# taz.de -- Debatte Sozial- und Integrationspolitik: Fahrt mal hin! | |
> Die Grünen verraten ihre sozial- und integrationspolitischen Grundsätze? | |
> Erwiderung vom baden-württembergischen Sozialminister Manfred Lucha. | |
Bild: Integrationsprojekt in Schwäbisch Gmünd | |
Im Südwesten werden die Fernsehzuschauer jeden Freitag zum Reisen | |
aufgefordert: „Fahr mal hin“ lädt die Zuschauer ein, „Neues zu entdecken | |
oder manch´ Altbekanntes mit ganz anderen Augen zu betrachten.“ Diese | |
Sendung kam mir in den Sinn, als ich Daniel Bax' [1][Artikel zur Sozial- | |
und Integrationspolitik] gelesen habe. | |
Verständlicherweise können Sie von Berlin-Mitte aus nicht immer das ganze | |
Land im Blick haben. Deshalb scheint Ihnen entgangen zu sein, dass wir hier | |
in Baden-Württemberg eine sehr fortschrittliche Sozial- und | |
Integrationspolitik betreiben. Daher mein Vorschlag: Fahren Sie mal hin und | |
besuchen Sie uns. | |
Eine gute Sozial- und Integrationspolitik muss sich darauf konzentrieren, | |
ordnungspolitische und staatliche Rahmenbedingungen zu setzen, die die | |
Menschen befähigen, ihre Existenz und die Teilhabe am gesellschaftlichen | |
Leben aus eigener Kraft oder mit Unterstützung selbstverantwortlich zu | |
gestalten. Genau das tun wir in Baden-Württemberg. Wir waren schon immer | |
ein bisschen stolz darauf, dass wir unser „Gschäft“ gut hinbekommen. | |
Den Anspruch erheben wir natürlich auch in der Sozial- und | |
Integrationspolitik, die ich als erster grüner Minister im Ländle | |
verantworten darf. Ich will das anhand zweier Beispiele erklären. Sie | |
schreiben über Integration als etwas Abstraktes. Integrationspolitik muss | |
aber konkret vor Ort gelebt werden. Nur so können aus untergebrachten | |
Geflüchteten Mitbürgerinnen und Mitbürger werden. | |
## Integrationspolitik, die bei den Menschen ankommt | |
Ich denke hier an die syrische Mutter mit ihren drei Kindern – sie muss | |
wissen, wo der nächste Arzt ist, wo ihr Sohn Fußball spielen oder die | |
Tochter in den Kindergarten gehen kann. Ende April haben Ministerpräsident | |
Kretschmann und ich gemeinsam mit den Präsidenten von Landkreis-, Städte- | |
und Gemeindetag den Pakt für Integration mit den Kommunen unterzeichnet. | |
Damit finanzieren wir in den Städten und Gemeinden Maßnahmen in den | |
Bereichen Bildung, Übergang in den Beruf und bürgerschaftliches Engagement | |
sowie den Einsatz von rund 1000 Integrationsmanagern. Das ist bundesweit | |
einmalig und fördert wie kaum eine andere Maßnahme die Integration der | |
Neubürger und Neubürgerinnen in unserem Land. Das ist vielleicht keine | |
Integrationspolitik, die jeden Tag die Blätter füllt. Aber es ist eine | |
Integrationspolitik, die bei den Menschen ankommt. | |
Zweites Beispiel: Unsere Gesellschaft wird immer älter. Das klassische | |
Familienbild des 20. Jahrhunderts gibt es oft nicht mehr. Was macht also | |
die 83-jährige alleinstehende Rentnerin, die nach einem Sturz in der | |
eigenen Wohnung den Oberschenkel gebrochen hat und nach einem kurzen | |
Krankenhausaufenthalt nicht mehr nach Hause, sondern direkt ins Pflegeheim | |
kommt? Damit beschäftigen wir uns hier in Baden-Württemberg – mit konkreten | |
sozialpolitischen Fragen mitten aus dem Leben gegriffen – vom Ausverkauf | |
des grünen sozialpolitischen Gewissens keine Spur! | |
## Verbesserungen für Menschen mit Behinderung | |
Wir glauben allerdings, nicht alles neu erfinden zu müssen. Denn die vielen | |
„Cleverle“ in unserer Gesellschaft sind meist schon mit guten Ideen | |
vorangegangen. Das greifen wir mit unserem Ideenwettbewerb | |
Quartiersentwicklung auf und schaffen so ganze Wohnviertel, in denen sich | |
Kinder und Familien genauso beheimatet fühlen, wie Menschen mit | |
Behinderungen, Ältere, Pflegebedürftige und alle anderen gesellschaftlichen | |
Gruppierungen. | |
„Fahr mal hin“, das nehme auch ich mir zu Herzen und fahre daher regelmäß… | |
nach Berlin. Da sorge ich dann gemeinsam mit meinen grünen Ministerkollegen | |
dafür, dass Menschen mit Behinderung durch die schwarz-rote Bundesregierung | |
nicht schlechter gestellt werden sondern spürbare Verbesserungen zum | |
Beispiel beim Wunsch- und Wahlrecht erfahren. Und auch beim völlig | |
missglückten sogenannten „Kinder- und Jugendstärkungsgesetz“ werden wir f… | |
eine tatsächliche Stärkung der Kinder kämpfen.“ | |
21 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Manfred Lucha | |
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