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# taz.de -- Kommentar Reisewarnung und Reaktion: Viel Feind, viel Ehr, viel Irr…
> Nach Ankara ist jetzt auch Berlin mit Chauvinismus infiziert. Der
> Heilungsprozess ist langwierig. Wirkt die Bundestagswahl lindernd?
Bild: Schulz: „Deutschland ist kein Land, das jede Demütigung akzeptieren ka…
Chauvinismus ist eine ansteckende und gefährliche Krankheit. Sie wird nicht
über Körperkontakt oder den Atem (Tröpfcheninfektion) übertragen, sondern
durch die Verbreitung von hohlem nationalistischem Geschwätz.
Studien beschreiben die Krankheit als eine verbale Überhitzung, verbunden
mit plötzlicher Schnappatmung bei der Beleidigung ganzer Nationen. Bei
Begriffen wie „Ehre“ oder „Stolz“ droht eine Einschränkung kognitiven
Verhaltens bis hin zu schwerwiegenden Bewusstseinsstörungen. Bei einer
Übertragung auf Teile der Bevölkerung sind körperliche Auseinandersetzungen
eine Folge, die häufig mit Fäusten, Flaschen oder Artilleriegeschützen
ausgetragen werden.
Wie hoch das Ansteckungsrisiko von Chauvinismus auch über mehr als tausend
Kilometer hinweg ist, zeigen jüngste Äußerungen deutscher Politiker auf
Erklärungen eines türkischen Staatsoberhauptes. Nachdem dieser gehäuft
Stolz und Ehre seiner Nation beschworen hat und dazu vermehrt unschuldige
deutsche Staatsbürger einsperren ließ, ist die Chauvinismus-Infektion – wie
von Ankara gewünscht – nun [1][nach Berlin übergesprungen].
Betroffen ist etwa ein Kanzleramtschef (CDU), der „klipp und klar“ sagte:
„Auch Deutschland hat eine Ehre.“ Ein Kanzlerkandidat (SPD) hat erklärt:
„Deutschland ist kein Land, das jede Demütigung akzeptieren kann.“ Ein
Justizminister (SPD) sprach davon, dass Deutschland nun „die
Samthandschuhe“ ausziehen müsse. Die ärztliche Schweigepflicht verbietet
uns, hier Namen zu nennen.
Der Heilungsprozess von Chauvinismus-Infizierten ist langwierig. Häufig
hilft nur eine totale Isolation des Erkrankten. Rationalen Argumenten ist
der Infizierte nur sehr beschränkt zugänglich. Wird etwa darauf
hingewiesen, dass nur natürliche Personen über „Ehre“ verfügen können,
nicht aber ganze Staaten, argumentiert man gar, dass man ein Volk schlecht
demütigen kann, so folgen darauf typischerweise Ausflüchte oder der
Hinweis, man habe gerade verstopfte Ohren.
Hilfreich zur Bekämpfung des Chauvinismus kann neben dem Entzug des
Milchgetränks Ayran und von Alkohol in jeglicher Form eine bevorstehende
Bundestagswahl sein, nach der sich die Erkrankten häufig erstaunlich rasch
wieder erholen. Sicher ist das aber nicht.
10 Sep 2017
## LINKS
[1] /Tuerkei-mit-Reisewarnung-fuer-Deutschland/!5443221
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Recep Tayyip Erdoğan
Martin Schulz
Wahlkampf
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EU-Politik
Türkei
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