| # taz.de -- „Free Wifi Berlin“: Freies Netz bleibt ziemlich virtuell | |
| > Der Senat wollte ganz Berlin mit WLAN ausstatten. Doch davon kann keine | |
| > Rede sein. Am wenigsten profitieren bisher Touristen davon. | |
| Bild: Wo ist es denn jetzt, das städtische Netz? Auf der Straße wird man fast… | |
| Was haben die Museumsinsel, der Ku’damm, die Siegessäule, der Reichstag, | |
| der Checkpoint Charlie, der Kollwitzplatz, das Tempelhofer Feld, der | |
| Viktoriapark und der Hauptbahnhof gemeinsam? Genau: Alle sind öffentliche | |
| Orte in Berlin, die viele Menschen anziehen – und sie bieten keinen Zugang | |
| zum städtischen Gratis-WLAN „Free Wifi Berlin“. Die Negativliste lässt si… | |
| fast beliebig verlängern. Lediglich an einer Handvoll touristischer | |
| Outdoor-Locations – darunter das Brandenburger Tor, das Rote Rathaus und | |
| die Zitadelle Spandau – erscheint „Free Wifi“ auf dem Smartphone-Display. | |
| Als im Sommer 2016 „Free Wifi Berlin“ den Betrieb aufnahm, war das der | |
| vorläufige Schlusspunkt einer jahrelangen Debatte um ein öffentliches | |
| Funknetz, wie es in anderen Metropolen längst gang und gäbe war. In Berlin | |
| gab es vorher gerade für TouristInnen nur die Möglichkeit, sich die bequeme | |
| Datenquelle etwa durch ein Getränk in einem Café zu erkaufen. Mit der | |
| Nürnberger Firma abl social federation GmbH und dem Hörbuchhersteller | |
| audible als Sponsor hatte die Senatskanzlei dann endlich | |
| Kooperationspartner für den Anschluss ans digitale Zeitalter gefunden – und | |
| mit einer Anschubfinanzierung von 170.000 Euro kam das Land sogar ziemlich | |
| günstig dabei weg. | |
| Betrachtet man allerdings heute die „Free Wifi“-Standortkarte, wird klar: | |
| Von einem umfassenden, über die gesamte Stadt verteilten WLAN-Angebot, wie | |
| es der Senat immer wieder als Ziel formuliert hat, ist Berlin Lichtjahre | |
| entfernt. | |
| Schon die von der Senatskanzlei verbreitete Zahl von 656 „Hotspots“ ist | |
| irreführend: Real handelt es sich um rund 280 Standorte, an denen teilweise | |
| mehr als ein Router aufgebaut ist, es also rechnerisch mehrere | |
| Zugangspunkte gibt. Die meisten sind in Einrichtungen installiert, die nur | |
| bestimmten Gruppen zugänglich sind, wie Jugendclubs oder Sportanlagen. | |
| Hinzu kommen einige Museen, Stadtteilbüchereien und Schwimmbäder, aber auch | |
| kommerzielle Orte wie das Einkaufszentrum Wilmersdorfer Arcaden oder die | |
| Dalí-Ausstellung am Leipziger Platz. | |
| In der ersten Phase der Projekt-Umsetzung hatte der Senat die Bezirksämter | |
| aufgefordert, geeignete Standorte für die Installation der Router zu | |
| benennen. Deren Interesse an der neuen Technologie war sehr unterschiedlich | |
| ausgeprägt: Spitzenreiter Reinickendorf (38 Standorte) ließ allein zwei | |
| Dutzend Sport- und Spielplätze mit WLAN veredeln, in Tempelhof-Schöneberg | |
| hingegen kommt „Free Wifi Berlin“ auf exakt 6 Standorte. Insgesamt finden | |
| sich in den östlichen Bezirken deutlich mehr Zugangspunkte als im alten | |
| Westberlin. | |
| ## Senat ist „sehr zufrieden“ | |
| Eine traurige Bilanz? In der Senatskanzlei schaut man lieber auf die | |
| positiven Seiten von „Free Wifi Berlin“: „Sehr zufrieden“ sei man, dass… | |
| Projekt „mit 3,7 Millionen monatlichen Zugriffen so hervorragend angenommen | |
| wird“, teilt ein Mitarbeiter mit. Weitere Standorte und Hotspots seien | |
| geplant, und mit abl social federation verhandle man bereits über eine | |
| Verlängerung des Zwei-Jahres-Vertrages, der im kommenden Mai ausläuft. Nach | |
| taz-Informationen hat sich das Land allerdings vertraglich vorbehalten, die | |
| von abl geschaffene und derzeit betriebene Infrastruktur zu einem späteren | |
| Zeitpunkt zu übernehmen und in das landeseigene IT-Unternehmen ITDZ | |
| einzugliedern. | |
| Auch der Linken-Abgeordnete Tobias Schulze bewertet „Free Wifi Berlin“ | |
| positiv: „Ich bin froh, dass es schlussendlich kein reines Touristen-WLAN | |
| für wenige Orte in Mitte geworden ist“, so der netzpolitische Sprecher | |
