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# taz.de -- Mega-Box-Event in den USA: Geld versus Geld
> Der Boxer Floyd Mayweather und MMA-Kämpfer Conor McGregor steigen in Las
> Vegas in den Ring. Um Sport geht es bei der Show nicht wirklich.
Bild: Ernst gucken für die Kameras
NEW YORK taz | Worum geht’s da eigentlich? Conor McGregor, MMA-Weltmeister
der UFC im Leichtgewicht, wird an diesem Samstag in einem von Donatella
Versace speziell für ihn designten Mantel in den Ring steigen. Von seinem
Gegner Floyd Mayweather – einem früheren oder immer noch Weltklasseboxer,
so genau weiß man das nicht, denn er stand seit zwei Jahren nicht mehr im
Ring – ist bekannt, dass er sich in seinen Mundschutz 100-Dollar-Noten hat
einarbeiten lassen und auf den Spitznamen „Money“ hört. McGregor wiederum
hat auf Instagram zweieinhalbmal häufiger Posts mit Lamborghini- oder
Rolls-Royce-Fotos gepostet als sein Konkurrent in diesem
Superweltergewichtskampf um irgendeinen Gürtel, der aber kein Titel ist.
Der amerikanische Late-Night-Talker Jimmy Kimmel versuchte in der
vergangenen Woche ernsthaft, etwas Sportliches über das Event
herauszufinden, und fragte Mayweather, wie er sich in der Vorbereitung so
fühle. „Ich fühle mich wie Geld, Mann!“, sagte Mayweather und lachte
herzlich über sein, ja, was?, sein Bonmot, seine Ehrlichkeit, seinen Gag?
Ein Boxer gegen einen Mixed-Martial-Arts-Kämpfer, das ist die
vordergründige Konstellation des Kampfes, der in der Nacht zum Sonntag in
der T-Mobile-Arena in Las Vegas steigen wird. Doch schon der Umstand, dass
nach Boxregeln gekämpft wird, zeigt, dass Mayweather das Ding gewinnen
wird. Ginge es nach den wesentlich freieren Regeln des MMA, die neben Boxen
auch Kickboxen, Karate, Judo und noch ein paar mehr Kampfsportarten
vereinigen, dürfte der Ire McGregor eher als Favorit in den Ring steigen
als der Amerikaner Mayweather.
Die hintergründigere Konstellation des Kampfes sind die unglaublichen
Börsen, die gezahlt werden. Vor zwei Jahren hatte Mayweather schon den als
„Kampf des Jahrhunderts“ promoteten Fight gegen Manny Pacquiao von den
Philippinen gewonnen und um die 400 Millionen Dollar eingestrichen. Dieses
Mal könnte es noch mehr werden.
Dabei war es damals ein Boxkampf, sogar um einen Titel:
Weltergewichts-Super-Champion von drei Verbänden. Da war den Organisatoren
noch klar, dass einem Event, das sie als „Fight of the Century“ verkaufen
wollen, wenigstens ein bisschen mehr Sinn eingehaucht werden muss. Mit
Mayweather stand ein brutaler Schläger im Ring, der wegen des Verprügelns
seiner Freundin vorbestraft ist. Und mit Pacquiao ein aalglatter
Aufsteiger, der für die Liberale Partei im philippinischen Parlament sitzt.
Mayweather verkörpert den Typus, der für eine dreistellige Millionengage
alles, wirklich alles macht. Und Pacquiao den, der sich als evangelikaler
Christ inszeniert und etwas gegen Schwule hat.
Damals standen also Geld vs. Gott im Ring – und Gott gewann. Das war,
zugegeben, nicht viel im Vergleich zu früheren „Jahrhundertkämpfen“. Die
hatten noch von Demokratie vs. Faschismus (Joe Louis vs. Max Schmeling
1938), von Bürgerrechtsbewegung vs. US-Establishment (Muhammad Ali vs. Joe
Frazier 1971) oder von Dritter Welt vs. Imperialismus (Muhammad Ali vs.
