# taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Loga wohnt jetzt bei uns | |
> Meine dreijährige Tochter hat bei uns zu Hause eine WG gegründet: Fünf | |
> imaginäre Freunde sind schon eingezogen. | |
Bild: Man ist nie allein, wenn man nur genug imaginäre Freunde hat | |
Loga ist vier Jahre alt. Oder drei. Mal so, mal so. Loga ist die Tochter | |
meiner großen Tochter, die ebenfalls drei ist. Aber: Meine Tochter ist | |
nicht Logas Mutter. Außerdem hat sie, also die Tochter meiner Tochter, auch | |
selbst schon ein Kind. Dieses Kind ist sehr groß, bis zur Decke, und schon | |
erwachsen. | |
Loga hat ihren eigenen Platz am Tisch. Loga geht abends mit ins Bett. Sie | |
muss davor auch baden und sich die Zähne putzen. Loga wird von meiner | |
Tochter auf die Schaukel gesetzt und angeschubst. | |
Außerdem wohnen noch bei uns: der Drache Feuerstuhl (geklaut aus den | |
„Olchis“-Büchern), der Freund (keine genauere Spezifizierung) sowie Kita | |
und Mita (weitere Kinder meiner Tochter). Hinzu kommen diverse | |
Gastauftritte. | |
Ein Freund meiner Tochter, also ein realer, war kürzlich der festen | |
Überzeugung, seine Kinder beim Einkaufen vergessen zu haben. Er war nicht | |
mehr zu beruhigen. Also musste seine Mutter mit ihm zurück zu Rewe oder | |
Edeka oder Aldi oder so radeln und die imaginären Minimenschen einsammeln. | |
Problem gelöst, Zeit und Nerven verloren. | |
Am Montag wollte unsere Tochter partout nicht einschlafen – zugegeben, das | |
will sie nie –, der Beruhigungsprozess zog und zog sich, immer hatte eines | |
ihrer Kinder oder Freunde oder Tiere irgendwas. Loga lag nicht richtig, | |
Feuerstuhl brauchte ’ne Decke, Kita und Mita hatten Durst. Es wurde 21 Uhr, | |
es wurde 22 Uhr, es wurde 23 Uhr. Gejaule wechselte sich mit Gejammer und | |
Gebrüll ab. | |
Es ist zum Verrücktwerden. Zumindest für uns. | |
Meine Tochter hingegen ist nicht verrückt. | |
Das sagt zumindest die Forschung. Also die richtige Forschung. Nicht die | |
Forschung aus dem Fortsetzungsroman „Amerikanische Wissenschaftler haben | |
herausgefunden, dass …“. PsychologInnen sind heute (viele Jahrzehnte war | |
das anders) der Ansicht, dass Kinder, die imaginäre Gefährten haben, | |
empathischer seien, besser kommunizierten, kreativer seien, sich generell | |
besser zurechtfänden und noch weitere tolle Kompetenzen aufwiesen. | |
Das ist schön, allerdings bringt einem erstens dieses Wissen in den hart | |
nervenden Momenten wenig, und zweitens habe ich mir um unsere Tochter auch | |
nie wirklich Sorgen gemacht. Die soll so viel mit sich oder Loga oder | |
Feuerstuhl reden, wie sie will. Viel mehr Sorgen mache ich mir um uns, um | |
meine Freundin und mich. Denn die imaginären Freunde sorgen nicht nur für | |
lustige „Ach, die Kleine wieder, ist das süß“-Momente, sondern auch für | |
jede Menge „Wir müssen jetzt los, verdammt, es ist mir scheißegal, dass | |
Loga ihre Socke verloren hat – aaaaaaaah!!!“-Momente. | |
Aber: ruhig bleiben. Und ja nicht die imaginären Gefährten beschimpfen. Das | |
führt zu nichts. Sie ist unheimlich solidarisch mit denen. | |
Ich versuche mir stattdessen immer die positive Entwicklung vor Augen zu | |
führen: Wer wie meine Tochter als Zweijährige mit der Butter kommuniziert, | |
soll als Dreijährige gern eine imaginäre Tochter-Großmutter-Freundin haben. | |
Ist doch ein Fortschritt. Immerhin redet sie nicht mehr mit dem Essen. | |
3 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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