# taz.de -- Stellenabbau am Goethe-Institut: Protest gegen Mehrarbeit | |
> Erst wurden 400 Honorarlehrkräfte entlassen, nun sollen die | |
> Festangestellten mehr arbeiten. Am Montag werden die Tarifverhandlungen | |
> fortgesetzt. | |
Bild: Protest vor dem Goethe-Institut in München am Freitag | |
BERLIN taz | Schlechte Stimmung bei den Lehrkräften am Goethe-Institut. | |
Erst entließ das renommierte Sprach- und Kulturinstitut im Januar [1][rund | |
400 Honorarlehrkräfte], nun sollen die verbliebenen MitarbeiterInnen | |
schlechtere Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen, um die durch den | |
Stellenabbau entstandene Mehrarbeit zu stemmen. | |
Wie die für die Tarifverhandlungen mit dem Goethe-Institut zuständige | |
Bildungsgewerkschaft GEW der taz mitteilte, sollen die Lehrkräfte zu mehr | |
Unterrichtsstunden verpflichtet werden und freie Arbeitstage aus dem | |
Tarifvertrag gestrichen werden. „Das Ende der Fahnenstange ist erreicht“ | |
sagt GEW-Tarifreferent Oliver Brüchert. „Den Forderungen des | |
Goethe-Instituts können wir auf keinen Fall zustimmen. Damit würden wir den | |
Angestellten in den Rücken fallen“. | |
Am Montag werden die seit fünf Monaten ruhenden Tarifverhandlungen | |
fortgeführt. „Eine Einigung ist nur möglich, wenn der Vorstand des | |
Goethe-Instituts seine Haltung überdenkt und auf die GEW zukommt“, sagt | |
Brüchert. | |
## Proteste in schwarz | |
Die Gewerkschaft hatte die MitarbeiterInnen deshalb zu Protestaktionen am | |
Freitag aufgerufen. Beteiligt haben sich die Institute in Berlin, München, | |
Mannheim, Düsseldorf, Schwäbisch-Hall und Frankfurt. An vielen Instituten | |
waren die LehrerInnen ganz in schwarz gekleidet erschienen und nutzten die | |
Mittagspause, um ihren Unmut über die Personalpolitik des Vorstands zu | |
äußern. | |
„Es muss sich dringend etwas ändern“, begründet eine Mitarbeiterin vom | |
Goethe-Institut Düsseldorf ihre Teilnahme. „Wir sollen zehn Prozent mehr | |
arbeiten. Das schaffen wir einfach nicht.“ Kommendes Jahr sollten die | |
Institute nach dem Krisenjahr 2017 wieder ein Plus einfahren, da bräuchte | |
man mehr Kolleginnen. | |
„Uns wurden schon beim letzten Tarifvertrag vier Ausgleichstage genommen“, | |
sagt ein Deutschlehrer vom Goethe-Institut Berlin. „Nun sollen nochmal fünf | |
gestrichen werden. Dabei machen wir jetzt schon Überstunden“. Sollte die | |
GEW zum Warnstreik aufrufen, schließt er sich an. „Wir sind nicht bereit, | |
die Fehler des Vorstands auszubaden“. | |
## Kaum Festanstellungen | |
Das Goethe-Institut hat in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl der | |
freien MitarbeiterInnen stetig ausgeweitet, jedoch so gut wie keine neuen | |
Festanstellungen im Sprachbereich geschaffen. Der mit der GEW in den | |
1990ern vereinbarte Schlüssel „60 Prozent Feste, 40 Prozent Freie“ hat sich | |
längst umgekehrt. Zuletzt gaben die Honorarlehrkräfte 80 Prozent der Kurse, | |
schätzt die GEW. | |
Doch dann stellte die Deutsche Rentenversicherung bei der Prüfung der | |
Honorarverträge Scheinselbständigkeit fest. Dem Goethe-Institut drohten mit | |
einmal Rückzahlungen in Millionenhöhe. Daraufhin wurden zunächst keine | |
Honorarkräfte mehr weiterbeschäftigt – mit dramatischen Folgen für beide | |
Seiten. | |
Für viele zum teil langjährigen MitarbeiterInnen brach über Nacht ihre | |
Haupteinnahmequelle weg. Und das Goethe-Institut musste zahlreiche Kurse | |
stornieren. Nach eigenen Angaben konnten rund 20 Prozent der | |
Erwachsenenkurse in diesem Jahr nicht angeboten werden. Und das gefährdet | |
das Geschäftsmodell der Inlandsinstitute. Die müssen sich – im Gegensatz zu | |
den vom Auswärtigen Amt unterstützen Auslandsinstituten – über | |
Eigeneinnahmen finanzieren. | |
Deshalb, teilt das Goethe-Institut auf Anfrage mit, befinde man sich mit | |
GEW und dem Betriebsrat in Gesprächen. Man wolle die Wirtschaftlichkeit der | |
Inlands-Institute „für die Zukunft nachhaltig gewährleisten und die neuen | |
Entwicklungen infolge der laufenden Prüfung der deutschen | |
Rentenversicherung tragfähig gestalten“. | |
## Kein Zutritt ins Lehrerzimmer | |
Die GEW erkennt darin eine Rückkehr zu einem Geschäftsmodell, das darauf | |
zielt, bei den Lohnkosten zu sparen. So hat das Goethe-Institut seit Januar | |
zwar rund 70 MitarbeiterInnen neu angestellt, allerdings nur mit | |
befristeten Verträgen. Und mittlerweile werden auch wieder | |
Honorarlehrkräfte beschäftigt. „Offenbar strebt der Vorstand das alte | |
Geschäftsmodell wieder an“, sagt der Berliner Lehrer. | |
An seinem Institut unterrichten seit Herbst wieder acht Honorarlehrkräfte. | |
Und zwar zu Konditionen, die eine Scheinselbstständigkeit ausschließen | |
sollen „Ich darf keine Prüfungen abnehmen, darf das Lehrerzimmer nicht | |
betreten und darf mit den festangestellten Kollegen keinen fachlichen | |
Austausch haben“, verrät eine, die als Honorarkraft Deutschkurse gibt. | |
Das Goethe-Institut bestätigt, dass die neuen Verträge den Vorgaben der | |
Deutschen Rentenversicherung entsprechen. Viele der Festangestellten, die | |
heute protestieren, tun dies auch für ihre KollegInnen: „Das | |
Goethe-Institut entzieht sich weiter seiner Verantwortung für die | |
Honorarlehrkräfte“, sagt die Mitarbeiterin aus Düsseldorf. „Auch deswegen | |
protestiere ich“. | |
17 Nov 2017 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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