# taz.de -- Wilbert Olinde über Sport-Gastarbeit: „Basketball ist eine Rande… | |
> Wilbert Olinde wurde mit dem SSC Göttingen dreimal deutscher | |
> Basketballmeister. Eigentlich wollte er nur für eine Saison aus den USA | |
> kommen. | |
Bild: Ex-Bundesliga-Basketballer: Wilbert Olinde, 62, ist heute Unternehmensber… | |
taz: Herr Olinde, Sie kamen im Herbst 1977 aus den USA nach Deutschland, um | |
Basketball zu spielen. Was war das für ein Land, in das Sie da kamen? | |
Wilbert Olinde: Ich kam von Los Angeles in dieses kleine Städtchen, nach | |
Göttingen. Und das war schon ein riesiger Kontrast. Es gab keine endlosen | |
Staus auf den Straßen, es gab sogar eine Fußgängerzone, in der sich | |
Menschen getroffen haben. Das kannte ich nicht, fand es aber sehr schön, | |
weil ich merkte, dass sich die Leute hier wirklich Zeit füreinander nehmen. | |
Wo haben Sie gewohnt? | |
Mir wurde eine Wohnung zur Verfügung gestellt, es war in der ersten Etage | |
eines alten Fachwerkhauses. Da dachte ich mir: Das ist Deutschland. Das | |
Haus sollte schon damals abgerissen werden, aber ich war vor Kurzem erst | |
wieder da, es steht immer noch. Von dem, was in meiner Anfangszeit | |
politisch in Deutschland geschah, also vom Deutschen Herbst, habe ich | |
ehrlich gesagt nicht viel mitbekommen. Mein Deutsch war noch ziemlich | |
schlecht. | |
Sie wollten ja eigentlich auch nicht lange bleiben. | |
Genau. Von Anfang an stand fest, dass ich nach zehn Monaten wieder | |
zurückkehre, also wirklich nur für eine Saison in Deutschland spielen | |
werde. Aber schon nach ein paar Spielen für den SSC Göttingen bahnte sich | |
an, dass es noch eine weitere Saison werden würde. Und dann noch eine und | |
noch eine und noch eine. | |
Damals gab es noch die Regel: nur ein Ausländer pro Mannschaft. Das waren | |
dann Sie. Wie war diese exponierte Stellung für Sie? | |
Wir hatten noch einen Deutsch-Amerikaner im Team und unser Coach hat darauf | |
geachtet, dass wir beide viel gemeinsam mit dem restlichen Team | |
unternehmen. Gemeinsame Abende beim „Altdeutschen“, das war eine Kneipe, | |
gab es unzählige. Das hat es einfach gemacht. | |
In den USA haben Sie ihr letztes Spiel vor dem Wechsel nach Deutschland vor | |
20.000 Zuschauern gemacht. In Göttingen wollten damals im Schnitt 2.000 | |
Menschen die Bundesliga-Spiele sehen. War es eine harte Umstellung? | |
Ja, selbst bei manchem Training haben in Los Angeles mehr Leute zugeschaut | |
als hier bei den Spielen. Der Sport war hier damals eine völlige | |
Randerscheinung und ist es heute ja auch noch weitgehend. Hier wurde damals | |
noch mit Gummibällen gespielt, das kannte ich gar nicht mehr in den USA. Da | |
hatten wir längst Lederbälle. Und als ich das erste Mal die Halle betrat, | |
habe ich mich gefragt, was diese ganzen Linien auf dem Boden bedeuten | |
sollen für lauter Sportarten, die ich gar nicht kannte. Wenn die NBA damals | |
bei zehn von zehn Punkten lag und die College-Liga bei acht, dann war die | |
Bundesliga bei vier oder fünf Punkten. Heute ist sie sicher mit der | |
College-Liga in den USA gleichauf. | |
Sie sind 1955 im von Rassismus geprägten Louisiana geboren. Wie waren Ihre | |
Erfahrungen als Schwarzer im Deutschland der 1970er-Jahre? | |
Ganz ehrlich, hier fühlte ich mich von Anfang an sicherer als in den USA. | |
Gerade Göttingen war damals schon durch die Universität eine weltoffene | |
Stadt, es gab viele internationale Studierende. Aber natürlich habe ich im | |
Laufe der Jahre auch hier immer mal wieder Rassismus zu spüren bekommen. | |
In welchen Situationen erlebten Sie das? | |
Einmal traf ich einen Makler, weil ich eine Wohnung mieten wollte. Er sagte | |
mir dann, sie sei schon vergeben. Ich bat eine Freundin, den Kerl auch mal | |
wegen der Wohnung anzurufen und siehe da: Die Wohnung war noch frei. Dass | |
ich sie nicht bekam lag sicher nicht daran, dass ich vor dem Termin nicht | |
geduscht hatte. | |
In Deutschland gab man Ihnen sofort den Spitznamen „Schwarze Perle“. Wie | |
fanden Sie das? | |
Das hat mir gefallen. Wissen Sie, wie selten und wertvoll so eine Perle | |
ist? Schauen Sie sich Kobe Bryant an, er hat sich selber den Spitznamen | |
„Black Mamba“ gegeben. Solche Namen sind kein Problem, man kann damit ja | |
selbstbewusst umgehen. | |
Ihr 19-jähriger Sohn spielt auch Basketball und wurde dieses Jahr mit | |
Bamberg deutscher Meister. Es scheint, als tritt er in Ihre Fußstapfen. | |
Er ist aber deutlich besser, als ich es mit 19 Jahren war, auch weil er | |
ehrgeiziger ist. Mal sehen, ob er das ganze Talent, was er hat, aus sich | |
herausholen kann. Aber er ist auf einem guten Weg. | |
Biographie: Christoph Ribbat: „Deutschland für eine Saison. Die wahre | |
Geschichte des Wilbert Olinde Jr.“, Suhrkamp, 272 Seiten, 24 Euro | |
Lesungen: 2. November, 19.30 Uhr, Bücher & Co, Winterhuder Marktplatz 6, | |
Hamburg; 16. November, 20 Uhr, Felix-Klein-Gymnasium, Böttingerstraße 17, | |
Göttingen | |
30 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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