| seiner Fraktion. Von den Hotspots in den sozialen Einrichtungen | |
| profitierten jetzt gerade auch „Menschen ohne dicken Geldbeutel und | |
| 10-Gigabyte-Flat“. Laut Schulze setzt sich Rot-Rot-Grün auch dafür ein, | |
| stärker mit Initiativen wie dem nicht kommerziellen „Freifunk Berlin“ | |
| zusammenzuarbeiten, bei dem jeder die Kapazität seines WLAN-Routers mit der | |
| Allgemeinheit teilt – „um mehr offene WLAN-Zugänge in der Fläche zu | |
| erreichen“. Dazu gehöre auch, dass das Land sich für die vollständige | |
| Abschaffung der sogenannten Störerhaftung einsetze. | |
| „Free Wifi Berlin“ ist aber schon jetzt nicht der einzige öffentliche oder | |
| öffentlich geförderte Anbieter in Berlin. Die Berliner Verkehrsbetriebe | |
| haben ebenfalls 2016 angefangen, ihre U-Bahnhöfe mit Routern auszustatten. | |
| Seit diesem Frühjahr kommen Fahrgäste in 170 der 173 Stationen über den | |
| Provider „Hotsplots“ sogar gänzlich werbefrei ins Netz – die fehlenden d… | |
| Bahnhöfe werden gerade saniert. | |
| Dafür haben die KundInnen andere Probleme: Der mobile Empfang in den | |
| Tunneln ist extrem schlecht, und das ständige automatische Ein- und | |
| Ausloggen in die Bahnhofs-WLANs während der Fahrt bringt viele Smartphones | |
| an ihre Grenzen. Im Übrigen ist derzeit weder an Tram- und Bushaltestellen | |
| der BVG noch auf den Bahnhöfen der S-Bahn WLAN geplant. | |
| ## Krank, aber im Netz | |
| Dagegen sollen alle städtischen Krankenhäuser in den kommenden Jahren mit | |
| freiem Breitbandnetz ausgestattet werden. Laut Senatskanzlei hat der Senat | |
| dafür Investitionszuschüsse aus dem „Sondervermögen Infrastruktur der | |
| Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds“ (Siwana) in Höhe von 2 Millionen | |
| Euro bereitgestellt. Mehr als 4 Millionen könnten es dank EU-Fördermitteln | |
| noch werden. Gratis gesurft werden kann nach Angaben der | |
| Gesundheitsverwaltung bereits im Kreuzberger Urban-Krankenhaus, gekostet | |
| hat die technische Aufrüstung dort rund 300.000 Euro. | |
| Doch trotz allen technischen Fortschritts: In den Parks, auf den Plätzen | |
| und den Straßen der Stadt wird entspanntes Surfen auf Landeskosten bis auf | |
| Weiteres eine Utopie bleiben. | |
| 3 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
| ## TAGS | |
| Freies WLAN | |
| Internet | |
| Senatskanzlei | |
| mobiles Internet | |
| Internetzugang | |
| Freies WLAN | |
| Störerhaftung | |
| Schwerpunkt taz Leipzig | |
| Evangelische Kirche | |
| Freies WLAN | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| LTE-Versorgung bei der BVG: Kein Buch mehr in der U-Bahn! | |
| Ein Traum vieler BVG-Nutzer wird wahr: Künftig können sie in der U-Bahn in | |
| Ruhe ihren Instagram Feed checken. | |
| Bundesregierung bremst freies WLAN: Bürgernetze müssen warten | |
| Die Bundesregierung will frei zugänglichem Internet die Gemeinnützigkeit | |
| zuerkennen. Doch der Gesetzentwurf für Freifunk lässt noch auf sich warten. | |
| Kostenloses WLAN in Hamburg: Der weite Weg zum öffentlichen WLAN | |
| Die Stadt Hamburg will das kostenlose öffentliche WLAN-Angebot weiter | |
| ausbauen, doch das ist ein recht mühevolles Unterfangen. | |
| BGH-Entscheid zur Störerhaftung: Freies WLAN entspricht EU-Recht | |
| Karlsruhe sieht die Abschaffung der Störerhaftung als legitim. | |
| Rechteinhaber seien durch Webseitensperrungen ausreichend geschützt. | |
| Alternative Internet-Provider in Leipzig: Online über das ReudNetz | |
| Ein lokaler Internet-Provider kämpft gegen große Internetkonzerne. Ein | |
| Plus: Unabhängigkeit und mehr Kontrolle über die eigenen Daten. | |
| Evangelische Gratis-Hotspots: Kirche lässt freies WLAN auferstehen | |
| Bald gibt es kostenloses Internet in Kirchtürmen. Die sogenannten | |
| „Godspots“ sollen Netzneutralität und Missionierung verbinden. | |
| Kommentar Telemediengesetz: Free Wifi! | |
| Die Bundesregierung plant ein neues Telemediengesetz: endlich freies WLan | |
| für alle? Pustekuchen. So ziemlich das Gegenteil wird eintreffen. |