George Foreman 1974) gehandelt. Aber, immerhin, das billige
Abklatschmärchen enthielt wenigstens das Gran einer bedeutenden Frage.
Jetzt aber steckt nicht mal im Umstand, dass Mayweather schwarz und
McGregor weiß ist, irgendeine Botschaft. Auch nicht, dass der eine die USA
vertritt, der andere aus Irland, dem „Old Europe“ kommt, vermag eine
Symbolik zu mobilisieren. Alles, was an diesbezüglichen Vorwürfen von der
einen oder anderen Seite kommt, ist so aufgesetzt und inhaltsleer, dass es
beim Zuhören wehtut.
Nur Geld vs. Geld ist die Symbolik dieses Kampfes. Fernsehmarktanteile des
Boxens vs. die Fernsehmarktanteile der MMA. Dass das für die Akteure und
für die unmittelbar Beteiligten von Bedeutung ist, leuchtet ein. Aber wen
sonst soll das reizen? Soll man dem Geld die Daumen drücken? Oder dem Geld?
Dem Profiboxen in den USA sind in den vergangenen Jahren die Anteile am
Sportfernsehmarkt dramatisch weggebrochen. Starke US-Boxer wurden in den
höheren Gewichtsklassen von Boxern aus der früheren Sowjetunion verdrängt
(am berühmtesten: die Klitschkos), bei den leichteren Kämpfern waren
lateinamerikanische und asiatische Boxer erfolgreicher. Und auf dem
heimischen Markt Nordamerika ist MMA mit dem Verband UFC an der
unübersichtlichen Zahl der Boxverbände vorbeigezogen.
So sehr, dass die UFC im vergangenen Jahr die Fernsehrechte für vier
Milliarden Dollar an den Vermarkter WME-IMG verkaufen konnte. Indem die
UFC der Mayweather-Show zustimmt, vermutet Daniel Roberts vom
Branchendienst Deadspin, verdient er an McGregor in diesem Jahr wenigstens
irgendetwas.
MMA steckt also in einer Art Sättigungskrise, gerade UFC-Superstar McGregor
hat Probleme, lukrative Gegner zu bekommen. Und das Profiboxen wurde
verdrängt. Zwei sehr unterschiedliche Krisen zweier sehr unterschiedlicher
Sportarten kommen da zusammen, die das skurrile Event in Las Vegas zu einem
Ereignis machen, das sich lohnen soll.
Und wird. Schon die PR-Tour der beiden Kontrahenten mit als
„Pressekonferenzen“ inszenierten Anheizevents zog 50.000 Fans an. Die
Videos der Veranstaltungen, die aus wenig mehr als Brustgetrommel und dem
wahllosen Austausch von Obszönitäten bestanden, wurden 33 Millionen Mal
angeschaut. Auf Snapchat wurden Clips davon sogar fast 100 Millionen Mal
geteilt. So können alle Parteien mit finanziellen Interessen an der Show
realistisch darauf hoffen, dass am Sonntag ihre Kasse stimmt. Saftige 99
Dollar verlangt der Bezahlsender Showtime als Zuschaltgebühr und spekuliert
damit auf eine ähnliche Zugkraft wie vor zwei Jahren der „Jahrhundertkampf“
zwischen Mayweather und Pacquiao. Laut Schätzungen des Fernsehsenders ESPN
werden 4,75 Millionen Menschen einschalten. Damit würde Showtime den Umsatz
von Mayweather und Pacquiao um 20 Millionen Dollar übertreffen und 475
Millionen einspielen.
Finanziell ist der Kampf Mayweather–Pacquiao die Marke, an der sich die
Cross-over-Show nun misst. 623,5 Millionen Dollar hat seinerzeit der
Kampf umgesetzt. Die Schätzungen für Sonntag schwanken [1][laut New York
Post] zwischen 600 Millionen (ESPN) und einer Milliarde Dollar. Dabei
glaubt man, dass der Kampf deutlich mehr an Sponsorengeldern einnimmt als
Pacquiao–Mayweather und das Merchandising beinahe doppelt so viel Geld
einspielt. Die Ticketeinnahmen, die sich bei Pacquiao–Mayweather auf 72,2
Millionen Dollar beliefen, so die Prognose, werden etwas niedriger liegen.
