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# taz.de -- Deutschland und die Bahn: „Verkehrspolitisch Drittweltland“
> Noch immer ist die wichtige Rheintalstrecke gesperrt, die Schweizer
> lästern. Stuttgart 21-Gegner fürchten, dass die Bahn Risiken falsch
> einschätzt.
Bild: Fancy Tunnelbaumänner beim Tunnelbau für die Neubaustrecke Wendlingen�…
Karlsruhe taz | Es ist ein Offenbarungseid, den die Bahn am Dienstag
ablegen musste. Die Rheintalstrecke, eine der wichtigsten
Hauptverkehrsadern in Europa, bleibt mindestens bis zum 7. Oktober zwischen
Rastatt und Baden-Baden unterbrochen. Um das Erdreich zu stabilisieren,
muss einen Teil der neu gebohrten Tunnelröhre mit Beton ausgefüllt werden.
Dabei wird auch die 18 Millionen teure Bohrmaschine einbetoniert. Laut
Bahn-Vorstand Dirk Rompf wolle man anschließend ein 160 Meter langes
Gleisbett aus Beton gießen, um weitere Erdbewegungen zu verhindern. Wie es
danach mit dem Tunnel weitergeht, ist ungeklärt.
Die vielbefahrene Rheintalstrecke ist seit 12. August gesperrt, nachdem
sich durch die Tunnelarbeiten das Erdreich absenkte und der Gleiskörper
deformiert wurde. Bis die Strecke saniert ist, bleibt eine der wichtigsten
Bahnstrecken Europas für den Güter- und Personenverkehr unterbrochen.
Bahnreisende müssen durch die Unterbrechung mindestens eine Stunde mehr
Fahrzeit einplanen. Verkehrsexperten kritisieren, dass die Bahn keine
Ersatzstrecken eingeplant habe.
Auch über die Ursachen der Problematik konnte die Bahn am Dienstag keine
Auskunft geben. „Wir haben uns alle möglichen Gedanken gemacht: Warum ist
das Unmögliche eingetreten?“, sagt das Vorstandsmitglied der ausführenden
Baufirma Züblin, Klaus Pöllath. „Aber wir wissen es nicht.“ Nicht schuld
soll jedenfalls das Vereisungsverfahren sein, wodurch das Gestein während
der Bohrung der Tunnelröhre stabilisiert werden soll. Es sei international
erprobt, erklärt die Bahn. Dem steht die Aussage eines Bahnmitarbeiters
entgegen, der die Ringvereisung rund um die Tunnelröhre als „Weltpremiere“
bezeichnet hatte.
## Und Stuttgart 21?
Für die Bahn ist das Unglück von Rastatt nicht nur teuer, sondern auch ein
ungeheurer Imageschaden. Vor allem aus der Schweiz, die auf die
Verkehrsachse für den Güterverkehr angewiesen ist, kommt scharfe Kritik:
Die Gleise seien offenbar „dilettantisch untertunnelt“ worden, schrieb die
Basler Zeitung, man müsse Deutschland, verkehrspolitisch „künftig als
Drittweltland einstufen“.
Dagegen klingen die Kritiker des Stuttgarter Tiefbahnhofs „Stuttgart 21“
fast schon zurückhaltend. „Die Aussagen der Bahn erweisen sich ein weiteres
Mal als nicht verlässlich“, sagt Carola Eckstein, Ingenieurin vom „Netzwerk
Gegen Stuttgart 21“. Eine Ringvereisung sei bei einer so belasteten Strecke
noch nie angewandt worden. Die Ingenieurin will keine direkten Vergleiche
zu den Risiken bei Stuttgart 21 ziehen.
Aber der Vorfall in Rastatt zeige, dass die Risikoanalysen der Bahn nicht
zuverlässig seien. Vor allem die Gesteinsformation Anhydrid im Stuttgarter
Kessel, in dem die Tunnel gegraben werden, gilt unter Tunnelbau-Ingenieuren
als hochproblematisch. Auch hier kämen neue, unerprobte Verfahren zum
Einsatz, sagt Eckstein. „Wenn im Anhydrid Ähnliches passiert wie jetzt in
Rastatt, ist Stuttgart auf unabsehbare Zeit per Bahn nicht erreichbar.“
Besonders beunruhigend findet es Eckstein, dass die Erdbewegung in Rastatt
offenbar an einer Stelle passiert ist, an der die Tunnelausschachtung
bereits beendet war. „All das zeigt, die Bahn hat die Risiken nicht im
Griff.“
23 Aug 2017
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Deutsche Bahn
Schwerpunkt Stuttgart 21
Deutsche Bahn
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Verfassungsgericht
Verkehr
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