# taz.de -- Kolumne Unter Leuten: In Reinickendorf, Berlin | |
> Von oben donnert der nächste Airbus. Elf Stunden täglich verbringt Frank | |
> Müller zwischen Fritteuse und Ausschank am Kutschi. | |
Bild: Frank Müller und Mitarbeiterin Michaela Stütz | |
Die sechsspurige Autofahrbahn ist die fieseste Erfindung der Moderne. Der | |
Krach macht mich einfach fertig. Ganz anders als Frank Müller. Der Berliner | |
Imbissbetreiber lebt mit Motorenlärm wie kaum ein anderer. Ich treffe | |
Müller in seinem „Altberliner Imbiss am Kutschi“. | |
Die Bude liegt am Kurt-Schuhmacher-Platz, in der Einflugschneise des | |
Flughafens Tegel. Es ist elf Uhr vormittags. Vor ihm: Dichter Verkehr | |
schiebt sich über die Kreuzung. Über ihm: Flugzeuge starten und landen im | |
Minutentakt. | |
„Fleischspieße haste ja um die Zeit noch, wa?“, brüllt ein Gast. „Ja!�… | |
brüllt Müller. „Nehm ick ma zwee, bitte!“ | |
Müller – kurze blonde Haare, kantiges Gesicht – schöpft mit einer Kelle | |
zwei Spieße aus der Stahlwanne voller Bratfett. Die Fensterscheiben des | |
ketchupfarbenen Imbisshäuschens wackeln. „Ein Airbus“, murmelt Müller. �… | |
startet gerade.“ | |
Elf Stunden täglich verbringt er zwischen Fritteuse und Ausschank. Wie man | |
den Lärm aushält? „Man muss mit leben, man hat keene andere Wahl.“ Vor dem | |
Imbiss bildet sich eine Schlange. Bauarbeiter von der Schicht. Sie | |
bestellen zwei oder drei Currywürste. „Mit schön Bratkartoffeln!“, brüllt | |
einer. Viele Gäste des Altberliner Imbiss’ kommen aus der Nachbarschaft. | |
Sie leben seit Jahren, manche seit Jahrzehnten hier. | |
„Der Lärm mit die Flugzeuge stört mich nicht, ick hab da keene Probleme“, | |
sagt eine Frau mit Jeansjacke und eingefallenen Wangen, auf dem Stehtisch | |
vor ihr: zwei Currywürste mit Schrippe. Ob der Flughafen Tegel nach einem | |
Volksentscheid schließt oder offenbleibt – ihr ist das egal. Das nennt man | |
wohl Berliner Gelassenheit, Gleichgültigkeit. | |
Die Schlange vor dem Imbiss hat sich aufgelöst. Frank Müller lehnt am | |
Küchentisch. Kurz durchatmen. Von oben donnert der nächste Airbus. Früher | |
hat er die Gastronomie eines Golfklubs geleitet, erzählt er. Grüne Wiesen, | |
gediegenes Publikum. | |
Warum er das Idyll aufgegeben hat? „Ick wollte mich verändern“, sagt | |
Müller. „Und dachte: Imbiss, dit is ne ruhige Sache.“ | |
8 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Philipp Eins | |
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