Die Wetteinnahmen hingegen reichen mit ziemlicher Sicherheit nicht einmal
annähernd an die 70 Millionen heran, die beim Pacquiao-Kampf umgesetzt
wurden.
Kein Wunder, denn sportlich geht es ja um nichts. Wer sich wirklich für
Profiboxen interessiert, wartet auf den Mittelgewichts-WM-Kampf zwischen
Gennadi Golowkin und Saúl „Canelo“ Álvarez Mitte September. Da geht es in
derselben Arena in Las Vegas um die WM-Titel von WBA, WBC, IBF und IBO, und
auch das Fachblatt The Ring erkennt ihn als Titelkampf an. Da geht es also
um Sport.
Sport aber ist bei Mayweather vs. McGregor völlig gleichgültig. McGregor
hat noch nie geboxt, Mayweather seit zwei Jahren nicht mehr. Im Lager der
richtigen Profiboxer – dem Floyd Mayweather schon längst entwachsen ist –
versucht man das Beste aus der Konstellation herauszuholen. „Wir haben die
Chance, ein neues Publikum anzulocken“, sagt etwa Exweltmeister und
Promoter Óscar de la Hoya. „Vielleicht schauen sich ja ein paar Leute
Mayweather–McGregor an und wollen dann auch den echten Kampf sehen.“
Golowkin vs. Álvarez hat nämlich große Vermarktungsprobleme – obwohl oder
weil es ein Boxkampf ist, sei dahingestellt.
Bei Mayweather vs. McGregor hingegen ist es so, sagt Marketingexperte
Daniel Roberts, „als würde Michael Phelps Usain Bolt zu einem
100-Meter-Lauf herausfordern“. Und ein amerikanischer Journalist hat den
Kampf direkt mit dem Wahlkampf und den Geschäftspraktiken von Donald Trump
verglichen: Da wird nicht einmal versucht, irgendetwas mit Substanz zu
verkaufen, jeder gibt offen zu, dass es eine reine Geldmaschine ist, und
die Leute wollen es trotzdem.
Als Mayweathers Manager Leonard Ellerbe auf einer Pressekonferenz auf den
sportlichen Wert der Veranstaltung angesprochen wurde, sagte er: „Es ist
mir völlg egal, wie man das Ganze nennt. Dieser Scheiß ist groß. Jeder will
es sehen. Du kannst nicht auf etwas scheißen, das jeder sehen will. Die
Leute wollen ja auch Kim Kardashian.“ Nicht mal Mayweather selbst will als
Sportler ernst genommen werden. „Wir werden den Leuten bieten, was sie sich
wünschen“, sagt er. Fake Sports könnte man auch sagen.
Mayweather vs. McGregor ist ein Kampf, der in die Trump-Ära passt. Protzen
zum Fremdschämen, hantieren mit unglaublichen Summen, so etwas wie soziales
Gewissen offen verhöhnen.
Muhammad Ali trat auch einmal gegen einen Vertreter asiatischer
Kampfkunst an. Auch da wurde vorher unangenehm auf die Pauke gehauen, als
könnte man so ermitteln, welches die definitive Sportart ist. „Isn’t there
any Oriental fighter who will challenge me? I’ll give him one million
dollars if he wins“ (Ali). Auch da ging es also um eine – für die damalige
Zeit – sehr große Summe. Doch wer kennt eigentlich noch Alis Gegner bei der
peinlichen Show? Antonio Inoki hieß er, sagen Google und Wikipedia. Den
Namen muss man sich so wenig merken wie Floyd Mayweather oder Conor
McGregor.
26 Aug 2017
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## AUTOREN
Sebastian Moll
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