# taz.de -- Opposition in der Türkei: Erdoğan bekommt Konkurrenz | |
> Eine neue Partei rechts der Mitte soll im Oktober gegründet werden. Sie | |
> will vor allem den Nationalisten Wählerstimmen abjagen. | |
Bild: Wird über die neue Partei nicht erfreut sein: der türkische Präsident … | |
BERLIN taz | In der Türkei entsteht eine neue politische Konkurrenz für | |
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und seine AK Partei. Meral Akşener, | |
die zukünftige Vorsitzende einer neuen Partei, hat angekündigt, im Oktober | |
mit der „Merkez Demokrat Parti“, „Zentrale Demokratie Partei“, an den S… | |
zu gehen. | |
Meral Akşener ist ein bekanntes Gesicht in der türkischen Polit-Szene und | |
die Demoskopen geben ihrer neuen Partei gute Chancen, bei zukünftigen | |
Wahlen bis zu 20 Prozent zu erreichen und vor allem der AKP herbe Verluste | |
beizubringen. | |
Die neue Partei wird rechts von der Mitte angesiedelt sein und will vor | |
allem der AKP und der ultranationalistischen MHP-Wähler abspenstig machen. | |
Akşener war bis Ende letztes Jahres noch Mitglied der MHP und führte dort | |
die innerparteiliche Opposition gegen den langjährigen Parteichef Devlet | |
Bahçeli an. | |
Mehrere Anläufe von ihr auf einem regulären Parteikongress der MHP als | |
Kandidatin für den Parteivorsitz anzutreten, wurden von Gerichten | |
verhindert, die auf Antrag von Bahçeli jedes Mal aus formalen Gründen das | |
Zustandekommen eines Wahlparteitages verhinderten. | |
## Ausschluss aus der MHP | |
Akşener und eine ganze Gruppe von weiteren parteiinternen Opponenten | |
Bahçelis wurden am Ende aus der MHP ausgeschlossen. Dabei hatten | |
Meinungsforschungsinstitute schon vor gut einem Jahr prognostiziert, dass | |
die MHP unter der Führung von Aksener ihren Stimmanteil von jetzt 12 | |
Prozent auf das Doppelte erhöhen könnte. | |
Viele langjährige MHP-Wähler sind mit dem opportunistischen Kurs von | |
Bahçeli gegenüber Erdoğan völlig unzufrieden und lehnen vor allem auch die | |
Hilfe Bahçelis für Erdoğans Präsidialsystem vehement ab. | |
Akşener war in den 90er Jahren schon einmal Ministerin und zwar | |
Innenministerin unter Tansu Çiller, der einzigen Ministerpräsidentin, die | |
die Türkei je hatte. Sie hat damals als Innenministerin einen harten | |
repressiven Kurs vor allem gegen Kurden verfolgt und ist auch heute keine | |
Liberale. Aber Meral Akşener ist eine erklärte Anhängerin der säkularen | |
Republik und lehnt Erdoğans neues autoritär-islamistisches Präsidialsystem | |
vehement ab. | |
Sollte die Gründung der neuen Partei nicht wie zuvor die Kandidatur | |
Akşeners gegen Bahçeli durch juristische Tricks verhindert werden, könnte | |
die neue Partei zu einem Sammelbecken für alle nationalistischen | |
Republikaner werden, die von der MHP enttäuscht sind, aber auch für alle | |
AKP-Wähler, die Erdoğan bislang vor allem wegen seiner wirtschaftlichen | |
Erfolge gewählt haben, den islamistischen Umbau der Türkei aber ablehnen. | |
Selbst alte Kemalisten, denen die sozialdemokratisch-kemalistische CHP | |
unter Kemal Kılıçdaroğlu zu links geworden ist, könnten sich Akşener | |
zuwenden. | |
## Neuer Player | |
Mit der „Merkez Demokrat Parti“ käme deshalb in der Türkei ein neuer Play… | |
dazu, der das Zeug hätte, die Parteienlandschaft noch einmal grundlegend zu | |
verändern. Im November 2019 stehen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen | |
an. Das werden die ersten Wahlen, bei denen Erdoğan nach der Einführung des | |
Präsidialsystems für die Präsidentschaft kandidieren wird. | |
Anders als im bisherigen parlamentarischen System, wo die AKP mit gut 40 | |
Prozent die absolute Mehrheit erringen konnte, braucht er dann 50 plus x | |
Stimmen, um erneut Präsident zu werden. Schon jetzt baut Erdoğan seine AKP | |
auf diesen Wahltermin hin völlig um, weil er offenbar das Gefühl hat, dass | |
die alten Kader keinen Schwung mehr für den Wahlkampf haben. Meral Akşener | |
könnte da mit ihrer neuen Partei zum Zünglein an der Waage werden. | |
1 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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