# taz.de -- DDR-Hinterlassenschaften und Denkmalschutz: Was tun? | |
> Experten debattieren auf der Tagung „Kommunismus unter Denkmalschutz?“ | |
> über den Umgang mit dem sozialistischen Erbe. | |
Bild: Letzte Ruhestätte Zitadelle Spandau: mittlerweile hat Lenins Kopf im Den… | |
Als vor eineinhalb Jahren der Kopf der Lenin-Statue vom heutigen Platz der | |
Vereinten Nationen seinen Platz in der Spandauer Zitadelle in der dortigen | |
Dauerausstellung mit Berliner Denkmälern gefunden hatte, schien eine lange | |
Zeit heftig geführter ideologischer Debatten beendet. Der tonnenschwere | |
Koloss aus Granit war 1991 nach einer Entscheidung des Berliner Senats | |
wegen seiner umstrittenen Symbolik am damaligen Leninplatz abgetragen, | |
zerteilt und in einem Waldstück vergraben worden. | |
Im Unterschied zu anderen politischen Denkmälern der DDR, die in den | |
aufgeladenen Tagen nach dem Mauerfall zerstört wurden oder verschwanden, | |
erlebte der Lenin ein bemerkenswertes Comeback. Er ist nicht mehr | |
Streitfall, sondern Maßstab aktueller Denkmalaneignung. | |
Das Exponat, seine Geschichte und Abrissspuren seien „zum Sinnbild für den | |
Wandel im Umgang mit dem sozialistischen Denkmalserbe der DDR geworden“, | |
wie Leonie Beiersdorf, Kuratorin am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, | |
am Wochenende auf der internationalen Tagung „Kommunismus unter | |
Denkmalschutz? Denkmalpflege als historische Aufklärung“ in der Spandauer | |
Zitadelle betonte. | |
Welcome Lenin? Warum nicht. Heute, so folgert Beiersdorf, provoziere ein | |
Granit-Lenin keinen Bildersturm mehr wie noch 1990. Politische Denkmäler | |
aus DDR-Zeiten würden in Berlin und Brandenburg überwiegend als | |
erhaltenswerte kunsthistorische Zeitdokumente und Zeugnisse des Sozialismus | |
angesehen. Ebenso sei die Tonlage sachlicher geworden. Gleichwohl, gab die | |
Kuratorin zu bedenken, würden Debatten über die Herrschaftszeichen und | |
Symbole des SED-Regimes „aber auch weiterhin kontrovers, ja emotional | |
geführt“. | |
## Neue Wege im Umgang | |
Wenn eine Tagung 27 Jahre nach der berühmten Schau „Erhalten, Zerstören, | |
Verändern“, mit der eine Initiative in Ostberlin 1990 auf den Verlust | |
politischer Denkmäler aufmerksam machte, das Thema erneut auflegt, so lässt | |
das aufhorchen. Schwebt etwa noch immer das eine oder andere | |
Damoklesschwert über Marx-Engels-Gruppen, steinernen Piecks und Thälmanns? | |
Oder gibt es neue Wege im Umgang mit dem kommunistischen Bildererbe zu | |
beschreiten? | |
Für die Initiatoren der Tagung, Jürgen Danyel vom Zentrum für | |
Zeithistorische Forschung (ZZF), Rainer Drachenberg, Chef am | |
Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege, und Andrea Theissen vom | |
Spandauer Museum, war die gegenwärtige Tendenz, um den Erhalt der Denkmäler | |
auf jeden Fall zu streiten und ihren Erinnerungs- und Zeugniswert zu | |
betonen, natürlich das eine Thema. Denn zurücklehnen kann sich der | |
Denkmalschutz nicht: Zwar sei mit der „historischen Distanz auch die | |
Akzeptanz der Denkmäler gewachsen“, wie Hubert Staroste vom | |
Landesdenkmalamt Berlin anmerkte. Doch das ersetze nicht die immer wieder | |
neu zu führende Diskussion über den Sinn dieser Denkmäler. | |
Zählten etwa „exponierte sozialistische Denkmalanlagen“ wie das | |
Marx-Engels-Forum oder die Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde | |
heute zur Geschichte und Erinnerungskultur – also zum Selbstverständnis | |
Berlins, so verhalte es sich bei anderen Beispielen des „schwierigen | |
