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# taz.de -- Karrierende für Radprofi Contador: Die letzte Runde
> Der Spanier Alberto Contador verabschiedet sich bei der Vuelta a España.
> Er wird künftig einen U23-Rennstall betreuen.
Bild: Die Vuelta startete am Samstag im Ampthitheater von Nimes
Alberto Contador beendet bei der Vuelta a España mit 34 Jahren seine
Karriere als Radprofi. Er hatte sie als blasser Ehrgeizling begonnen, wurde
wegen seiner Dopingsperre zum Buhmann – zumindest außerhalb Spaniens – und
eroberte in den letzten Jahren mit seiner leidenschaftlichen Fahrweise auch
die Herzen mancher Zweifler. Dass er in Zukunft ein Jugendteam mitbetreuen
wird, sorgt für eine Fortsetzung alter Kontroversen.
Scheibchenweise hat Contador sich dem Abschied genähert – wie ein Rockstar,
der eine Tournee nicht mehr körperlich durchsteht, die nachlassende
Wahrnehmung aber auch nicht verkraftet.
Während der Tour de France ließ Contador durchblicken, noch ein Jahr dran
hängen zu wollen. Dann aber bat er um Aufschub bei einem neuen
Vertragsangebot seines Rennstalls Trek Segafredo. Seine Sturzserie in
Frankreich und auch die Erkenntnis, mit den Besten am Berg nicht mehr
mithalten zu können, führten dann aber zur Verkündung des Abschieds. „Es
gibt keine bessere Gelegenheit für den Rücktritt als die Vuelta. Ich werde
zu meiner Entscheidung stehen, unabhängig davon, was während des Rennens
passiert und welches Resultat ich einfahre“, sagte Contador vor der
Rundfahrt.
Für die beste Gelegenheit hält es nicht jeder. Contadors früherer
Arbeitgeber Oleg Tinkov hatte zuletzt über das immer wieder verschobene
Karriereende gespottet. Der Russe nannte den Spanier einen
„Investitionsvernichter“, weil seine Resultate seinen Gehaltszahlungen
hinterherliefen.
In nackten Zahlen betrachtet hat der Biermilliardär aus Sibirien recht.
Allerdings übersah er den Spektakelwert des späten Alberto. Dass die Vuelta
2016 zu einem der spannendsten Rundfahrten dieses Jahrhunderts wurde, lag
vor allem an einer frühen Attacke Contadors; er erwischte das Team Sky
derart auf dem falschen Fuß, dass Übersieger Chris Froome nicht nur
isoliert war, sondern fast die gesamte Begleiterschar des Briten im
Gruppetto ins Ziel gondelte.
Das ist – auf Fußballverhältnisse übertragen – vergleichbar mit dem 6:1 …
Barcelona in der Champions League gegen PSG und reicht knapp an das
historische 7:1 der DFB-Auswahl gegen Brasilien bei der WM 2014 heran. Weil
Radsport aber komplexer als Fußball ist, war der unmittelbare Profiteur
dieser Attacke nicht Contador selbst, sondern der Kolumbianer Nairo
Quintana, der sich damit den Gesamtsieg sicherte.
Contador hatte aber seinen Ruf als Rennkatalysator endgültig bewiesen. War
er in der ersten Phase seiner Karriere der Bergfahrer, der mit einem
Antritt am letzten Gipfel die Konkurrenz in Grund und Boden fuhr, so hatte
er sich in der Spätphase seiner Laufbahn auf heroische Attacken kurz nach
Etappenstart spezialisiert.
Manchmal profitierte er sogar selbst davon. 2012 gewann er dank einer
Attacke die Vuelta. „Alberto hatte Raketenbeine. Er litt zwar unendlich am
letzten Berg, aber er gab nicht nach. Solche Tage sind einfach speziell“,
meinte begeistert sein damaliger sportlicher Leiter Brad McGee.
## Rückkehr nach Dopingsperre
Contador war in jenem Jahr von einer zweijährigen Dopingsperre
zurückgekehrt. Während der Tour de France 2010, die der Spanier zunächst
gewonnen hatte, wurde eine geringe Menge Clenbuterol in seinem Organismus
aufgespürt. Zuvor schon sein Namenskürzel in den Unterlagen des 2006
aufgeflogenen Dopingarztes Eufemiano Fuentes seinen Ruf lädiert.
Bei seiner Abschiedstournee dürfte Contador mit gemischten Gefühlen
begleitet werden. Direkt an der Strecke vor allem Jubel. „Es wird so wie
bei der letzten Vuelta von Pedro Delgado im Jahre 1994, als er vom ersten
bis zum letzten Kilometer gefeiert wurde“, spekulierte das spanische
Sportblatt As. In der veröffentlichten Meinung anderer Länder haben die
Zweifel an Contadors Heldenhaftigkeit die Überhand.
Wer den alt gewordenen Haudegen mit der Pistolengeste nach Siegen mag,
wird noch einmal auf eine epische Attacke hoffen. Wer allerdings glaubt,
dass er weiter die moralische Ruchlosigkeit seiner frühen Jahre in sich
trägt, dem graust es davor, dass die Contador-Stiftung jetzt einen
U23-Rennstall betreibt. Offizieller Chef dort der alte Contador-Spezi Ivan
Basso, selbst ein früherer Kunde des Doktor Fuentes.
20 Aug 2017
## AUTOREN
Tom Mustroph
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