# taz.de -- Reinbek nicht mehr am Puls der Zeit: Der Weg führt nach Hamburg | |
> Der Rowohlt-Verlag zieht nach Jahrzehnten zurück nach Hamburg. Für die | |
> Reinbeker eine emotional schwer zu verkraftende Entscheidung | |
Bild: Das Rowohlt-Verlagshaus in Reinbek: Da ist dann Hamburg schon irgendwie g… | |
HAMBURG taz| Als der Rowohlt-Verlag 2008 100 Jahre alt wurde, beschrieb der | |
Schriftsteller und Journalist Fritz J. Raddatz in einem Beitrag für die | |
Wochenzeitung Die Zeit den Verleger Heinrich Maria Ledig-Rowohlt. Für ihn, | |
unter anderem Erfinder von Rororo, der im Juni 1950 gestarteten ersten | |
deutschen Taschenbuchreihe, sei „der Verlag (Schaukelpferd und elektrische | |
Eisenbahn in seinem Büro!) ein Riesenspielplatz“ gewesen. | |
In absehbarer Zeit wird man verlagshistorisch interessierten Besuchern, die | |
mit Wehmut betrachten, dass Paradiesvögel wie Ledig-Rowohlt in der Branche | |
selten geworden sind, nicht mehr den Raum zeigen können, in dem dieser | |
seine Eisenbahn fahren ließ. Am vergangenen Wochenende wurde durch eine | |
Meldung des Magazins Der Spiegel bekannt, dass der Rowohlt-Verlag aus | |
Reinbek an den Hamburger Hauptbahnhof ziehen wird. Im Bieberhaus, das ab | |
Herbst 2018 der Verlagssitz sein wird, befindet sich unter anderem das | |
Ohnsorg-Theater und der Delikatessenladen Mutterland. Ins Gerede kam das | |
Gebäude im Sommer 2016, als der Besitzer das bis dahin dort untergebrachte | |
Straßenkinderprojekt Kids vertrieb. | |
1960 war Rowohlt aus dem Grindelviertel nach Reinbek übergesiedelt. Dass es | |
den Verlag nach mehr als einem halben Jahrhundert im östlichen Vorort nun | |
wieder Richtung Westen zieht, hatte dieser bereits im vergangenen Sommer | |
angekündigt. Peter Kraus vom Cleff, der kaufmännische Geschäftsführer, | |
begründete den Standortwechsel unter anderem damit, dass zwei Drittel der | |
150 Mitarbeiter in Hamburg leben. | |
„Dank uns weiß man, wo Hamburg liegt“, lautete einst ein ironischer | |
Werbespruch Rowohlts – eine Anspielung darauf, dass im Impressum der Bücher | |
als Verlagsstandort „Reinbek bei Hamburg“ angegeben ist. Orte von der Grö�… | |
Reinbeks finde man „üblicherweise nicht auf der Europakarte“, sagt Björn | |
Warmer, Reinbeks Bürgermeister. Rowohlt diene dort quasi als „Leuchtkugel“ | |
für die 27.000-Einwohner-Stadt. | |
Der SPD-Politiker kann den Wegzug des Verlags zwar nachvollziehen, | |
schließlich sei man in Hamburg eher „am Puls der Zeit“ als in einem | |
beschaulichen Vorort. Auf „emotionaler Ebene“ sei die Entscheidung aber | |
schwer zu verkraften. Für mehrere Generationen seien Reinbek und Rowohlt | |
untrennbar verbunden. Warmers Mutter gehörte zu den Rowohltianern, wie man | |
in Reinbek die Angestellten des Verlags nennt, er selbst jobbte einst als | |
Schüler in den Ferien bei Rowohlt. Das Reinbeker Rathaus, Warmers Amtssitz, | |
liegt in der direkten Nachbarschaft des Verlags. | |
In der Hamburger Straße und im Völckers Park entstanden zwischen 1957 und | |
1960 sowie 1968 und 1970 ein Ensemble aus zwei Flachbauten und einem | |
zweigeschossigen Kubus. Teile davon stehen seit Ende 2003 unter | |
Denkmalschutz. Das Ensemble, geprägt unter anderem von unterschiedlichen | |
Dachneigungen, stammt von dem bedeutenden Hamburger Nachkriegsarchitekten | |
Fritz Trautwein (1911-1993). Er hat auch die Grindelhochhäuser und der | |
Fernsehturm, mehrere U-Bahn-Tunnelhaltestellen sowie die Hochbauten an den | |
Bahnhöfen Landungsbrücken und Burgstraße entworfen. | |
Aus architekturhistorischer Sicht sei der bevorstehende Auszug Rowohlts aus | |
dem Trautwein-Bau „sehr bedauerlich“, sagt Jan Lubitz, der sich in | |
verschiedenen Veröffentlichungen mit Hamburger Architekturgeschichte | |
befasst hat. „Das ist kein Nutzbau“, sondern „eine explizite künstlerisc… | |
Setzung“. Lubitz, der derzeit für das Niedersächsische Landesamt für | |
Denkmalpflege tätig ist, verweist auf den „skulpturalen Charakter“ der | |
Gebäude und betont, Trautwein habe sein Konzept seinerzeit auf die | |
„Arbeitswelt von Rowohlt zugeschnitten“. | |
Der künftige Mieter sollte also die elaborierte Bauweise zu schätzen | |
wissen. Am ehesten dürfte dies auf Unternehmen aus der Kultur- und | |
Kreativwirtschaft zutreffen. Wer nur auf Zweckmäßigkeit setze, für den sei | |
der Gebäudekomplex nicht geeignet, sagt auch Bürgermeister Warmer. Die | |
Sorge, dass er „länger leer stehen wird“, habe er allerdings nicht. | |
Immerhin: „Global Player“, wie Warmer es formuliert, wird es in Reinbek | |
auch nach dem Weggang des Verlags weiterhin geben. Dazu zählt Warmer den | |
Medikamentenhersteller Allergopharma und die Firma Hertz Flavors, die | |
Aromen für die Tabakindustrie produziert. Allerdings: Als Imagefaktor | |
taugen Firmen für Tabletten und Tabakzusatzstoffe – anders als ein | |
Buchverlag – eher nicht. | |
7 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
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