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# taz.de -- AKP fürchtet nächste Wahl in der Türkei: Der König von Ankara m…
> Präsident Recep Tayyip Erdogan feuert Bürgermeister, in deren Städten die
> AKP im April eine Wahl verlor. Doch einer widersetzt sich.
Bild: Damals noch ein Herz und eine Seele: Gökcek und Erdogan auf einem Plakat…
BERLIN taz | Melih Gökcek, der ungekrönte König von Ankara, tritt ab. Auf
massiven Druck von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat der langjährige
Oberbürgermeister der türkischen Hauptstadt am Dienstag seinen Rücktritt
bekannt gegeben. Vorausgegangen war ein wochenlanges Tauziehen zwischen
Bürgermeister und Präsident, weil Gökcek sich einem von Erdogan geforderten
Rücktritt hartnäckig widersetzte.
Obwohl ein harter Rechter, der vor keiner Denunziation seiner Gegner
zurückschreckte, erwarb sich Gökcek auf den letzten Metern seiner
23jährigen Karriere als Bürgermeister fast noch so etwas wie Anerkennung
bei den türkischen Demokraten, weil er sich so lange wie kein anderer aus
der AKP den Forderungen Erdogans widersetzte.
Erdogan hatte schon im August angekündigt, dass er die AKP personell neu
aufstellen will, weil es innerhalb der Partei „Materialermüdungen“ gäbe,
die einen Wahlsieg 2019 gefährden könnten. Weil Erdogan die Kommunalwahl im
Frühjahr 2019 für den Schlüssel zu erfolgreichen Parlaments- und
Präsidentschaftswahlen im Herbst desselben Jahres hält, wollte er außer
einer Reihe von Kadern innerhalb der Partei auch mehrere prominente,
langjährige Bürgermeister der AKP austauschen.
Dabei dachte er vor allem an jene, in deren Städten das
Verfassungsreferendum für das Präsidialsystem im April dieses Jahres
durchgefallen war. Allen voran in Istanbul und Ankara, wo die AKP im April
erstmals eine Wahl verloren hatte, sollten die Stadtoberhäupter ihre Posten
räumen.
Doch während der Istanbuler Oberbürgermeister Kadir Topbas nach 13 Jahren
im Amt schon im September seinen Posten relativ geräuschlos räumte,
widersetzte sich Melih Gökcek in Ankara hartnäckig. Er sei nicht müde, ließ
er den Präsidenten wissen und wolle wenigstens bis zum Ende der Wahlperiode
im Amt bleiben.
Anders als Topbas war Gökcek nie ein reiner Befehlsempfänger Erdogans.
Bereits 1984 wurde er, damals noch als Vertreter der liberalen ANAP,
Bezirksbürgermeister in einem wichtigen Teil von Ankara. 1994, als Erdogan
zum Bürgermeister in Istanbul gewählt wurde, gelang Gökcek der Sprung an
die Spitze in Ankara.
## Gökcek hat 20 Regierungen und fünf Präsidenten überlebt
In seiner aktiven Zeit als Kommunalpolitiker hat er 20 Regierungen und fünf
Präsidenten überlebt. Er sieht sich nicht als von Erdogan eingesetzt,
sondern als Bürgermeister aus eigenem Recht. Gökcek hat sich über die
Kommunalpolitik hinaus ständig in alle möglichen innen – und
außenpolitischen Fragen eingemischt, meist über Twitter.
Seine Botschaften sind legendär, immer aggressiv, oft unter der
Gürtellinie. So mobilisierte er über eine Million Follower für sich.
Journalisten, die es wagten, ihn zu kritisieren hielt er schon immer für
Kriminelle.
Aber nicht seine Affären, seine Vetternwirtschaft und die anhaltenden
Gerüchte über Korruption brachten ihn jetzt zu Fall, sondern die Angst
Erdogans, mit Gökcek die Kommunalwahl 2019 womöglich nicht mehr gewinnen zu
können. Andererseits, so hofft man in der Opposition, könnte gerade die
harsche Art, in der Gökcek von Erdogan weggemobbt wurde, dazu führen, dass
die AKP Ankara bei der nächsten Wahl verliert.
Außerdem hoffen viele, dass der langanhaltende Widerstand von Melih Gökcek
die Autorität Erdogans angekratzt hat. “Er hat seinen Laden nicht mehr im
Griff“, frohlockten die ersten in den sozialen Medien. Bislang haben sich
solche Hoffnungen allerdings immer als verfrüht herausgestellt.
25 Oct 2017
## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
## TAGS
Melih Gökçek
Ankara
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt AKP
Opposition in der Türkei
Schwerpunkt Türkei
EGMR
taz.gazete
Türkei
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