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# taz.de -- Klagen gegen Milli-Görüş-Funktionäre: Die verschlungenen Wege d…
> Zwei hohe Exfunktionäre von Milli Görüş stehen ab nächster Woche in Köln
> vor Gericht. Sie sollen Steuern hinterzogen und Spender betrogen haben.
Bild: Polizei vor den Räumlichkeiten von Milli Görüs in Kerben im August 2008
Berlin taz | Die nächsten Wochen werden für die Islamische Gemeinschaft
Milli Görüş (IGMG) nicht angenehm. Prominente Exfunktionäre des
mitgliederstarken Islam-Verbands müssen sich ab dem 18. September in Köln
vor Gericht verantworten. Die Vorwürfe lauten auf Steuerhinterziehung und
Betrug. Angeklagt sind der ehemalige Vorsitzende Yavuz Çelik Karahan und
Oğuz Üçüncü, bis 2014 Generalsekretär.
„Das sind Nachbeben“, wiegelt Bekir Altaş ab, der aktuelle Generalsekretär
der IGMG. Gegen seinen Vorgänger Üçüncü war bereits 2010 ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet worden – unter anderem wegen Betrug,
Urkundenfälschung, Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Kurz darauf stellte die Staatsanwaltschaft diese Ermittlungen allerdings
ein. Doch einige Fragen sind wohl offen geblieben. Dabei geht es um viel
Geld.
Den ehemaligen Spitzenfunktionären wird vorgeworfen, zwischen 2004 und 2008
Einkünfte aus der Organisation von Pilgerreisen nach Mekka, dem Verkauf von
Gebetskalendern und vom Fleisch sogenannter Opfertiere zum muslimischen
Opferfest nicht versteuert und damit Steuern hinterzogen zu haben. Nun geht
es auch um die Frage, ob sich der ehemalige Vorstand deshalb strafbar
gemacht hat.
2014 trat Üçüncü von seinem Amt zurück. Sein Nachfolger wurde Mustafa
Yeneroğlu, der inzwischen für die islamistische AKP im türkischen Parlament
sitzt. Ihm folgte im Frühjahr 2015 Bekir Altaş. Vorsitzender ist schon seit
2011 der Theologe Kemal Ergün.
## 50 Hauptverhandlunstage angesetzt
Muslime spenden zum Opferfest traditionell Fleisch an Arme und Bedürftige.
Muslimische Verbände wie die IGMG sammeln dafür Geld und übernehmen es, das
Fleisch in aller Welt zu verteilen. Das ist ein großes Unterfangen: In 100
Ländern weltweit verteilt die IGMG-Hilfsorganisation Hasene nach eigenen
Angaben das Fleisch von Opfertieren an Bedürftige.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Funktionären vor, 30 Prozent dieser
Spendengelder für andere Zwecke verwendet und damit veruntreut zu haben.
Der Schaden soll sich auf über 11 Millionen Euro beziffern. Dazu sollen
ehemalige Spender als Zeugen gehört werden. Schon jetzt sind dafür 50
Hauptverhandlungstage angesetzt.
Ein Zeuge, ein ehemaliger Funktionär aus Berlin, behauptet, das Geld sei in
die Türkei überwiesen worden, und zwar an die Saadet-Partei des 2011
verstorbenen Islamistenführers Necmettin Erbakan. Das wäre allerdings
höchst brisant.
Generalsekretär Altaş widerspricht dieser Darstellung vehement. Nach seinen
Angaben handelte es sich bei den 30 Prozent um die bei Hilfsorganisationen
üblichen Verwaltungskosten, worauf in der Spendenwerbung auch hingewiesen
werde. „Mit diesen Maßstäben müsste man jede Spendenorganisation vor
Gericht zerren“, so Altaş.
## „Wie ein Damoklesschwert“
Ein weiterer Aspekt des Verfahrens dreht sich um den Vorwurf des
Sozialversicherungsbetrugs. So soll eine größere Zahl von Imamen nicht zur
Sozialversicherung angemeldet worden sein. Ob dieses Verfahren eröffnet
wird, hat das Gericht aber noch nicht entschieden.
Die IGMG ist ist mit gut 320 Moscheevereinen die größte muslimische
Organisation hierzulande, nach eigenen Angaben hat sie bundesweit über
120.000 Mitglieder. Ihre Ursprünge gehen auf den türkischen
Fundamentalisten Necmettin Erbakan zurück, sie stand deshalb lange Jahre im
Visier des deutschen Verfassungsschutzes. Mehrere Behörden haben die
Beobachtung der IGMG inzwischen jedoch eingestellt, weil diese sich von
einer politischen zu einer religiösen Organisation entwickelt habe.
Dass es erst jetzt zum Verfahren kommt, liege an der hohen Belastung der
zuständigen Strafkammer, erklärte ein Sprecher des Landgerichts der taz.
Bekir Altaş hofft, dass das Verfahren bald zum Abschluss kommt: „Es hängt
wie ein Damoklesschwert über unserem Verband.“
12 Sep 2017
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Islam
Veruntreuung
Steuerbetrug
Kopftuch
Der Hausbesuch
Muslime in Deutschland
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