Berliner Erbes“ komplizierter. Nach wie vor würden der historische, | |
stadträumliche und künstlerische Wert vieler „Streitobjekte“ aus dem Kosm… | |
der kommunistischen Erzählung und Geschichte schwer akzeptiert, so | |
Staroste. | |
Was stimmt: Öffentliche Bildtafeln des sozialistischen Realismus, Bauwerke | |
von SED und FDJ sowie das Thälmann-Monument in Berlin rücken immer wieder | |
auf den Index, wenn konservative Initiativen an deren Denkmalberechtigung | |
sägen oder die Stadtentwicklung Raum für sich beansprucht. Ebenso nicht | |
abgeschlossen ist auch die Debatte über eine mögliche Versetzung der | |
Marx-Engels-Gruppe, gibt es doch Begehrlichkeiten, dort zu bauen. | |
Drachenberg verwies in diesem Zusammenhang darauf, wie „konfliktreich“ das | |
Terrain auch in Brandenburg ist und wie „nötig gesellschaftliche Debatten | |
sind, die Zeugnisse zu erhalten“. Was war passiert? Dem Landesamt war es | |
gelungen, die „Politbürosiedlung“ in Wandlitz mit den ehemaligen Wohnäuse… | |
der SED-Eliten – ein bauliches Zeugnis über die Funktionsweise einer | |
Diktatur – vor ein paar Wochen „als jüngstes Denkmal in Brandenburg“ unt… | |
Schutz zu stellen. Gleichzeitig musste Drachenberg „verärgert“ dabei | |
zusehen, wie die „DDR-Schicht“ am Gedenkort KZ-Sachsenhausen von der | |
Potsdamer Politik nicht wertgeschätzt, sondern abgeräumt wurde. Die | |
Zerstörung von Erinnerung bleibt also ein Thema. | |
## Prozess der historischen Aufklärung | |
Der andere und vielleicht wesentlichere Punkt in der Zitadelle jedoch war, | |
wie der Blick auf die Denkmäler des Kommunismus von tradierten | |
Denkmalbeschreibungen gelöst und der „Prozess der historischen Aufklärung“ | |
der Objekte – um Abrissdebatten zuvorzukommen – intensiviert und | |
fortgeschrieben werden könnte, wie Drachenberg es formulierte. | |
So sei es aus denkmalpflegerischer Sicht und erinnerungspolitischer | |
Perspektive heute wichtig, dass die Denkmalpflege hier einen | |
vielschichtigen, „aktiven“ Weg der Vermittlung beschreite. Die politischen | |
Denkmäler müssten nicht nur bewahrt werden, sondern sollten den Nutzern | |
ihre „vielfältigen Geschichten, ihre Erzählungen erzählen“ können; von | |
ihrer Begründung, Planung, Ästhetik, ihrer Erbauung, ihrem Kontext und | |
ihrer unterschiedlichen Rezeption. | |
Das ist natürlich nicht einfach, erlaubt aber einen freieren, kritischeren | |
Blick auf politische Denkmäler, wie Krzysztof Ruchniewicz, Hochschullehrer | |
in Wrocław, und die Kunsthistorikerin Waltraud Kofler-Engl aus Bozen | |
(Südtirol) berichteten. Dort würde an politischen Denkmälern „subversiv“ | |
(Ruchniewicz) und mittels „künstlerischer Interventionen“, so Kofler-Engl, | |
mit großem Erfolg experimentiert. Die Skulpturen und Reliefs würden | |
verfremdet, an ihnen heimlich Teile ausgetauscht oder diese mit Licht- und | |
Videoprojektionen bespielt und kommentiert. Die Spannweite der Rezeption | |
und das Denkmal als historische und zugleich neuere Quelle würden so | |
gesteigert – und damit ihr Wert für den heutigen Umgang. | |
Das warf am Ende natürlich die Frage auf, wie weit die Landesdenkmalämter | |
bei so großen Flächendenkmälern wie Wandlitz oder Eisenhüttenstadt, den | |
umstrittenen Statuen von Pieck in Guben oder bei Thälmann in Berlin sind? | |
Bei Letzterem gibt es nicht einmal eine Infotafel und ausreichende | |
Beschreibung. Aufklärung, Intervention oder was auch immer daher tut not. | |
Sonst wird wieder über Abrisse geredet. | |
29 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
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