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# taz.de -- Radrennen „Vuelta a España“: Der Butler als Kapitän
> Alejandro Valverde und Jan Ullrich haben eine ähnliche Dopinggeschichte.
> Während der eine abgestürzt ist, fährt der andere immer noch Rad. Und
> wie!
Bild: Im Angriffsmodus: Altmeister Alejandro Valverde auf dem Weg hinauf zu den…
Schneller als Weltmeister Peter Sagan beim leicht ansteigenden Sprint,
ausdauernder als die Andenkletterer Nairo Quintana und Miguel Angel Lopez
im Hochgebirge. Alejandro Valverde, Rennopa mit 38 Jahren, verblüfft die
Radsportwelt. Und manchmal sogar sich selbst.
Bei dem Sprintduell mit Sagan sollte er nur dem Slowaken folgen, um keine
Zeit zu verlieren. „Dann aber war plötzlich der Weg frei“, blickte Valverde
selbst ein wenig staunend auf die 8. Etappe zurück. Es war sein bereits
zweiter Etappensieg bei dieser Vuelta. Im Gesamtklassement liegt er auf
Rang 2. Er ist der einzige auch, dem man noch zutrauen kann, Yates davon
abzuhalten, der dritte Brite zu werden, der die dritte Grand Tour in dieser
Saison gewinnt. Das alles ist an sich schon enorm. Es wird noch
staunenswerter, wenn man seinen Karriereweg mit dem des Jan Ullrich
vergleicht.
Denn 2006 saßen sie beide noch in einem Boot. Ullrich war auf dem Weg, das
dachten zumindest alle, dem in den Ruhestand gewechselten Lance Armstrong
als Toursieger zu folgen. Valverde gewann in jenem Jahr die Punktwertung
des Radsportweltverbands UCI, war also über die gesamte Saison gesehen der
erfolgreichste Profi von allen. Den gleichen Arzt hatten die beiden auch:
Eufemiano Fuentes, Frauenarzt mit Blutbank-Zugang.
Ullrich firmierte auf dessen Liste als Nr eins, als „Hijo Rudicio“ (Sohn
des Rudy; Rudy Pevenage war damals sein sportlicher Leiter im Team und
sowieso der ständige Begleiter des Deutschen). Valverde war Nr. 18,
Deckname „Valv. (Piti)“. Wie die Klassifizierung seiner Dopingklienten
zustande kam, hat Fuentes nicht verraten.
## Der Paria
Fakt ist, die Nummer 1 seiner Liste beendete angesichts der Dopingvorwürfe
die Karriere, und wird seitdem als Paria behandelt. Engagiert ihn ein
Rennveranstalter, wie im letzten Jahr die Ausrichter von „Rund um Köln“,
wird gleich ein „Skandal“ daraus – und das, zugegebenermaßen auch nicht
sonderlich clever kommunizierte, Comeback fällt aus.
Ganz im privaten Abseits gelassen wird Ullrich aber auch nicht. Hat er
Streit mit einem Nachbarn, wie jüngst mit Til Schweiger, füllt das die
Blätter und die Online-Portale, erst recht, wenn der Nachbar noch auf
Alkoholeskapaden hinweist. Mit einer Mischung aus geheuchelter Anteilnahme
und zutiefst ehrlicher Gehässigkeit wird das Leben durchleuchtet.
Ganz anders kam Valverde aus dem Skandal mit den gleichen Arztbesuchen
heraus. Er wurde, als einer der wenigen, sogar verurteilt, auf Initiative
eines italienischen Sportstaatanwalts, der das Verschleppen des
Puerto-Skandals nicht ertragen konnte. Valverde kehrte nach der Sperre
zurück, ein wenig gemieden erst, argwöhnisch beäugt, nur von den Spaniern
gleich wieder ans Herz genommen.
## Der Junggebliebene
Inzwischen sind Fans zum Radsport gekommen, die von „Operacion Puerto“
nichts wissen. Journalisten, die damals recherchiert haben, sind im
Ruhestand oder widmen sich anderen Dingen. Valverde ist, weil die
Vergangenheit verblasst, zum Grandseigneur geworden. Welch Gegenbild zu Jan
Ullrich. Treibt man den Vergleich auf die Spitze, dann lässt sich sagen,
dass Ullrich bei seiner Vita das Pech hat, im falschen Land geboren zu
sein.
Leistung bringt dieser Valverde trotz seines Alters noch immer. Wenn es
nicht so pikant wäre, weil Anti-Aging-Mittel wegen ihrer Dopingwirkung im
Leistungssport offiziell verboten sind und die Wirksamkeit der Kontrollen
begrenzt ist, würde der Mann aus Murcia das ideale Testimonial für jegliche
Jungbrunnen-Werbung abgeben. So stark allerdings ist die Vergangenheit noch
nicht verblasst, dass dies geschieht.
Hier bei der Vuelta kann er noch ein spätes Meisterwerk abliefern. Seinen
nominellen Kapitän Nairo Quintana hat er längst in den Schatten gestellt.
Nicht, weil er mit ihm konkurriert. Nein, Valverde erledigte seine
Helferdienste wie ein Butler der alten englischen Schule. Er war da, wenn
er gebrauchte wurde, räumte die Tafel auf, fing für Quintana unbequeme
Ausreißer ein.
## Der Kapitän
Gut, der einzige, den er nicht domestizieren konnte, war Simon Yates. Am
Mittwoch beim Aufstieg auf den nebligen Alto del Balcón hat er ihm immerhin
ein paar Meter abgenommen und nun nur noch 25 Sekunden Rückstand auf den
Briten im Gesamtklassement.
Oft genug brachten ihn seine Helferaufgaben dazu, vor dem schwächelnden
Quintana die Ziellinie zu überfahren. Jetzt ist er endgültig Kapitän seiner
Movistar-Truppe. Und kann auf Angriff umschalten, um das zu schaffen, was
ihm bislang nur ein einziges Mal gelang: eine Grand Tour zu gewinnen. Es
glückte ihm 2009 bei der Vuelta. Das war vor seiner Dopingsperre. Was für
ein Kreis könnte sich da schließen.
Oft genug brachten ihn seine Helferaufgaben dazu, vor dem schwächelnden
Quintana die Ziellinie zu überfahren. Jetzt ist er endgültig Kapitän seiner
Movistar-Truppe. Und kann auf Angriff umschalten, um das zu schaffen, was
ihm bislang nur ein einziges Mal gelang: eine Grand Tour zu gewinnen. Es
glückte ihm 2009 bei der Vuelta. Das war vor seiner Dopingsperre. Was für
ein Kreis könnte sich da schließen.
13 Sep 2018
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Radsport
Jan Ullrich
Doping
Vuelta
Blut
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