# taz.de -- Soziales Engagement im Fußball: „Uns geht es um soziale Gestaltu… | |
> Die Initiative „Common Goal“ will Fußballspieler dazu bringen, ein | |
> Prozent ihres Gehalts an Hilfsorganisationen zu spenden. | |
Bild: Auch der Profispieler Chiellini macht bei „Common Goal“ mit und spend… | |
taz: Herr Griesbeck, der italienische Nationalspieler Giorgio Chiellini hat | |
sich der Initiative „Common Goal“ angeschlossen und wird damit ein Prozent | |
seines Gehalts an wohltätige Zwecke spenden. Juan Mata und Mats Hummels | |
haben Sie schon zuvor überzeugen können. Wie ist Ihnen das bei Chiellini | |
gelungen? | |
Jürgen Griesbeck: Er hat selbst die Initiative ergriffen und uns eine | |
starke E-Mail mit großer Symbolkraft geschrieben, in der er sich erst | |
einmal vorstellt, als würde man ihn nicht kennen. Und er hat gefragt, ob er | |
bei so etwas Tollem nicht auch mitmachen könnte. | |
Kommt das öfters vor, dass sich Spieler bei Ihnen melden? | |
Das ist eine spannende Entwicklung. Bis wir mit Juan Mata unseren ersten | |
Botschafter im August vorgestellt haben, war das schon ein sehr harter und | |
frustrierender Ritt. | |
Weshalb? | |
Wir sind gar nicht an die Spieler direkt herangekommen, und bei der sie | |
beschützenden Umgebung gab es viel Unverständnis. Es hieß, so etwas | |
funktioniert im Fußball nicht. | |
Und dann? | |
Als wir mit Mata im August an die Öffentlichkeit sind, hat sich vieles | |
verändert. Es wurde auch zu unserem Erstaunen weltweit darüber berichtet. | |
Common Goal war plötzlich nicht mehr nur eine Idee, sondern Wirklichkeit. | |
Etwas, worüber die Menschen angefangen haben zu sprechen. Mata fühlte sich | |
bestätigt und konnte dann auch mit Kollegen besser über das Thema sprechen. | |
Ihre Voraussetzungen hatten sich verbessert. Was haben Sie gemacht? | |
Wir fingen an, mit Spielerberatern zu sprechen, die offen für die Idee | |
waren und unter dem schlechten Ruf ihres Berufsstands leiden. Einige | |
verpflichteten sich selbst zur Einkommensabgabe, verknüpft mit dem | |
Bekenntnis: Ja, wir wollen, dass der Fußball ein anderes Gesicht bekommt | |
und systematisch in soziale Veränderungen investiert. Eigentlich wollten | |
wir bis zur WM 2018 eine Startelf zusammenbringen, dann hatten wir aber | |
schon innerhalb von nur zwei Wochen elf Spielerzusagen. | |
Wie viele sind es mittlerweile? | |
Zu den drei Bekannten werden wir bis zum Jahresende weitere 20 bis 25 | |
prominente Spieler Schritt für Schritt vorstellen, die dann auch alle | |
Kontinente repräsentieren werden. Wir wollen jedem Platz lassen für seine | |
eigene Geschichte. | |
Bedenkt man, dass allein in der Bundesliga weit über 300 Profis aktiv sind, | |
ist die Resonanz dennoch bescheiden. | |
Uns geht es jetzt zu Beginn nicht nur darum, Spieler für unsere Bewegung | |
anzuwerben und dann war es das. Das ist mit Arbeit verbunden. Es geht um | |
die Gestaltung einer globalen Bewegung, die den Fußball verändern möchte. | |
Und wir müssen auch auf unsere Kapazitäten achten. Es ist so viele positive | |
Energie in den letzten Wochen entstanden, die kanalisiert und | |
aufrechterhalten werden muss. | |
Die Profis, die sich dem Projekt anschließen, sollen politische Aktivisten | |
sein? | |
Das würde ich so sehen, zumindest diese erste Gruppe. Deshalb achten wir | |
bei unseren ersten Botschaftern besonders darauf, dass die Vorstellungen | |
übereinstimmen. Unser Anliegen soll nicht verwässert werden. | |
Das Anliegen von Common Goal ist es, letztlich die ganze Fußballindustrie | |
zur einprozentigen Abgabe ihrer Einnahmen zu bewegen. Klingt ganz schön | |
illusionär. | |
Wenn man sich von der Vorstellung leiten lässt, was alles nicht möglich | |
ist, beschneidet man sich selbst die Flügel. Es ist vielleicht ein Traum, | |
aber ich glaube daran. Wenn eine größere Zahl an prominenten Fußballern | |
sich für unsere Idee engagiert, haben wir auch eine gute Grundlage für | |
Gespräche mit der Uefa und Fifa. | |
Im Idealfall kämen in den Sozialfond eine halbe Milliarde Euro zusammen. | |
Die Versuchung der Korruption würde steigen. Wäre es nicht sinnvoller, | |
Spieler zu ermutigen, ihr Prozent Projekten eigener Wahl zuzuführen. | |
Sie haben Recht. Je mehr Geld zur Verfügung steht, desto mehr steigt die | |
Gefahr des Machtmissbrauchs. Andererseits sind wir von streetfootballworld | |
in einer Kultur der Transparenz gewachsen, und unser Netzwerk aus 125 | |
Organisation arbeitet schon jetzt mit einem jährlichen Etat von bis zu 140 | |
Millionen Euro. Bis es aber signifikant Geld zu verteilen gibt, wird es | |
sowieso noch eine Weile dauern. | |
Spielt die maßlose Entwicklung auf dem Transfermarkt ihrem Projekt in die | |
Karten? | |
Als wir im August an die Öffentlichkeit wollten, kam gerade die Geschichte | |
mit dem 220-Millionen-Transfer von Neymar auf. Die Medien haben dann unsere | |
Initiative als Gegenmodell gesehen: Schaut mal, so geht es auch. Das hat | |
uns Auftrieb gegeben, war aber von uns nicht so designt. | |
Ein Prozent von 220 Millionen Euro würde schon ein hübsches Sümmchen | |
ergeben. | |
Ja, und dann würde man sagen, da ist ein Social-Fair-Play-Stempel drauf. | |
Auf der Grundlage könnten 2.000 Ausbildungsplätze in Deutschland geschaffen | |
werden. Oder 5.000 Mädchen in Indien ihre Schulbildung fortsetzen können. | |
Dann bekommt so ein Transfer auch eine andere Bedeutung. | |
1 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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