# taz.de -- Kolumne Der Zuckerberg | Teil 7: Das Wetter und ein Griff in den Sc… | |
> Warum posten Menschen Dinge übers Wetter? Warum haben die Zeit, aus dem | |
> Fenster zu schauen? Und warum nennt Facebook mich Ulrich? | |
Bild: Wolkenmotive, das können alle. Fortgeschrittene wagen sich an Blitze und… | |
Facebook. Ein alter Hut mit vielen bunten Federn. Angesichts der | |
versammelten Pracht von Schreiadler, Vollmeise, Schluckspecht, Trollvogel | |
sowie praktisch sämtlichen Kauzarten soll diese Serie für den nötigen | |
Durchblick sorgen. | |
Der Sommer ist vorbei. Doll war er nicht. Nasse Füße, kalte Grillwurst, | |
zufriedene Mücken. Dabei könnte man es belassen. | |
Doch leider gibt es ja die Stadtmenschen, die täglich über das Wetter | |
posten. Hier ein Bild, da ein Kommentar, dort ein Filmchen. Das naive | |
Staunen über Phänomene, die keinem aufgeklärten Erwachsenen eine Silbe wert | |
sein sollten, ähnelt dem von Naturvölkern über ihnen unerklärliche | |
Erscheinungen. Im Fall des urbanen Facebookers liegt es jedoch an der | |
Entfremdung von der Natur und nicht an deren spiritueller Würdigung. | |
Alle posten Wolkenmotive. Die Reaktionsschnellsten fangen auch Blitze mit | |
der Linse ein. Da muss man fix sein, das kann nicht jeder. Dann | |
fotografieren sie den Regen und die Straßen im Regen und wie der Regen die | |
Straßen heruntersprudelt und -schießt, wie die Gullis überlaufen und Autos, | |
die durch tiefe Pfützen fahren. Und dann der Clip von der Alten, die in | |
Wilmersdorf in den offenen Gulli fällt. Großartig, selten so gelacht, die | |
hat sich bestimmt schlimm wehgetan. Schadenfreude, Blitzkrieg. | |
Ein Regenbogen kommt auch immer gut. Das ist die Königsdisziplin, weil man | |
auf den so lange warten muss. Aber einige haben ja Zeit. Sie sind den | |
ganzen Tag auf Facebook – das kann ich ihnen lückenlos nachweisen. Während | |
andere Leute arbeiten müssen, kommentieren sie sich die Finger wund. Ihre | |
Lebensweise erfüllt mich mit Neid. Eben noch einen neunmalklugen Satz zur | |
Weltlage abgesetzt, lehnen sie sich nun bequem im Schreibtischstuhl zurück | |
und gucken in den Himmel, um bloß keinen Regenbogen zu verpassen, während | |
ich mir im Schweiße meines Angesichts ein paar Kupfermünzen erschwindle. | |
Schon seit Jahren habe ich nicht mehr rausgeguckt. Keine Zeit. | |
Noch bis vor Kurzem waren wir Städter stolz und glücklich, dass zumindest | |
das hiesige Wetter kein Thema mehr für uns war. Man sagte, „ist halt | |
Wetter“, wandte den Blick vom Fenster ab und wieder den Akten auf dem | |
Schreibtisch zu. Denn man arbeitete noch, schaffte Mehrwert, war ein Teil | |
der Gesellschaft und nicht nur eine fadenscheinige Masche in einem | |
„sozialen Netzwerk“. | |
Facebook selbst befeuert noch den Unsinn: „Guten Morgen, Ulrich. Heute | |
werden in Berlin ein paar Tropfen erwartet. Bleibe besser zu Hause.“ Daran | |
stören mich gleich mehrere Dinge. Wer mich „Ulrich“ nennt, meint das in der | |
Regel tadelnd. Mit dem Ikea-Du greift mir ein weiterer wildfremder | |
Wirtschaftsgigant ungefragt in den Schritt. Der Alarmismus verhöhnt | |
diejenigen Menschen, die wegen diverser Hurricanes hungernd in ihren | |
Kellern sitzen. Am meisten aber nervt mich, dass das die Wetter-Poster noch | |
ermutigt. | |
2 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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