# taz.de -- Börsenchef tritt zurück: Vorwurf Insiderhandel | |
> Carsten Kengeter gibt auf. Er soll mit persönlichen Aktienkäufen von der | |
> Fusion mit der Londoner Börse profitiert haben. | |
Bild: Verspekuliert? Börsenchef Carsten Kengeter stolpert über einen Aktiende… | |
BERLIN taz | Es ist das vorläufige Ende einer steilen Karriere: Am Montag | |
war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft weiter wegen | |
„Insiderhandels“ gegen Carsten Kengeter ermittelt. Schlimmer geht es nicht | |
für einen Börsenchef. Am Donnerstag hat er nun seinen Rücktritt zum | |
Jahresende angekündigt. | |
Der 50-jährige Investmentbanker aus Schwaben war lange ein Überflieger. | |
1992 stieg er ins Derivategeschäft von Barclays ein. 1997 wechselte er nach | |
New York zu Goldman Sachs. Selbst die Finanzkrise konnte ihm nichts | |
anhaben. 2008 stieg er zum Vorstandsmitglied bei der Schweizer Großbank UBS | |
in Zürich auf. | |
Bei der UBS erlebte Kengeter den ersten Karriereknick: In seinem | |
Zuständigkeitsbereich produzierte ein Derivatehändler einen Verlust von 2,3 | |
Milliarden Dollar. Kengeter war zwar nicht direkt verantwortlich, aber die | |
UBS begann, ihr Investmentbanking abzubauen. Kengeter wurde überflüssig und | |
verließ die Bank im Sommer 2013. | |
Im Sommer 2015 tauchte er wieder auf – als Chef der Deutschen Börse. Dort | |
erklärte man: „Wir wollten, dass der Kandidat entweder einen deutschen Pass | |
hat oder zumindest der deutschen Sprache mächtig ist.“ Kengeter sei „ein | |
Ausnahmetalent“. | |
## Talent mit zu vielen Aktien | |
Dieses „Ausnahmetalent“ verwickelte sich jedoch schnell in einen Skandal, | |
der ihm jetzt zum Verhängnis wurde. Schon im Sommer 2015 begannen | |
Fusionsgespräche der Deutschen Börse mit der Londoner Börse LSE, im Oktober | |
2015 wurde eine Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums eingeholt. Nur | |
die Öffentlichkeit und die Aktionäre erfuhren nichts von diesen Plänen. | |
Stattdessen kaufte Kengeter im Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro Aktien | |
der Deutschen Börse, die er frühestens Ende 2019 veräußern darf. Hinzu kam | |
ein „virtuelles“ Aktienpaket, das der Konzern obendrauf legte und das am | |
Ende viele Millionen Euro wert sein dürfte. | |
Erst im Februar 2016 wurde öffentlich, dass die Fusion mit der LSE geplant | |
ist. Der Aktienkurs der Deutschen Börse schoss in die Höhe, was Kengeter | |
nicht überrascht haben dürfte. Seit Februar 2017 ermittelt daher die | |
Staatsanwaltschaft in Frankfurt, ob ein „Insiderhandel“ vorliegt. | |
Kengeter beteuerte seine Unschuld. Es sei seine „moralische Pflicht“ | |
gewesen, die Aktien des eigenen Unternehmens zu kaufen: Sonst hätte es wie | |
ein Misstrauensvotum gegen die Deutsche Börse ausgesehen. | |
## Gericht kippt Deal mit Staatsanwälten | |
Um die Vorwürfe aus der Welt zu schaffen, war die Börse bereit, zwei | |
Geldbußen von insgesamt 10,5 Millionen Euro zu akzeptieren. Außerdem sollte | |
Kengeter 500.000 Euro aus seinem Privatvermögen zahlen. | |
Diesen Deal mit den Staatsanwälten hatte eine Amtsrichterin in Frankfurt | |
gekippt: Die Ermittlungen gegen Kengeter werden fortgesetzt. Das Verfahren | |
habe eine zu hohe öffentliche Bedeutung, um eingestellt zu werden. | |
Daraus folgt zwar nicht automatisch, dass der Börsenchef angeklagt wird. Es | |
bleibt denkbar, dass die Ermittlungen eingestellt werden. | |
Für Kengeter jedoch wurde die Zeit knapp: Sein Vertrag sollte am 31. März | |
2018 auslaufen – und die Deutsche Börse wollte ihn nur verlängern, wenn bis | |
dahin alle Ermittlungsverfahren abgeschlossen sind. | |
Solange hat der Börsenchef nicht gewartet. Kengeter habe den Aufsichtsrat | |
am Donnerstag über seine Absichten informiert, teilte die Deutsche Börse | |
mit. Der Aufsichstrat habe das Rücktrittsgesuch „mit großem Bedauern | |
akzeptiert“. | |
26 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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