wünschen ihm ein langes
Leben, immer genug Deckung für die Kreditkarte. Alles Gute, Boris!
22 Nov 2017
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Boris Becker
Tennis
Wimbledon
Insolvenz
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